Rüstzeit für die Bundeswehr Trump könnte Deutschland zwingen, den Militäretat aufzustocken

Zwar hat Deutschland die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr merklich verbessert. Ginge es jedoch nach Donald Trump, müsste Deutschland nochmal 20 Milliarden Euro drauflegen. Die Gründe dafür leuchten ein.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu Gast bei einem Nato-Manöver mit deutschen Soldaten in Polen.

Donald Trump weiß vermutlich nicht, wer Hans-Peter Bartels ist. Aber wenn Trump wüsste, was Bartels zu Protokoll gegeben hat, dann würde sich der neue US-Präsident wahrscheinlich nicht mehr abringen als einen kleinen Lacher, irgendetwas zwischen Mitleid und Gehässigkeit.

Der SPD-Politiker ist Wehrbeauftragter des Bundestags – und kraft seines Amts fast jede Woche unterwegs an der Heimatfront. In den Kasernen der Bundeswehr lässt er sich von Soldaten berichten, wie viele Panzer fahrtüchtig sind, ob Munition knapp wird oder genug Nachtsichtgeräte vorhanden sind. Was er dort zuletzt sah und hörte, fasste er am vergangenen Dienstag so zusammen: „Es geht alles viel zu langsam.“

Es – das ist der Umbau der deutschen Armee. Der parlamentarische Kontrolleur der Bundeswehr warnt in seinem jüngsten Jahresbericht vor wachsender Überlastung bei Heer und Marine, kritisiert das „Schneckentempo“ des Personalaufbaus und fordert eine „Mentalitätstrendwende“. Anders gesagt: Die Bundeswehr reformiert sich auf offenem Feld. Und sie hofft inständig, so lange nicht unter Beschuss zu geraten.

Wer am meisten für Rüstung ausgibt
Soldaten Quelle: REUTERS
Südkoreanische Soldaten Quelle: AP
Ursula von der Leyen besucht Bundeswehr-Soldaten in Kiel Quelle: REUTERS
Japanische Flagge in Tokio Quelle: dpa
Tower Bridge in London Quelle: REUTERS
Ein französischer Soldat patrouilliert an Wahlplakaten in Paris vorbei Quelle: AP
Soldaten der indischen Armee Quelle: REUTERS

Dabei hat sich die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr sogar merklich verbessert. Zusätzliche Mittel im Wehretat, die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf 130 Milliarden Euro bis 2030 taxiert, kommen bereits bei der Truppe an, erste Löcher sind gestopft. Deutschland rüstet auf. Und das im Konsens der meisten Parteien. So viel Akzeptanz für die Parlamentsarmee gab es in der traditionell eher pazifistischen Bundesrepublik selten.

Aber jenseits des Atlantiks braut sich etwas zusammen, was diese Stimmung gefährden könnte: Denn ginge es nach US-Präsident Donald Trump, müsste Berlin bald jährlich noch weitere 20 Milliarden Euro zusätzlich fürs Militär ausgeben. Der deutsche Wehretat beträgt derzeit gerade einmal 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; weit weniger als jene zwei Prozent, die sich die 28 Nato-Mitglieder als Soll-Ziel bis 2024 gesteckt haben.

Der US-Präsident mag diplomatisches Feingefühl missachten, aber mit seiner Kritik am transatlantischen Verteidigungsbündnis hat er einen Punkt: „Wir haben die Armeen anderer Staaten unterstützt – und dabei die Auszehrung unseres eigenen Militärs zugelassen.“

So marode ist die Bundeswehr
Aufklärungsjets am BodenImmer neue Einsätze stellen Deutschlands Armee vor Herausforderungen. Immer wieder kommt es dabei auch zu Problemen mit dem Material. So waren die deutschen "Tornados", die für Aufklärungsflüge gegen die Terrormiliz IS in Syrien und im Irak eingesetzt werden, zunächst nachts nicht einsetzbar. Die Cockpit-Beleuchtung war zu hell. Zwar hat die Bundeswehr die Flieger nachgerüstet, doch nicht alle Jets sind tatsächlich einsetzbar. Von den 93 deutschen Tornados waren laut Berichten aus dem November nur 66 in Betrieb - und nur 29 einsatzbereit. Das macht eine Quote von 44 Prozent, vor einem Jahr waren immerhin noch 58 Prozent der Flugzeuge einsatzbereit. Die teilweise über 30 Jahre alten Flugzeuge gelten als Auslaufmodelle. Quelle: dpa
Kampfjets ohne RaketenBeim Nachfolgemodell Eurofighter sind immerhin schon 55 Prozent der 109 Kampfjets einsatzbereit. Dieser Wert lag im vergangenen Jahr aber noch bei 57 Prozent. Wie im November bekannt wurde, fehlt es der Bundeswehr allerdings an Raketen für ihre Flugzeuge: Insgesamt 82 radargelenkte Amraam-Raketen besitzt die Bundeswehr, berichtet die "Bild am Sonntag". Im Ernstfall aber sollte jeder Jet mit zwei Raketen bestückt werden - die Bundeswehr bräuchte also 218 Amraam-Raketen. Quelle: dpa
Hubschrauber mit TriebwerksschädenNoch schlechter steht es um die Hubschrauber-Flotte: Nur 22 Prozent der Transporthubschrauber des Typs NH90 der Bundeswehr sind einsatzbereit. Der Hubschrauber hat vor allem Probleme mit seinen Triebwerken: 2014 musste ein Pilot auf dem Stützpunkt in Termes in Usbekistan notlanden, weil ein Triebwerk explodiert war. Eigentlich hat sich die Bundeswehr das Ziel gesetzt, dass 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Bestandes für den täglichen Dienst nutzbar sein soll. Doch insbesondere bei ihren Fluggeräten verfehlt die Bundeswehr diesen Werte oft deutlich. Quelle: dpa
Flügellahmes FluggerätSo ist nur jeder vierte Schiffshubschrauber "Sea King" (siehe Foto) bereit für einen Einsatz. Beim Kampfhubschrauber Tiger liegt die Quote bei 26 Prozent, beim Transporthubschrauber CH53 immerhin schon bei 40 Prozent. „Die Lage der fliegenden Systeme bleibt unbefriedigend“, urteilt Generalinspekteur Volker Wieker in seinem aktuellen Bericht zum Zustand der Hauptwaffensysteme. 5,6 Milliarden Euro will die Bundeswehr in den nächsten zehn Jahren investieren, um den Zustand ihrer Ausrüstung zu verbessern. Quelle: dpa
Transportflugzeuge mit LieferschwierigkeitenUnd von den Transportflugzeugen "Transall" sind nur 57 Prozent bereit zum Abheben. Die teilweise über 40 Jahre alten Flugzeuge gelten als anfällig für technische Defekte. 2014 sorgte das für eine Blamage für die Bundeswehr im Irak, wo die Ausbilder der Bundeswehr kurdische Peschmerga-Kämpfer bei ihrem Kampf gegen den "Islamischen Staat" unterstützen sollten. Weil die Transall-Maschine streikte, konnten die Soldaten nicht zu ihrer Mission aufbrechen und mussten die Maschine wieder verlassen. Eigentlich sollen die Transall-Flugzeuge in den kommenden Jahren durch neue Airbus-Transportflugzeuge des Typs A400M ersetzt werden. 53 der Maschinen hat die Bundeswehr bestellt, doch die Auslieferung verzögert sich. Erst zwei Exemplare kann die Bundeswehr dieses Jahr im Empfang nehmen, die dazu nicht mal alle Funktionen haben: Fallschirmspringer zum Beispiel können die ausgelieferten Flugzeuge nicht absetzen. Airbus muss wegen der Probleme 13 Millionen Euro an den Bund zahlen. Quelle: dpa
Panzer mit BremsproblemenDie Bodenausrüstung findet sich zwar in besserem Zustand als die Flugsysteme der Bundeswehr. Aber auch hier gibt es Probleme, zum Beispiel beim Panzer "Puma". Aus Sicherheitsgründen musste die Höchstgeschwindigkeit für den Panzer von 70 km/h auf nur noch 50 km/h heruntergesetzt werden. Der Grund: Bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h bremst der Panzer nicht mehr zuverlässig, der Bremsweg verdoppelt sich, wie das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBs) bei Tests herausfand. Die Probleme gab es wohl auch, weil die Bundeswehr erst spät in der Entwicklungsphase den Wunsch einbrachte, dass der Panzer bis zu 70 km/h schnell fahren sollte. Außerdem sollte der 1000 PS starke, bis zu 2000 Schuss pro Minute abfeuernde Panzer ohne Panzerung nur 31,5 Tonnen wiegen. Die Hersteller Krauss Maffei und Rheinmetall hatten Schwierigkeiten, die Auflagen zu erfüllen. Auch deshalb lieferten sie den Panzer erst in diesem Juni aus, ganze fünf Jahre später als geplant. Quelle: dpa
Das Skandal-GewehrDas Dauerthema bleibt jedoch das Pannengewehr G36: Das Sturmgewehr des Herstellers Heckler und Koch soll bei hohen Temperaturen nicht mehr präzise schießen, Verteidigungsministerin von der Leyen erklärte daraufhin, das Gewehr habe bei der Bundeswehr keine Zukunft. Rund 180 Euro hat die Bundeswehr für die insgesamt 178.000 Gewehre bezahlt. Die Aufklärung der Affäre bindet viele Kapazitäten im Ministerium: Insgesamt vier Kommissionen befassen sich mit dem Skandal. Ab 2019 soll ein neues Sturmgewehr das G36 ablösen. Quelle: dpa

Das zielt direkt nach Deutschland. Denn die schwach gerüstete Bundesrepublik war über Jahrzehnte eine der größten Profiteurinnen des amerikanischen Sicherheitsversprechens.

Donald Trump könnte deshalb auf die simple Zahl pochen: Entweder die Europäer schaffen die Nato-Zielmarke – oder Amerika zieht sich zurück. Das passt zu seiner Logik des „Deal-Making“: Er setzt Europa mit dem Teilrückzug aus der Nato so unter Druck, dass die Länder endlich mehr in die eigene Verteidigung investieren, statt sich auf die schützende und zahlende Hand von „Uncle Sam“ zu verlassen. Christian Mölling, Sicherheitspolitik-Experte des German Marshall Funds in Berlin, hofft jedenfalls, dass Trumps Töne „uns Europäer zwingen, strategisch zu überlegen, was wir ohne die USA können müssen“.

Politik der maximalen Unsicherheit

Die kommenden Jahre dürften von Zuckerbrot und Peitsche geprägt sein: hier Trump und seine impulsiven Töne; ein Mann, der noch vor seiner Amtseinführung das westliche Verteidigungsbündnis – und damit einen seit Jahrzehnten bewährten Eckpfeiler des Westens – mal eben als „überholt“ bezeichnete. Dort sein Verteidigungsminister James Mattis, der sich klar zur Nato bekennt. Zu einer Organisation, die er im Übrigen exzellent von innen kennt, denn Mattis war vor seiner politischen Karriere einer der ranghöchsten Generale des Bündnisses.

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