Ruf nach mehr Kontrollrechten Euro-Hawk-Debakel gibt Rechnungshof Auftrieb

Das Verteidigungsministerium hat sich keinen Gefallen damit getan, dem Bundesrechnungshof bestimmte Dokumente zum Euro-Hawk-Geschäft zu verweigern. Jetzt werden erste Rufe nach einer Stärkung der Behörde laut.

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Das Gebäude des Bundesrechnungshofes in Bonn (Archivbild). Quelle: ap

Berlin Das Scheitern des Drohnenprojekts Euro-Hawk könnte zu einer Ausweitung der Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes führen. Hintergrund ist, dass das Verteidigungsministerium von Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) laut einer Bundestags-Studie rechtswidrig gehandelt haben soll, als es dem Bundesrechnungshof Informationen zu der umstrittenen Beschaffungsmaßnahme vorenthielt. Selbst der Koalitionspartner FDP kritisierte das Vorgehen als „politisch inakzeptabel“.

Als erster sprach sich der Bund der Steuerzahler dafür aus, dem Bundesrechnungshof zur Eindämmung von Rüstungsflops künftig mehr Kompetenzen zu übertragen. „Soweit der Rechnungshof Anhaltspunkte für drohende Steuergeldverschwendung ausmacht, sollte er sofort Alarm schlagen und seine Kritikpunkte nicht nur den zuständigen Politikern zukommen lassen, sondern öffentlich machen. Immerhin reden wir bei Rüstungsflops schnell über Millionen und Milliarden Euro“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel Handelsblatt Online.

„Bei konkreten Fällen, die faktisch auf strafrechtliche relevante Steuergeldverschwendung hinauslaufen, sollte er künftig die Strafverfolgungsbehörden informieren“, sagte Holznagel weiter. Über ein ähnliches Mitteilungsspektrum verfügten die Finanzämter bei der Aufdeckung von Steuerhinterziehung bereits seit Jahren. „Daher sollte Waffengleichheit geschaffen werden, um Steuergeldverschwendung genauso energisch verfolgen zu können wie Steuerhinterziehung.“

Der Bundesrechnungshof hat über das Drohnen-Projekt unter Hinweis auf US-Sicherheitsinteressen nur unvollständige oder teils geschwärzte Unterlagen erhalten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hält das für unrechtmäßig. „Vereinbarungen, die verhindern sollen, dass bestimmte Informationen an den Bundesrechnungshof herausgegeben werden, sind nichtig“, zitiert die „Bild“-Zeitung aus einer Analyse des Dienstes vom Januar.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff kritisierte die Geheimhaltung von Informationen. „Es geht nicht, dass Steuergeld ausgegeben wird, und hinterher kann niemand mehr nachvollziehen, wofür.“

De Maizière hatte das Projekt der Aufklärungsdrohne „Euro-Hawk“, das bereits mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet hat, vorige Woche gestoppt. Die Opposition verlangt detailliert Aufklärung, warum dies nicht früher geschah, obwohl das Ministerium schon 2011 von Problemen bei der Zulassung für den europäischen Luftraum wusste. De Maizière will aber erst am 5. Juni vor dem Verteidigungsausschuss Auskunft geben.


"Wir brauchen ein sofortiges Moratorium"

Auch die Grünen schließen als Konsequenz aus dem Euro-Hawk-Debakel eine Stärkung der Kompetenzen des Bundesrechnungshofs nicht aus. „Jetzt muss zuerst aufgeklärt werden, was bei dem Euro-Hawk-Desaster schief gegangen ist und wo überall das Verteidigungsministerium die bestehenden Rechte des Bundesrechnungshofes verletzt hat. Dazu muss Minister Thomas de Maiziere schnellstmöglich alle Fakten auf den Tisch legen“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, Handelsblatt Online. „Danach wird man sehen, ob und wie die Kontrollrechte des Rechnungshofes gestärkt werden können.“

Nouripour warf dem Verteidigungsministerium eine "auf Pannen programmierte Beschaffungspolitik" vor, da hier noch immer Industrieprestige vor Bedarf gehe. „Industriepolitischen Überlegungen  wird Vorrang eingeräumt vor der Frage, was die Bundeswehr konkret und praktisch an Ausrüstung benötigt“, sagte der Grünen-Politiker. „Um dies zu ändern, brauchen wir ein strafferes, transparentes Beschaffungsverfahren.“

Kritisch sieht Nouripour auch, dass Deutschland mit 480 Millionen Euro an dem Nato-Drohnenprojekt "Alliance Ground Surveillance" (AGS) beteiligt ist. Die Allianz will das Aufklärungssystem bis 2017 aufbauen. Es besteht im Kern aus fünf gemeinschaftlich betriebenen Drohnen des Typs Global Hawk, des Modells also, von dem sich der Euro-Hawk ableitet. „Wir brauchen jetzt ein sofortiges Moratorium“, sagte der Grünen-Politiker. „Für Erprobung und für Nato-AGS darf kein Cent fließen, solange nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen.“

Auch Politiker von CDU und FDP fordern vom Minister, die deutsche Beteiligung am Nato-Aufklärungssystem AGS auszusetzen, bis die Zulassung der dafür erforderlichen Drohne „Global Hawk“ - einer US-Version des „Euro-Hawk“ - geklärt ist. „Ansonsten droht eine weitere Fehlinvestition in Millionenhöhe“, warnte Hoff bereits am Montag.

Ähnlich äußerte sich der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle in der „Rheinischen Post“. Das Aussetzen des „Global-Hawk“-Projekts der Nato bis zur Klärung der Zulassungsfrage sei „eine logische Konsequenz“. „Das Projekt kann erst weiter finanziert werden, wenn geklärt ist, was passiert, wenn die Nato den europäischen Luftraum überfliegt.“

Dessen ungeachtet hält es der Steuerzahlerbund für unabdingbar, dass die Politik zügig und konsequent auf die Kritikpunkte des Rechnungshofes reagieren müsse. „Hier prallt viel zu viel Rechnungshofkritik an den Politikern ab. Insoweit hat allein die Politik die Aufgabe, aus dem Ruder laufende Projekte zu stoppen“, sagte Holznagel. Diese habe sie schließlich auch initiiert, daher müsse die Verantwortung auch bei ihr verbleiben.

Mit sachlicher Kritik des Rechnungshofes im Rücken seien jedenfalls alle Voraussetzungen dafür geschaffen, das Ende eines Projekts einzuleiten. „Eine Offenlegung der Prüfergebnisse des Rechnungshofes würde hier entsprechend nötigen Druck aufbauen, auch im Hinblick auf disziplinarrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen“, sagte Holznagel.

Mit Material von dpa

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