Im Einzelnen ist dazu folgendes zu sagen:
1. Eine Mindestrente ist eine ausgezeichnete Idee.
Wer es mit der vielbeschworenen „Eigenverantwortung“ ernst meint, muss auch dafür Sorge tragen, dass arbeitende, geringverdienende Menschen sie wahrnehmen können. Das Ergreifen von Freiheit ist immer auch an materielle Voraussetzungen gebunden – und die Aufgabe des Staates ist es – im Dialog mit den Unternehmen - dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen: mit Sockellöhnen auf der einen Seite und einer Basisrente auf der anderen. Union (und FDP) werden das – wie vieles andere auch - erst in zehn Jahren begreifen. Aber was soll’s. Ein Anfang muss heute gemacht werden – und die gutverdienende Mitte wird’s zahlen müssen.
2. Eine abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren ist eine schlechte Idee.
Sie muss für tatsächlich körperlich schwer arbeitende Menschen in Erwägung gezogen werden, sicher, aber sie kann keinesfalls die Regel sein. Ganz im Gegenteil: Weil die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland von 70 Jahren (1962) auf 80 Jahre (2010) gestiegen ist, während die Zahl der Nachkommen seit vier Jahrzehnten stagniert, müssen unsere Nachkommen mindestens fünf Jahrzehnte geben (zahlen), um höchstens drei Jahrzehnte – als Kinder, Jugendliche und Rentner – Leistungen empfangen zu können. Auch ist es dringend erforderlich, die Rentenauszahlung an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (Gesundheitsvorsorge!). Kurzum: Der Zug der Zeit fährt in Richtung „Rente mit 75“.
Fazit: Die SPD täte gut daran, die Rentendebatte schonungslos zu führen – und die Deutschen auf bittere Wahrheiten vorzubereiten. Peer Steinbrück hat der Kanzlerin zuletzt in der Euro-Debatte vorgehalten, sie schenke den Bürgern keine reinen Wein über die Kosten der Währungsrettung ein. Das stimmt. Nur leider tut er selbst in den Rentendebatte so, als würden die Deutschen - ein schrumpfendes, alterndes Volk, das sich mit Zuwanderung schwer tut – einfach weitermachen können wie bisher.
Das ist nicht nur fahrlässig. Das ist auch politisch dumm. Denn tatsächlich taugt die Rentendebatte zum Wahlkampfthema: Die staatliche Rente ist alles andere als sicher. Die private Rente (Riester, Rürup etc., also Lebensversicherungen mit Renditeversprechen) induziert an den oligarchischen Finanzmärkten exakt die Risiken, zu deren Vermeidung sie recht eigentlich eingeführt wurde. Und die Niedrigzinspolitik der Regierungen und Notenbanken zur Rettung angeschlagener Banken und Staaten provoziert Inflation, die über kurz oder lang am Ersparten der Deutschen zehren – und die knapper werdende Rente noch einmal minimieren wird. Anders gesagt: Das Rentenniveau sinkt doppelt und dreifach, weshalb die Frage der Lebensstandardsicherung zum vielleicht zentralsten Problem der Sozialpolitik in den nächsten ein, zwei, Jahrzehnten avanciert.
Eine Partei, die sich als Volkspartei versteht und den Kanzler stellen will, braucht daher eine schlüssige Rentenpolitik, die die Mängel der staatlichen und privaten Vorsorge gleichermaßen beim Namen nennt, die keinen geldpolitischen Schlingerkurs fährt – und die Altersarmut nicht mit dem Aufbau von Jungenarmut beheben will. Eine solche Partei aber ist heute weder die CDU – und schon gar nicht die SPD. Die – bittere - Wahrheit ist: Die Jungen müssen von Rentenleistungen Schritt für Schritt entlastet werden, damit sie in fünf Jahrzehnten Arbeit genügend Reserven aufbauen – und die Gewissheit gewinnen können, dass sie dennoch fürs Greisenalter wenig zu hoffen haben. Die entscheidende Frage ist: Wer sagt’s ihnen?