WirtschaftsWoche: Frau Verpoorten, was stört Sie an den derzeitigen Verhandlungen der ARD mit Thomas Gottschalk?
Andrea Verpoorten: Ich bin Mitglied im Rundfunkrat, einem offiziell gewählten Aufsichtsorgan in der Struktur der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. In dieser Funktion habe ich die ARD-Vorsitzende Monika Piel gefragt, ob Sie mir sagen könnte, in welche Richtungen die Verhandlungen mit Gottschalk gehen und ob der Rundfunkrat dann auch die Verträge zu sehen bekommt. Es hieß, die Richtung sei noch unklar und etwaige Verträge bekäme nur der Verwaltungsrat. Das geht so nicht.
Warum? Vielleicht gibt es noch nichts zu sagen?
Darum geht es nicht. Es kann doch nicht sein, dass die Öffentlich-Rechtlichen garantierte Gelder von den Bürgern bekommen, aber ihren Kontrollorganen, wie der Rundfunkrat eines ist, die Verwendung der Gelder nicht offenlegen wollen. Wer öffentliche Gelder nutzt, muss auch transparent machen, wofür er sie ausgibt.
Die wichtigsten Fragen zur neuen Rundfunkabgabe
Sie wird zunächst für jeden Haushalt und Betrieb fällig. Hartz-IV-Empfänger können einen Antrag auf Befreiung stellen. Menschen mit Behinderungen werden mit einem reduzierten Beitrag eingestuft. Bislang richtet sich der zu zahlende Betrag nach den vorhandenen Geräten.
Ab 1.1.2013 kostet die Haushaltsabgabe 17,98 Euro pro Monat. Somit wird es nicht teurer fernzusehen, Radio zu hören oder im Internet zu surfen - zumindest für diejenigen, die schon zahlen.
Ja. Die Gebühr betrifft alle. Verfassungsrechtler haben die Rechtmäßigkeit bereits mehrfach geprüft.
Wer Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder eine Ausbildungsförderung wie Bafög oder Ausbildungsgeld erhält, wird davon befreit - allerdings nur auf Antrag. Blinde oder stark Sehbehinderte, Gehörlose und schwer behinderte Menschen sind künftig nicht mehr grundsätzlich befreit. Sie sollen nunmehr einen ermäßigten Beitrag von einem Drittel der regulären Gebühr zahlen.
Der neue Rundfunkgebühren-Staatsvertrag soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Es ändert sich für bereits zahlende Kunden nichts.
Wer seiner Anzeigepflicht nicht nachkommt oder den fälligen Rundfunkbeitrag länger als sechs Monate nicht oder nur teilweise zahlt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Nein. Die Schnüffelei der GEZ ist nicht mehr nötig. Da jeder zahlen muss, ist es egal, ob jemand Geräte hat oder nicht.
Die Beiträge für Firmen werden künftig pro Betriebsstätte erhoben und nach der Zahl der Mitarbeiter gestaffelt.
Haben Sie das den Verantwortlichen so gesagt?
Ja, aber es ist unglaublich, mit welchem überheblichen Tonfall von Seiten des WDR die Diskussionen mit uns als den demokratisch-legitimierten Mitgliedern der Aufsichtsgremien geführt werden. Es ist schlicht unverschämt, wie man als Organ dieser Struktur von oben herab behandelt wird. Aber diese Überheblichkeit kenne ich auch aus früheren Diskussionen. Bei so mancher Reaktion auf Kritik ist mir bei der Antwort die Spucke weggeblieben.
Offenbar möchten die Gremien die öffentliche Diskussion vermeiden.
So ist es. Aber das geht so nicht. Die Öffentlichkeit hat heute ein viel stärkeres Bedürfnis nach Diskussion und Transparenz. Gerade in Zeiten, in denen dann auch noch die Umstellung der GEZ auf ein steuerähnliches System stattfindet. Da möchte jeder wissen, wofür sein Geld verwendet wird. Dieses Informationsbedürfnis muss man stillen.
Die Höchstgrenze ist erreicht
Bei der Kritik an der GEZ reagieren die Verantwortlichen auch nicht gerade souverän. Was halten Sie denn von der Zwangsabgabe?
Ich bin grundsätzlich für ein öffentlich-rechtliches System, wie wir es in Deutschland verankert haben. Für eine Finanzierung bin ich auch, wenn sie verhältnismäßig ist. Denn man muss die Abgabenbelastung auch immer im Verhältnis zur sonstigen Belastung des Bürgers sehen. Da ist bei 17,98 Euro eine Höchstgrenze erreicht.
Diese Haushaltsabgabe, wie sie genannt wird, wird sich aber 2015 wieder erhöhen, liest man.
Ja, und den Volksaufstand, den es dann geben wird, werde ich mit organisieren.
Was halten Sie denn für einen verhältnismäßigen Beitrag?
Ich wage da keinen Schnellschuss, aber Fakt ist, dass die Rundfunkanstalten und Sender im Verhältnis zu den garantierten Geldern ihrem Qualitätsauftrag viel zu wenig nachkommen und sich viel zu lange auf ihrem garantierten Fortbestand ausgeruht haben.
Was muss sich ändern?
Geld ist im Überfluss vorhanden. ARD und ZDF sind verpflichtet, endlich den Nachweis zu führen, dass sie mit den ihnen zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln sparsam und wirtschaftlich umgehen. Was in der Öffentlichkeit – zum Beispiel über Moderations-Verträge – bekannt wird, lässt aber eher das Gegenteil vermuten. Es ist nicht die Aufgabe der Gebührenzahler, derartige Extravaganzen zu finanzieren. Hier sind die Sender verpflichtet, Einsparungen an anderer Stelle vorzunehmen. Gleiches gilt auch für öffentlich-rechtliche Angebote im Bereich der neuen Medien. Auch hier muss die Regel gelten, dass die finanziellen Mittel durch Umschichtungen im Bereich der bisherigen Etats, nicht aber durch den Griff in die Taschen der Gebührenzahler aufgebracht werden.
Denken lohnt sich
Und beim Programmangebot selbst schlagen doch ebenfalls viele die Hände über dem Kopf zusammen. Es werden unter anderem riesige Summen für Champions League Rechte ausgegeben.
Das stimmt. Auch hier müssen die Kontrollinstanzen viel stärker greifen. Es geht nicht, dass Rundfunkräte erst nach der Unterzeichnung derartiger Verträge informiert werden. Privatwirtschaftliche Einrichtungen haben auch ständig Controller oder Berater im Haus, das muss es bei den Öffentlich-Rechtlichen auch geben. Inhaltlich müssen die Sender endlich wieder Qualität produzieren und sich von der Quote lösen. Sie müssen innovativer sein und experimenteller. Es kann doch nicht sein, dass erst jemand von den Privaten kommen muss, um den Song Contest neu zu beleben. Da kann man auch mal selber denken.
Dennoch ist die Stimmung in der Bevölkerung in Bezug auf GEZ und Strukturen der öffentlich-rechtlichen Sender extrem negativ. Man kann dem System zudem nicht entrinnen. Glauben Sie ernsthaft, dass das funktionieren wird?
Wenn Sendungen gut gemacht sind, dann funktioniert es. Das zeigen Beispiele wie die Heute-Show oder ZDF History „Die Geschichte der Deutschen“. Da macht dann selbst schwere Kost Spaß. Das würdigen auch die Beitragszahler.