Rundmail an AfD-Mitglieder AfD-Vize Gauland geht in die Offensive

Nach seinen umstrittenen Aussagen über Fußballnationalspieler Boateng hat sich AfD-Vize Gauland an die Parteimitglieder gewandt. In einer E-Mail nimmt er detailliert zu dem Vorgang Stellung und greift die FAZ frontal an.

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AfD-Vize Gauland: Schaden für die eigene Partei möglichst klein halten. Quelle: Reuters

Berlin Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hat nach seiner Äußerung über angebliche Vorurteile gegen den Fußballer Jérôme Boateng schwere Vorwürfe gegen die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) erhoben. In einer an alle 23.400 Parteimitglieder am Montagabend versandten E-Mail, die dem Handelsblatt vorliegt, wirft er zwei FAZ-Redakteuren vor, sich nicht an die Abmachungen gehalten und ihm auch keine Zitate zur Autorisierung vorgelegt zu haben.

Zudem habe ein dritter Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) die Überschrift: „Gauland beleidigt Boateng“ gewählt, „die durch keinen Satz im Text gedeckt ist“. Die FAS hatte Gauland mit Bezug auf Boateng mit den Worten zitiert: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Die Meldung hatte parteiübergreifende Empörung ausgelöst. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich ein.

Gauland versichert die jetzt in seiner E-Mail an die „lieben Parteifreunde“, an keiner Stelle ein Werturteil über Boateng abgegeben zu haben, „den ich bis dato gar nicht kannte“. Erst durch die Überschrift hätten „die ansonsten richtigen Aussagen den Dreh ins Fremdenfeindliche, Rassistische bekommen“.

Das laut Gauland „als vertraulich klassifiziertes Hintergrundgespräch“ mit zwei FAZ-Redakteuren hat seinen Angaben zufolge vergangene Woche stattgefunden. Im Mittelpunkt des Gesprächs hätten Auseinandersetzungen im Bundesvorstand sowie der „ungebremste Zustrom raum- und kulturfremder Menschen nach Deutschland“ gestanden und wie sich dieser Zustrom auf das „Heimatgefühl“ vieler Menschen auswirke.

„Ich kann heute nicht mehr sagen, wer zuerst den Namen Boateng in den Mund genommen hat – ich bilde mir ein, es war einer der beiden FAZ-Redakteure, da mir der Name wie auch der Fußballsport weitgehend fremd sind“, schreibt Gauland in seiner E-Mail. „Dabei mag das Zitat von der Nachbarschaft gefallen sein.“ Er habe dem aber „keine Bedeutung beigemessen, da das Gespräch nicht zur Veröffentlichung bestimmt war“.


Gauland will Schaden für AfD nun „möglichst klein“ halten

Im Übrigen sei es ihm nur um eine Beschreibung von Gefühlen gegangen, „die wir alle überall in unserer Nachbarschaft wahrnehmen und die sich nicht dadurch vermindern, dass wir sie heuchlerisch nicht zur Kenntnis nehmen. Streng genommen habe ich nicht Herrn Boateng beleidigt sondern diejenigen, die vielleicht nicht in seiner Nachbarschaft leben wollen, wenn er nicht ein berühmter Fußballstar wäre.“ Doch mit einer solchen Differenzierung komme man bei einem „Medienhype“ nicht mehr durch, so Gauland.

In diesem Sinne äußerte er zugleich sein Bedauern darüber, dass der Partei „objektiv durch den Bruch aller Regeln ein Schaden entstanden“ sei. Er könne sich daher „nur bemühen, diesen Schaden durch Nachfolgegespräche möglichst klein zu halten“.

Der Vorgang hatte erheblichen politischen Wirbel ausgelöst. Der Deutsche Fußballbund reagierte sofort mit einem kurzen Video mit der Botschaft „Wir sind Vielfalt - Wir sind die Mannschaft“. Das Publikum beim Länderspiel Deutschland-Slowakei am Sonntagnachmittag applaudierte bei Boateng, der eine deutsche Mutter und einen ghanaischen Vater hat, besonders kräftig. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die Gauland zugeschriebene Äußerung als „niederträchtig und traurig“.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nannte sie „unsäglich blöd“. „Ich hoffe, dass mancher nun merkt, welche Kameraden bei der AfD das Sagen haben“, fügte er hinzu. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte: „Herr Gaulands Blick auf die Gesellschaft endet offensichtlich an seinem Vorgarten-Zaun. Seine verbalen Ausfälle sind gesellschaftliches Gift.“


AfD-Vizechefin von Storch attackiert Merkel

Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung hatten sich in sozialen Netzwerken bereits abschätzig über Boateng geäußert. Anlass war eine Aktion des „Kinderschokolade“-Herstellers Ferrero, der anlässlich der Fußball-Europameisterschaft Verpackungen mit Kinderbildern deutscher Nationalspieler bedruckt hatte.

Sogar AfD-Chefin Frauke Petry distanzierte sich umgehend von der Äußerung Gaulands, wohl weil sie die Brisanz einer Spaltung von Nationalmannschaft und eigener Partei wittert - zumal Boateng bereits als Aushilfs-Kapitän der deutschen Equipe fungierte. Auch ihr Co-Parteichef Jörg Meuthen betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, „kein Problem“ darin zu sehen, dass ein Spieler mit Migrationshintergrund in der deutschen Mannschaft spiele. „Ich fürchte, dass es Kreise zieht“, sagte er allerdings zu der „überflüssigen“ Debatte über den Gauland-Satz.

Die AfD-Vizechefin Beatrix von Storch stellt sich hinter Gauland, indem sie die Kritik der Kanzlerin scharf zurückwies. Von Storch wandte sich auf Ihrer Facebook-Seite an die „sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin“ und erklärte, „niederträchtig“ sei vielmehr „eine Politik, die ein Land ruiniert, die den Amtseid mit Füßen tritt und der Versuch, vom eigenen Versagen abzulenken, indem Sie ein falsches Zitat ventilieren“. Zugleich betonte die AfD-Politikerin, dass ihre Partei die deutsche Nationalmannschaft „uneingeschränkt“ unterstütze.

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