Warum schrecken Sie vor Marktlösungen so zurück und glauben, dass der Staat der bessere Unternehmer ist?
Wenn fünf große Investmentbanken den Kurs eines Papiers bestimmen, hat das mit Markt wenig zu tun. Der Staat ist überhaupt kein Unternehmer. Es gibt aber Bereiche, wo der Markt nicht hingehört oder nicht funktioniert, wo das private Renditekalkül schädlich ist. Ein Markt mit vielen Wettbewerbern, wo nur die Leistung zählt, ist ein gutes Ideal. Aber wo die Marktmacht zu groß wird, erleben wir Abzocke und leistungslose Bereicherung….
Das befürchten Sie auch für Grund und Boden? Der Parteivorstand beschäftigt sich derzeit genau mit diesem Thema…
Die Privatisierung von öffentlichem Grund und Boden ist so ein Beispiel, wo der Markt teilweise versagt. Investoren, die in zentralen Innenstadtlagen Grund und Boden besitzen, können jede Stadtplanung konterkarieren. Die Privatisierung strategisch wichtiger Flurstücke, die sich in öffentlicher Hand befinden, ist daher nicht sinnvoll.
Und Hausbesitzer müssen sich nun fürchten? Unsinn. Es geht nicht darum, Leuten ihr Grundstück mit ihrem Einfamilienhaus wegzunehmen. Aber es besteht die Gefahr vor allem in Krisenländern wie Griechenland, dass der Staat wichtige Grundstücke zu miserablen Preisen verkauft. Wenn in einer schweren Krise privatisiert wird, verschleudert die öffentliche Hand Vermögen, das ihr künftig eine Einnahmebasis bieten würde. Das ist eine fahrlässige Politik.
Die Ukraine-Krise hält Europa in Atem. Halten Sie Russlands Präsident Putin für einen Aggressor?
Wenn wir von Aggressoren reden, was ist denn dann die US-Politik? Russland hat legitime Sicherheitsinteressen, doch der Westen hat sie seit Jahren ignoriert. Er hat Russland gedemütigt durch die NATO-Osterweiterung, die geplante Raketenstationierung. Dass Russland eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verhindern will, ist nachvollziehbar. Daher hat Putin jetzt ein Stopp-Schild gesetzt.
Und das Stopp-Schild ist die Krim. Halten Sie die Annektierung etwa für vertretbar? Wenn der Westen signalisiert hätte, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine tabu ist, wenn er nicht eine Kiewer Regierung mit ins Amt gebracht hätte, an der sich Neonazis beteiligen, dann hätte es die Ereignisse in der Krim wahrscheinlich nicht gegeben. Aber es war ja eine ganz klare Politik des Westens, die Ukraine gegen Russland zu stellen. Das Assoziierungsabkommen beinhaltete auch militärische Zusammenarbeit. Und natürlich wollte Putin nicht, dass seine Schwarzmeerflotte plötzlich in einem Nato-Staat stationiert ist. Das wäre eine schwierige Situation geworden.
Was würden sie als Außenministerin machen?
Wir brauchen Gespräche mit Russland, der russischen Minderheit in der Ukraine und der ukrainischen Führung ohne deren faschistischen Teile. Drohgebärden, Sanktionen, Truppenbewegungen und Säbelrasseln lassen eine friedliche Lösung dagegen immer unwahrscheinlicher werden.
Und Sanktionen gegen Russland schließen Sie aus? Die bringen nichts. Ich sehe auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Wenn Europa kein russisches Gas mehr kauft, freuen sich die Anbieter von teurem US-Frackinggas. Der Wirtschaftskrieg schadet vor allem der europäischen, der deutschen Wirtschaft. Deshalb wird er von den USA vorangetrieben.