Salafisten in Dinslaken Die deutsche Wiege der Extremisten

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"Nach Syrien - das wär' Bombe"

Einige der Männer zogen nach Lohberg. Sie behandelten die Jugendlichen mit Respekt, sagt Yunus. Sie interessierten sich für deren Bedürfnisse und Nöte und gründeten irgendwann einen Bildungsverein. In Räumen der Stadt Dinslaken, nur einen Steinwurf vom zentralen Marktplatz entfernt, boten die Männer Gesprächsrunden an. Die sogenannte „Lohberger Brigade“ war geboren.

Chronik der IS-Krise

Allein im Herbst 2013 sollen rund 20 Jugendliche nach Angaben der Bundesregierung in den Dschihad nach Syrien gezogen sein. Einige Dschihadisten der Lohberger Islamistenzelle sollen dort in der Zwischenzeit gestorben sein. Das nordrhein-westfälische Innenministerium spricht von mindestens vier Mitgliedern des Dinslakener IS-Ablegers, die bisher ums Leben gekommen sein sollen.

Meldungen über solche Todesfälle sind mit Vorsicht zu genießen: Die Situation in Syrien und im Irak ist sehr unübersichtlich. Zumindest einer aus Dinslaken ist bestätigt: Philipp B. (26, Kampfname: Abu Usama al Almani), verübte im August 2014 in Syrien einen Selbstmordanschlag, bei dem 21 Menschen starben.

Der mutmaßliche Anführer der Lohberger Dschihadisten, Mustafa K. (24), posiert auf einem Foto, das Anfang 2014 in sozialen Netzwerken auftaucht, in der syrischen Stadt Azaz mit dem Kopf eines Enthaupteten. Ein anderer Jugendlicher aus Dinslaken, Marcel L., soll Informationen mehrerer europäischer Sicherheitsbehörden zufolge an der Folterung von Gefangenen beteiligt gewesen sein.

Jüngst wurde ein ehemaliger IS-Kämpfer, Nils D. (24), bei seiner Heimkehr festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft und soll ein Cousin von Philip B., dem Selbstmordattentäter, sein. Von ihm gehe eine dringende Terrorgefahr aus. Das Bundesinnenministerium ordnet Salafismus als „die derzeit dynamischste islamistische Bewegung“ ein.

Syrien-Heimkehrer gelten im deutschen Sicherheitsapparat als größtes Risiko für die Bundesrepublik. Von ihnen gehe „eine besondere Gefährdung für die Sicherheit Deutschlands aus“, schreibt der Verfassungsschutz auf seiner Internetseite.

Fünf der Dinslakener Syrien-Heimkehrer werden laut Stadtsprecher Dickhäuser vom Deutschen Kinderschutzbund und anderen Trägern betreut. „Sie sind auf einem guten Weg, reintegriert zu werden“, sagt er. Trotz des ehrenamtlichen Engagements, Aufklärungs- und der Präventionsmaßnahmen scheint der IS weiterhin eine große Faszination auf Jugendliche in Lohberg auszuüben.

„Nach Syrien, das wär’ Bombe“, sagt Ahmed Mohammed umringt von seinen jugendlichen Freunden. Sein Selbstbewusstsein wirkt gespielt, die Aussage soll provozieren. Seine Unsicherheit ist spürbar – trotz des Kapuzenpullis mit dem Aufdruck „Super Muslim“.

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