Sammelabschiebung „Bundesregierung hofft, Eindruck bei AfD-Sympathisanten zu schinden“

Per Sammelflug hat Deutschland wieder abgelehnte afghanische Asylbewerber von Düsseldorf nach Kabul abgeschoben. Proteste gab es nicht nur von mehr als 150 Demonstranten – auch die Parteien äußerten Kritik.

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Die Bundesregierung hat abgelehnte Asylbewerber abgeschoben Quelle: dpa

Düsseldorf Nach einer längeren Pause sind am Dienstag erstmals wieder abgelehnte Asylbewerber per Sammelflug nach Afghanistan abgeschoben worden. Es war die erste Sammelabschiebung in das Land seit dem Anschlag vom 31. Mai in Kabul, bei dem die deutsche Botschaft schwer beschädigt worden war. Grüne und Linke lehnten die Abschiebung ab, weil die Situation in Afghanistan lebensgefährlich sei.

„Die den Abschiebeflug begleitenden 40 Bundespolizisten werden aus Sicherheitsgründen den Flughafen in Kabul nicht verlassen“, erklärten die Grünen und kritisierten, dass die Abgeschobenen vor Ort einfach ihrem Schicksal überlassen würden. „Die in Deutschland lebenden Afghanen werden in Angst und Unsicherheit versetzt.“

Die Kritik verhinderte den Abschiebeflug nicht. Trotz der zahlreichen Proteste landete die Maschine am Mittwoch auf dem internationalen Flughafen der Hauptstadt Kabul. Über die acht Männer an Bord war im Vorfeld kaum etwas bekannt gewesen – bis Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, dass alle Afghanen an Bord verurteilte Straftäter sind. Sie seien direkt aus der Haft zum Flughafen Düsseldorf gebracht worden. Drei der acht Häftlinge wurden vom Land Bayern abgeschoben, wie der Minister berichtete. „Zwei sind wegen Vergewaltigung verurteilt worden, einer wegen gefährlicher Körperverletzung.“

Für den Flüchtlingsrat NRW sind die Verurteilungen trotzdem kein Grund für die Sammelabschiebung einiger Bundesländer. Das Vorgehen entspräche zwar der aktuellen Erlasslage und sogenannte Gefährder, Straftäter und Integrationsverweigerer könnten nach Afghanistan abgeschoben werden. Doch „aufgrund der desolaten Sicherheitslage in Afghanistan halten wir jedoch jede Abschiebung nach Afghanistan für unverantwortlich. Der Schutz von Menschenleben darf nicht dem Wahlkampf für die Bundestagswahl geopfert werden“, sagte Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW.

Herrmann reagierte auf die Vorwürfe und rügte Organisationen, die sogar die Abschiebung Schwerkrimineller verhindern wollten. „Dafür habe ich null Verständnis. Jemand, der vermeintlich Schutz vor Verfolgung und Krieg bei uns sucht und dann so eine schändliche Tat wie eine Vergewaltigung begeht, hat bei uns nichts zu suchen.“

Davon ließen sich die gegnerischen Lager nicht überzeugen, geschweige denn ablenken. Die Linken brachten immer wieder eine mögliche Wahlkampfaktion ins Gespräch und kritisierten den vermuteten Stimmenfang. „Mit einer neuerlichen Sammelabschiebung nach Afghanistan hofft die Bundesregierung wohl, Eindruck bei AfD-Sympathisanten zu schinden. Wer durch Abschiebung in den Krieg Leben und Gesundheit von Flüchtlingen zu Wahlkampfzwecken aufs Spiel setzt, hat jeden Respekt vor den Menschenrechten verloren“, sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.

Auch die Vorwürfe der Grünen gingen in Richtung geplante Wahlkampfaktion, sie hatten dabei einen bestimmten Politiker im Visier: „Im Wahlkampf und im internen Machtkampf mit der CSU um den Posten des Innenministers möchte Thomas de Maizière sich als der noch schwärzere Sheriff präsentieren und gefährdet damit Menschenleben.“ Er wolle sich durch die Abschiebung einer Handvoll Afghanen nach Kabul profilieren. Das sei zynisch.

Während in Deutschland Demonstranten gegen die Sammelabschiebung protestierten, landeten die Afghanen in Kabul. Der Sprechers des afghanischen Flüchtlingsministeriums, Mohammad Asif Abbasi, hatte der Deutschen Presse-Agentur berichtet, dass elf Personen den Flug angetreten hätten, aber zunächst nur acht aus dem Flugzeug gebracht worden seien. Nach Herrmanns Angaben haben aber nur acht Männer das Flugzeug bestiegen.

Nach ihrer Ankunft hätten die Abgeschobenen nur wenig Gepäck bei sich gehabt und schlecht auf ihre neue Umgebung vorbereitet gewirkt. Der 40-jährige Risa Risjai sagte, er habe zwei Jahre und acht Monate in Haft verbracht. Seine Frau hatte ihn kurz nach ihrer Ankunft in München wegen häuslicher Gewalt angezeigt. „Ich war mit einem Kumpel weg und als ich nach Hause kam, hat mich die Polizei festgenommen“, sagte er. Der deutschen Regierung warf er vor, Partei für seine Frau ergriffen zu haben. „In Europa hört man Frauen mehr zu als hier“, fügte er hinzu.

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