Sarrazin zur Wowereit-Nachfolge „Die SPD wird sich öffentlich zerfleischen“

Wer wird Berlins scheidenden Regierenden Bürgermeister beerben? Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin bezweifelt, dass es der SPD gelingen wird, jemanden zu finden, der in Klaus Wowereits „Weltstadt-Schuhe“ passt.

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Sarrazin (l.) und Wowereit: Der Ex-Finanzsenator findet viele lobende Worte für seinen einstigen Chef. Quelle: dpa

Berlin Berlins früherer Finanzsenator Thilo Sarrazin erwartet in der Debatte um die Nachfolge von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit heftige SPD-interne Auseinandersetzungen. „Das schlimmste Geschenk, das der scheidende Regierende Bürgermeister seinen Genossen hinterlässt, ist die Frist bis zum 11. Dezember, an dem Wowereit endgültig abtreten will“, schreibt Sarrazin in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung. „Das sind dreieinhalb Monate, in denen sich die SPD in Berlin nach Herzenslust öffentlich zerfleischen und niedermachen kann. Ich fürchte, die Genossen werden die Zeit nutzen.“

Nach einem Beschluss des Landesvorstands sollen die Mitglieder der Berliner SPD entscheiden, wer die Nachfolge von Wowereit antritt, der im Dezember zurücktreten will. Am Mittwoch berät die SPD-Fraktion in einer außerordentlichen Sitzung über die Situation. Daran nimmt auch der SPD-Landesvorstand teil.

Nach Fraktionschef Raed Saleh warf auch Parteichef Jan Stöß am Dienstagabend seinen Hut in den Ring. Beide wollen sich dem geplanten Mitgliederentscheid stellen. Stöß, sagte im RBB-„Inforadio“, dass er mit Saleh um den Bürgermeister-Posten konkurriere, sei keine Kampfkandidatur, sondern ein demokratischer Wettbewerb. Dass es noch weitere Kandidaten geben werde, sehe er nicht. Stöß reagierte damit auf Spekulationen über eine mögliche Kandidatur eines auswärtigen SPD-Politikers.

Sarrazin machte Stöß mitverantwortlich für den Rücktritt Wowereits. Er selbst habe schon vor Jahren bemerkt, dass es Wowereit und seinem damaligen Landeschef Michael Müller „immer schwerer fiel, die Fraktion in wichtigen Fragen hinter sich zu bringen“, schildert Sarrazin die Situation.


„Noch so eine Nummer und Du fliegst raus“

Die Parteilinke unter dem heutigen SPD-Chef Stöß habe „Schritt für Schritt an Wowereits Demontage“ gearbeitet. Nun hätten es die linken Genossen geschafft. „Einen Nachfolger, der in Wowereits Weltstadt-Schuhe passt und auch dem Koalitionspartner CDU gefällt, sind sie noch schuldig.“

Sarrazin, der unter Wowereit mehr als sieben Jahre Finanzsenator war, blickt überwiegend positiv auf die Zeit zurück. „Sachlich und menschlich hat die Chemie immer gestimmt, auch wenn er (Wowereit) kein einfacher Mensch ist.“ Nur einmal habe er ihm mit Rausschmiss gedroht. „Ich hatte in einem Fragebogen des Magazins „Cicero“ auf die Frage „Wo liegt Ihr persönlicher Mindestlohn?“ geantwortet: „Für fünf Euro würde ich jederzeit arbeiten.“ Daraufhin habe Wowereit ihn angerufen und gesagt: „Noch so eine Nummer und Du fliegst raus.“

Andererseits, so Sarrazin weiter, habe Wowereit „meine Ziele für einen Abbau des gewaltigen Schuldenbergs der Hauptstadt stets verteidigt – auch gegen heftige Kritik aus Senat und Partei“. Sarrazin würdigte zudem Wowereits Fähigkeit, „den Geist der Stadt“ lange Zeit perfekt zu spielen.

Mit seiner „männlich-kumpelhaften Art“ sei er bei Bürgerlichen, bei Linken, bei Frauen, bei Topmanagern, bei Arbeitern und Bundespolitikern angekommen. „Er managte das Chaos einer Millionen-Metropole, soweit man das managen kann.“ Doch spätestens beim Hauptstadtflughafen BER habe sich Wowereit selbst überfordert.

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