Saudi-Arabien Ursula von der Leyens Bildungsreise

Saudi-Arabien zählt zu den schwierigsten Reisezielen deutscher Minister: Menschenrechtsverletzungen, umstrittene Rüstungsexporte, Krieg im Jemen. Von der Leyen geht auf ihre Weise damit um.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der Vize-Kronzprinz Saudi-Arabiens, Mohammed bin Salman al-Saud. Quelle: dpa

Was will eine deutsche Verteidigungsministerin eigentlich in Saudi-Arabien? Die militärische Zusammenarbeit hält sich in sehr engen Grenzen. Das Land führt im Jemen einen Krieg, mit dem man nichts zu tun haben will. Und für das ohnehin unangenehme Thema Rüstungsexporte ist der Wirtschaftsminister zuständig.

Dass Ursula von der Leyen sich jetzt trotzdem für einen Tag und zwei Nächte in der saudischen Hauptstadt Riad aufhält, hat mit ihrem Fachgebiet als Ministerin zunächst einmal nichts zu tun. Das Königshaus hat sie eingeladen, um ihr das wirtschaftliche Reformprogramm „Vision 2030“ vorzustellen. Damit will sich Saudi-Arabien vor allem aus der Abhängigkeit von den Öleinnahmen lösen.

Von der Leyen wird deswegen zuerst in das Wirtschaftsministerium gelotst. Dort sitzen ihr drei Männer und zwei Frauen gegenüber, die sich alle Mühe geben, Saudi-Arabien als einen progressiven Staat zu präsentieren. Für ein Land, in dem Frauen sogar das Autoverfahren verboten ist, ist das keine schlechte Quote.

Wissenswertes über Saudi-Arabien

Der stellvertretende Wirtschaftsminister Mohammed al-Tuwaidschri berichtet über die angestoßenen Reformen, nicht nur die wirtschaftlichen. Es geht auch um das Bildungssystem oder Chancengleichheit für Frauen. In den vergangenen zwei Jahren sei schon so viel passiert wie in den 20 Jahren davor, sagt er.

Wenig später sitzt von der Leyen mit jungen Unternehmern und Unternehmerinnen an einem Tisch. Es reden vor allem die Frauen - alle in fast perfektem Englisch. Die meisten haben zumindest einen Teil ihrer Ausbildung in den USA absolviert. Sie berichten, dass die Chancengleichheit gerade im öffentlichen Sektor große Fortschritte gemacht habe. „Der Wandel findet statt“, sagt eine.

Von der Leyen zeigt sich später beeindruckt von der Begegnung. „Wenn Saudi-Arabien eine Zukunft haben will, dann mit diesen Frauen, und dann muss es diesen Frauen auch den Weg ebnen“, sagt sie.

Das ist aber nur eine Seite Saudi-Arabiens, die der Ministerin demonstrativ vorgeführt wird. Es gibt auch eine andere, über die man in Riad bei solchen Besuchen nicht so gerne spricht. Alleine im vergangenen Jahr zählte Amnesty International mehr als 150 Hinrichtungen, es gibt öffentliche Auspeitschungen. Parteien oder Gewerkschaften gibt es nicht. Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie. Blogger werden verfolgt und Demonstrationen sind verboten.

Daran kommt man als deutsches Regierungsmitglied nicht vorbei, wenn man Saudi-Arabien besucht. Von der Leyen spricht das Thema an, kritisiert vor allem die Prügelstrafe.

Bei einem anderen heiklen Thema muss sie sich gar nicht viel Mühe geben: Rüstungsexporte. Die Saudis haben sich inzwischen von der Hoffnung verabschiedet, dass sie aus Deutschland größere Waffensysteme wie Panzer geliefert bekommen könnten. „Beim Thema restriktiver Rüstungsexport herrscht inzwischen auch Klarheit zwischen unseren beiden Ländern“, sagt von der Leyen.

Der Wüstenstaat ist der größte Waffenimporteur nach Indien und Deutschland ist die Nummer fünf unter den Lieferanten. Deutschland hat aber strenge Richtlinien für die Ausfuhr von Waffen. Allerdings werden trotz der prekären Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und der saudischen Bombardements mit vielen getöteten Zivilisten im Jemen immer noch deutsche Waffen in den autoritär regierten Wüstenstaat exportiert.

2015 wurden 17 Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen mit einem Auftragsvolumen von 23,8 Millionen Euro erteilt. Über Sinn und Zweck solcher Exporte spricht von der Leyen nicht gerne - unter Verweis auf ihre fehlende Zuständigkeit. In Jordanien, der dritten Station ihrer viertägigen Reise durch arabische Länder, wird sie das am Sonntag anders handhaben. Dort will sie „Marder“-Schützenanzer übergeben, um das Partnerland militärisch zu stärken.

Nach Saudi-Arabien ist die Verteidigungsministerin aber nicht gekommen, um Botschaften zu verkünden oder Abkommen abzuschließen. Für sie geht es vor allem darum zuzuhören, sich zu informieren. Eine Art Bildungsreise also.

Ganz ohne das Militärische kommt sie aber nicht aus. Sie besucht das Hauptquartier einer von Saudi-Arabien gegründeten Allianz islamischer Staaten gegen den Terrorismus. Und am Rande der Reise wird eher zufällig bekannt, dass die Bundeswehr künftig drei bis fünf saudische Soldaten im Jahr zu Offizieren ausbilden soll.

Für die Opposition ist eine solche Zusammenarbeit schon viel zu viel. „Es kann nicht sein, dass das brutale Regime immer weiter hofiert wird, deutsche Waffen geliefert bekommt und dann auch noch die Verteidigungsministerin den roten Teppich entlangspaziert, ohne deutliche Worte zu finden“, sagt die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%