Schattenwirtschaft So soll das korrupte Taxigewerbe ehrlich werden

Der Ehrliche ist beim Taxifahren oft der Dumme. Ein neues Taxameter soll jetzt das höchst korrupte Taxigewerbe ehrlich machen. Die EU will es, die Branche auch – nur einer nicht.

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Fiskaltaxameter: Ist die Taxi-Abzocke bald vorbei? Quelle: dpa, Montage

Deutschlands schwärzestes Gewerbe trifft sich am helllichten Tag in Visselhövede, einem Örtchen in der Lüneburger Heide zwischen Hamburg und Hannover. Der Parkplatz vor dem Seminarhotel steht voller Taxen, geladen hat der niedersächsische Landesverband der Taxibetreiber. Es ist eine Krisensitzung, die Branche steht am Pranger, mal wieder. „Taxi-Unternehmen betrügen systematisch“, war gerade in vielen Zeitungen zu lesen, der Boulevard sah sogar eine „Taxi-Mafia“ am Werk, es ging um Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe, bundesweit.

In diesen Großstädten ist Taxifahren am teuersten
Hannover Quelle: dpa
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Essen Quelle: DPA/Picture-Alliance

Michael Müller kennt diese Schlagzeilen. Seit fünf Jahren führt der gemütliche Herr mit den weißen Haaren als Präsident den Deutschen Taxiverband, nun spricht er beim Regionaltreffen in Niedersachsen zu rund 200 Taxiunternehmern. Müller will seine Branche endlich sauber machen. Statt für weniger Regulierung wirbt der Verbandspräsident im Seminarhotel von Visselhövede für mehr, er fordert bessere Kontrollen seiner Fahrer durch den Staat, eine sehr ungewöhnliche Forderung für einen Lobbyisten. Aber Müller weiß, dass es so nicht weitergehen kann. „Wir brauchen die Fiskaltaxameter. Nur so kommen wir aus der Schmuddelecke raus“, sagt er. „Wir wollen nicht länger am Pranger stehen, nur weil das Bundesfinanzministerium seine Hausaufgaben nicht macht.“

Was Müller anspricht, sorgt seit Monaten für Zwist zwischen allen Beteiligten. Es geht um die nächste Generation der Wegstreckenzähler, die sogenannten Fiskaltaxameter. Die Europäische Union schreibt ihren Einsatz ab November 2016 vor. Künftig sollen so Daten wie Fahrgastzahl, Kilometerstand und Fahrpreis erfasst, unveränderbar gespeichert und von den Behörden ausgelesen werden können. Damit bliebe kaum Spielraum für die teuren Betrügereien, die heute auf Deutschlands Straßen Alltag sind.

Das dürfen Sie bei Taxifahrten im Ausland
Ist das Taxi frei wählbar?In Deutschland gilt der „Grundsatz der Vertragsfreiheit“. Das bedeutet: Fahrgäste dürfen selbst entscheiden, ob sie sich in das erste Taxi der Schlange oder eines der folgenden setzen möchten. Im Ausland herrscht dagegen weniger Liberalität – so dürfen Passagiere in Portugal, Polen oder Italien nur dann auf ein anderes Taxi als das erste in der Schlange ausweichen, wenn sie mit Karte zahlen müssen oder ein anderer Ausnahmefall den Verzicht auf das erste Taxi begründet. Ähnlich streng sind die Vorgaben in Spanien. Neben einer besonderen Zahlungsweise legitimiert nur ein Taxi, das in schlechtem Zustand ist, das Ausweichen auf ein zweites oder drittes aus der Reihe.    Quelle: mytaxi Quelle: dpa
Wo setze ich mich hin?In Deutschland setzen sich viele Alleinreisende selbstverständlich auf den Beifahrersitz im Taxi. In Spanien, Italien, Portugal und Polen ist das allerdings nicht üblich. Eine Ausnahme besteht dann, wenn drei bis vier Personen in ein Fahrzeug einsteigen. In diesem Fall wird aus Platzgründen nach vorne ausgewichen. Quelle: dpa
Wie viel Trinkgeld ist angemessen?Hierzulande besteht beim Trinkgeld kein Muss, denn die Bediengelder sind bereits im Fahrpreis inbegriffen. Dennoch ist ein Trinkgeld von zehn Prozent des Fahrpreises höflich und daher zu empfehlen. Insbesondere dann, wenn Sie mit dem Service zufrieden waren. In Spanien und Polen besteht ein Unterschied zwischen Touristen und Einheimischen: Während von Urlaubern ein Trinkgeld in Höhe von circa zehn Prozent erwartet wird, geben Ortsansässige – ähnlich wie in Deutschland – nur dann Trinkgeld, wenn sie mit dem Service besonders zufrieden waren. In Portugal entspricht eine Pauschale von 50 Cent bis zu einem Euro der Knigge-Lehre, in Italien ist Trinkgeld unüblich. Quelle: dapd
Wie viel Gepäck ist erlaubt?Gepäckbestimmungen variieren stark von Land zu Land. Wer nicht mit ihnen vertraut ist, muss vor allem in Portugal tief in die Tasche greifen, wo nur das Handgepäck im Preis enthalten ist. Abgesehen von Kinderwagen und Rollstühlen kostet jedes weitere Gepäckstück 1,60 Euro. Extrakosten sind nur in einzelnen spanischen und italienischen Städten fällig. Ansonsten wird alles transportiert, was in den Kofferraum passt und die Sicherheit des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt oder das Taxi beschädigt. In Deutschland können sich Fahrgäste glücklich schätzen: Taxifahrer sind per Gesetz dazu verpflichtet, mindestens 50 Kilogramm Gepäck zu transportieren. Quelle: dpa
Dürfen Haustiere mitfahren?Auch diese Frage ist nicht mit einem eindeutigen „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Hierzulande ist die Mitnahme von Haustieren grundsätzlich gestattet – allerdings nicht auf den Sitzflächen. Das schließt Zusatzkosten jedoch nicht aus, es sei denn, es handelt sich um Blindenhunde. Voraussetzung für die Mitnahme ist, dass die Sicherheit des Taxis und anderer Fahrgäste durch die Mitnahme nicht beeinträchtigt wird. Gleiches gilt in Polen. In Spanien ist die Mitfahrt von Tieren auf Verhandlungsbasis möglich. In Italien sind verbeinige Begleiter grundsätzlich unerwünscht und in Portugal dürfen nur in Käfig untergebrachte Tiere mitfahren. Quelle: dpa
Ist der Verzehr von Speisen und Getränken erlaubt?In diesem Punkt herrscht internationale Einigkeit: Auch wenn es mal mehr, mal weniger geduldet wird, Essen und Trinken während der Fahrt wird nicht gern gesehen, weil es oft mit unangenehmen Gerüchen einhergeht und es leicht zu Verschmutzungen des Innenraums kommen kann. Während der Verzehr von Speisen und Getränken in Spanien gestattet ist, wenn der Fahrer zustimmt, ist er in Portugal und Italien grundsätzlich untersagt. Auch in Deutschland sollten hungrige Mitfahrer mit dem Fahrer abstimmen, was gegessen darf und was nicht. Generell gilt: Mit einem kleinen Snack fährt man sicherer als mit fettigen Speisen wie zum Beispiel Currywurst. Quelle: REUTERS
Dürfen Fahrgäste abgewiesen werden?Da deutsche Taxifahrer generell einer Beförderungspflicht unterliegen, sind sie dazu verpflichtet, jeden Passagier mitzunehmen. Eine Ausnahmesituation besteht nur dann, wenn der Fahrgast eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Taxis darstellt. Das kann beispielsweise bei starker Angetrunkenheit oder einer ansteckenden Krankheit der Fall sein. Was viele nicht wissen: Auch Reisende mit Kindern können abgelehnt werden, wenn entsprechende Kindersitze fehlen. In Italien sind die Grenzen noch etwas deutlicher: Hier können auch Minderjährige Passagiere abgewiesen werden. Spanische Taxifahrer können sich zudem gegen Fahrten zu gefährlichen Plätzen weigern, die bekannt für Drogenhandel oder ähnliche illegale Machenschaften sind.

Doch Müllers Forderung stemmt sich ausgerechnet der Mann entgegen, der seit Jahren gegen Steuerbetrug wettert: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Geht es nach dem Willen seiner Beamten im Bundesfinanzministerium (BMF), dürfen bisher eingesetzte Taxameter weiter betrieben werden. Zudem soll es den Taxiunternehmen nach wie vor erlaubt sein, ihre Bücher händisch zu führen. Die interne Begründung von Schäubles Beamten: Sonst seien die neu anfallenden Bürokratiekosten zu hoch.

Gerade erst ließ Schäuble eine große Chance verstreichen, in der Taxibranche aufzuräumen. Noch vor der Sommerpause beschloss das Kabinett das sogenannte „Ladenkassengesetz“, verfasst vom BMF. Elektronische Registrierkassen etwa in Biergärten oder Restaurants müssen demnach künftig über eine „Sicherheitseinrichtung“ verfügen, die Umsätze unverfälschbar erfasst. Betriebsprüfer der Finanzämter sollen zudem unangemeldet kontrollieren können. Wer gegen das neue Gesetz verstößt, muss den Plänen zufolge bis zu 25.000 Euro Geldbuße zahlen. Der Bund hofft auf Milliarden Euro an Steuereinnahmen, die bislang hinterzogen wurden.

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