Schockfotos auf Zigarettenschachteln Staat verdient weniger an den Rauchern

Seit die neue EU-Tabakrichtlinie gilt, müssen Zigarettenschachteln gruselige Abbildungen zeigen. Das wirkt sich nun merkbar auf die Produktion der Tabakunternehmen aus. Und auch der Staat bekommt die Folgen der Richtlinie zu spüren.

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Diese Schockbilder sind jetzt auf EU-Zigarettenpackungen
Raucher müssen sich von Ende Mai an auf Schockfotos und größere Warnhinweise auf Zigarettenschachteln einstellen Quelle: dpa
Die 2014 ausgehandelte EU-Richtlinie für Tabakprodukte muss bis 20. Mai 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Quelle: dpa
Länder fordern Übergangsfrist für Schockbilder auf Zigarettenpackungen. Quelle: dpa
Im Kampf gegen das Rauchen setzt die US-Regierung mehr denn je auf Abschreckung. Quelle: REUTERS
Die Bilder und Warnsprüche müssen seit Herbst 2012 mindestens die Hälfte von Vorder- und Rückseite der Zigarettenschachteln einnehmen. Die neun verschiedenen Fotos und Zeichnungen zeigen unter anderem eine von Krebs zerstörten Lunge, ... Quelle: REUTERS
... ein fauliges Gebiss, ... Quelle: REUTERS
... und die pure Verzweiflung. Unter dem Bild wird auch die Telefonnummer einer Ratgeberstelle angegeben, wo all jene Hilfe suchen können, die das Rauchen aufgeben wollen. Quelle: dapd

Die Einführung von Schockfotos und größeren Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln zeigt erste Wirkung: Im zweiten Quartal 2016 sank die Menge der in Deutschland hergestellten Zigaretten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15,4 Prozent auf 17,2 Milliarden Stück.

Rückläufig waren auch der Absatz von Zigarren und die Menge des versteuerten Feinschnitts zum Selberdrehen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Einzig beim Pfeifentabak gingen die Zahlen - auf vergleichsweise niedrigem Niveau - nach oben: um 50,2 Prozent auf 634 Tonnen.

Insgesamt wurden im Zeitraum April bis Juni Tabakwaren im Verkaufswert von 5,9 Milliarden Euro versteuert. Das waren 0,6 Milliarden Euro oder 9,1 Prozent weniger als im zweiten Quartal 2015.

Die Wiesbadener Statistiker erklärten den Rückgang mit strengeren Warnhinweise, die die neue EU-Tabakrichtlinie seit Mai vorschreibt. Hersteller mussten ihre Produktion umstellen. Seither ist vorgesehen, dass abschreckende Fotos und Warnhinweise zwei Drittel der Verpackung von Zigarettenschachteln bedecken.

Noch im ersten Quartal hatten Tabakunternehmen noch kräftig Ware nach den alten Regelungen produziert, da diese noch ein Jahr lang weiter verkauft werden darf. Die Vorproduktion hatte im ersten Vierteljahr deutlich mehr Geld in die deutsche Staatskasse gespült als ein Jahr zuvor. Von Januar bis Ende März 2016 wurden Tabakwaren im Verkaufswert von rund 6,7 Milliarden Euro versteuert.

„Die Umstellung der Maschinen ist technisch eine große Herausforderung“, erklärte der Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes (DZV), Jan Mücke, den Rückgang im zweiten Quartal. Nach Ansicht des Verbandes werden heimische Hersteller bei der Umsetzung der schärferen EU-Vorgaben benachteiligt: Die Konkurrenz etwa in Polen, Tschechien und Ungarn habe längere Übergangsfristen eingeräumt bekommen. „Das sind deutliche Standortvorteile und geht zulasten der deutschen Standorte“, sagte Mücke.

Die gruseligsten Zigarettenschachteln der Welt
Die Europäische Kommission will, dass statt rund einem Drittel zukünftig zwei Drittel der Zigaretten-Verpackungsfläche Schockbilder und Warnhinweise tragen. Diese Regelung soll ab dem 20. Mai 2016 in Kraft treten und anschauliche Detailbilder ermöglichen. Diese sollen die Folgen des Rauchens für die Gesundheit bildlich darstellen. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Alle Bilder sollen neben einem dramatischen Bild gesundheitsbezogene Warnhinweise enthalten. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Die Gesundheitswarnungen kombiniert mit den Warnfotos sollen dann ab Mai nächsten Jahres mindestens 65 Prozent der Vorder- und Rückseite von Zigaretten- und Tabakpackungen ausmachen. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Neben Warnhinweisen, die sich auf gesundheitliche Schäden beziehen, will die Europäische Kommission mit den neuen Bildern und Texten auch an das Gewissen der Raucher appellieren und thematisiert den Tod eines Rauchers als Unglück für Familie und insbesondere Kinder. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Die EU verfolgt eine umfassende Strategie gegen den Tabakkonsum, zu der neben den Rechtsvorschriften über Tabakwerbung, Sponsoring und Tabakerzeugnisse gehören, sowie die Unterstützung von Mitgliedstaaten und Sensibilisierungsmaßnahmen. Die Vorschriften zur Zigarettenschachtelgestaltung sind damit nur einer von vielen Punkten. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, erklärte mit Blick auf das unveränderte Einstiegsalter der europäischen Raucher: "Die Zahlen zeigen, dass der Kampf gegen den Tabak noch nicht gewonnen ist, insbesondere bei den jungen Menschen. Es ist nicht akzeptabel, dass Europäerinnen und Europäer im Teenageralter das Rauchen immer noch attraktiv finden. Dies soll mit den neuen Bildern und Warnhinweisen anders werden.
Die neuen Richtlinien zur Verpackungsgestaltung betreffen nicht nur Zigaretten, sondern auch Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, rauchlose Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und pflanzliche Raucherzeugnisse. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher

Anfang Mai hatte der Europäische Gerichtshof eine Klage von Polen und mehreren Tabakunternehmen gegen strengere Vorschriften für Tabakprodukte abgelehnt. Es ging unter anderem um das künftige Verbot von Aromen in Zigaretten, Werbebeschränkungen für elektronische Zigaretten sowie die Umsetzung der 2014 ausgehandelten EU-Richtlinie in britisches Recht. Zu den Schockbildern und Warnhinweisen hieß es in der Begründung der Richter, der Gesetzgeber habe „nicht die Grenzen dessen überschritten, was geeignet und erforderlich“ sei.

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