Schuldenkrise Wolfgang Schäuble lernt aus dem falschen Geschichtsbuch

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Von Athen nach Athens

Ein großer Teil der Transfers von West- nach Ostdeutschland und zwischen anderen Teilen Deutschlands geschieht in dieser Form. Der Effekt der Militärausgaben ist ähnlich: Das Militärbudget wird von allen amerikanischen Steuerzahlern bestritten, Militärbasen und Aufträge des Militärs werden aber häufig gezielt in strukturschwache Gebiete geleitet.

Das heißt die Bürger in Athens, Georgia, könnten unter Umständen durchaus umfangreich auf Kosten der Steuerzahler in Berlin, New Hampshire, Güter und Dienstleistungen konsumieren.  Der Unterschied zur europäischen Situation liegt darin, dass interregionale Transfers in den USA zwar stattfinden aber nicht als solche etikettiert sind und auch politisch akzeptierter sind. Es ist jedoch entscheidend zu begreifen, dass es sich hier nicht um ein ökonomischen, sondern um einen politischen Unterschied handelt.

 

Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands

Das lässt sich gut an einem aktuellen Beispiel sehen: Dem US-Territorium Puerto Rico droht im Moment die Zahlungsunfähigkeit. Ganz in Sinne Sinns wird es hier tatsächlich keinen direkten Bailout durch die Bundesregierung oder eine andere amerikanische Institution geben. Es gibt aber erhebliche Transfers durch föderale Sozialleistungen und ein Absinken der Zahlungen Puerto Ricos an den Bundeshaushalt. Darüber hinaus werden die Zahlungsschwierigkeiten wie eine echte Insolvenz behandelt, das heißt, die Gläubiger werden einen Teil ihrer Forderungen an Puerto Rico abschreiben müssen. Im Fall von Griechenland wären das vor allem deutschen und französische Banken gewesen.

Soweit es innerhalb eines Währungsraums Regionen mit unterschiedlicher ökonomischer Entwicklung gibt, sind Transfers ökonomisch unvermeidlich. Die Frage ist, ob diese von der Bevölkerung als politisch legitim empfunden werden so wie in den USA oder ob sie sich als politische explosiv erweisen, so wie in Europa.

In den USA ist es gelungen einen stabile Währung mit einer föderalen politischen Ordnung zu verbinden. Das ist aber nicht deswegen gelungen, weil es keine interregionalen Transfers gibt, sondern weil man einen Weg gefunden hat, solche Transfers politisch akzeptabel zu machen. Das liegt zum einen am Gefühl der nationalen Einheit, das in etablierten Nationalstaaten solche Transfers eher erlaubt, als in neuen politischen Gebilden, wie dem Euroraum. Noch entscheidender ist aber, dass in den USA die Zentralregierung, die die Transfers vornimmt, demokratisch legitimiert ist. Die interregionalen Transfers in den USA sind deswegen politisch akzeptabel, weil sie von einer demokratisch gewählten Bundesregierung durchgeführt werden und amerikanische Steuerzahler in Athens, Georgia, und in Berlin, New Hampshire, in dieser Weise gemeinsam über Transfers und Budgetfragen entscheiden. Eine solche Instanz fehlt in Europa. Der Euro braucht keine Insolvenzordnung für Mitgliedsstaaten oder Regelungen für eine „Trennung auf Zeit“ vom Euro, so wie sie zur Zeit vom deutschen Finanzministerium vorgeschlagen werden, sondern eine demokratische gewählte europäische Regierung, in der griechische und deutsche Wähler gemeinsam über die fiskalische Zukunft Europas entscheiden. Die Vorschläge des französischen Präsidenten Hollande gehen da in die richtige Richtung.

 

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