Schulterschluss mit Pegida Patriotischer AfD-Flügel fordert Parteispitze heraus

Neuer Ärger für die AfD-Spitze: Der rechte Parteiflügel macht gegen einen Beschluss mobil, der Mitgliedern Auftritte bei Pegida-Demos untersagt. Mit dem Vorgang muss sich jetzt das Schiedsgericht der Partei befassen.

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Hans-Thomas Tillschneider (AfD) bei einer Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung: Der Bundesvorstand lehnt solche Auftritte ab. Quelle: dpa

Berlin Die Ansage des AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen war klar und deutlich: „Einen Schulterschluss zwischen der AfD und der Pegida-Bewegung gibt es nicht. Er wäre auch weder im Sinne meiner Partei noch meiner selbst“, sagte Meuthen kürzlich dem Handelsblatt.

Meuthen reagierte damit auf direkte Kontakte einzelner AfD-Funktionäre mit dem islam- und fremdenfeindlichen Protestbündnis. Anfang Mai hatte mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider erstmals ein Mandatsträger der Alternative für Deutschland (AfD) auf einer Pegida-Kundgebung in Dresden das Wort ergriffen. Kurz darauf sprach ein Pegida-Vertreter erstmals bei einer AfD-Veranstaltung des Thüringer Landeschefs Björn Höcke, der als Wortführer der Parteirechten gilt.

Die Aktionen gingen nicht nur Meuthen gegen den Strich. Der Bundesvorstand schaltete sich ein und fasse einen Beschluss mit der Aufforderung an alle AfD-Mitglieder, „weder als Redner noch mit Parteisymbolen“ bei Pegida-Veranstaltungen aufzutreten. Auch „Redeauftritte von Pegida-Vertretern und Pegida-Symbole auf AfD-Veranstaltungen lehnen wir ab“. Inzwischen steht das Beschlossene aber schon wieder infrage, weil der rechtsnationale AfD-Flügel massiv dagegen Front macht.

Die „Patriotische Plattform“, deren Bundessprecher Tillschneider ist, will den Beschluss mithilfe des Parteischiedsgerichts kippen. Ein entsprechender Antrag liegt dem Handelsblatt vor. Darin machen die Unterzeichner unmissverständlich deutlich, dass sie ihren Pegida-Kurs beibehalten wollen.

„Für eine sinnvolle Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess ist es erforderlich, dass Mitglieder der AfD auf Veranstaltungen von Pegida reden. Die Mitglieder der AfD sollen nicht nur an der Kommunikation teilhaben, sie sind sogar gehalten, diese inhaltlich anzustoßen und zu prägen.“ Eine wesentliche Form, dies zu tun, ist sei die Rede auf einer Demonstration, heißt es in dem Antrag. „Darüber hinaus gebietet der Kommunikationsprozess auch die Einladungen von Vertretern der Bürgerbewegung Pegida zu eigenen Veranstaltungen, um sich über deren Vorstellungen und Ziele zu informieren.“


AfD-Mitglieder im Visier des Verfassungsschutzes

Die AfD-Politiker, die hinter dem Antrag stehen, betonen jedoch auf der Facebook-Seite der Plattform, dass sie sich „nicht eigenmächtig über den Beschluss des Bundesvorstandes hinwegsetzen“ wollen und deshalb den Weg einer parteigerichtlichen Klärung eingeschlagen haben. „Unser erstes Ziel besteht darin, zu klären, ob und wenn ja in welchem Umfang sich Sanktionen aus dem Beschluss ableiten lassen.“

Etwaige Strafmaßnahmen bezeichneten die Unterzeichner des Anfechtungsantrags als inakzeptabel. Zur Begründung führen sie unter anderem an, dass es „keinerlei Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung von Pegida“ gebe. „Vielmehr wird Pegida zum Beispiel nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.“ Zudem sei Pegida auch keine konkurrierende politische Partei, sondern vielmehr eine Bürgerbewegung. „Auch die mutmaßliche Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden war in rechtlicher Hinsicht eine unabhängige Kandidatin“, so die AfD-Politiker. Sie sei lediglich bei dieser nun über ein Jahr zurückliegenden Wahl von Pegida unterstützt worden.

In Sachsen ist Pegida tatsächlich noch kein Beobachtungsobjekt. Der Landes-Verfassungsschutz schaue genau hin, was Rechtsextremisten bei Pegida tun - und ob sie dort in relevanter Weise Einfluss nehmen. „Bislang haben wir keine ausreichenden Hinweise darauf, dass es sich bei Pegida um eine Gruppe handelt, deren Ziel die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist“, sagte Behördenchef Gordian Meyer-Plath kürzlich zu „Spiegel Online“.

In Bayern stellt sich die Lage anders dar: Die Landesverfassungsschützer haben neuerdings den Allgäuer Pegida-Ableger „Allgida“ im Visie. Und seit Ende Dezember 2015 bereits die vier Ableger „Nügida“, „Pegida Franken“, „Pegida-München“ und „Pegida Nürnberg“.

Auch Einzelpersonen in der AfD werden vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. „Das sind Personen, die schon vor ihrer Parteizugehörigkeit in rechtsextremistischen oder islamfeindlichen Bereichen auffällig geworden sind“, sagte der stellvertretende Sprecher der Behörde, Sönke Meußer, kürzlich dem Handelsblatt.


Höcke: „Pegida ist ein Katalysator für uns“

Dass einzelne AfD-Akteure ein Thema für den Verfassungsschutz werden könnten, damit war zu rechnen. Entsprechend hatte sich schon der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, am Rande eines Symposiums zum islamistischen Terrorismus in Berlin geäußert. Nach dem AfD-Programmparteitag gebe es zwar nach wie vor keinen Anlass, die Partei als Ganzes zu beobachten, weil es „keine neue Lage“ gebe, sagte Maaßen. „Wenn es Einzelpersonen geben sollte, bei denen man Extremismus vermuten würde, schauen wir uns die aber natürlich an“, ergänzte er.

Die rechtskonservative AfD hatte Anfang Mai auf einem Bundesparteitag in Stuttgart erstmals ein Grundsatzprogramm verabschiedet. Darin heißt es, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Muslime könnten weiterhin ihrem Glauben in Gebetsstätten nachgehen, hatte AfD-Parteivize Alexander Gauland gesagt. Der Islam kenne aber keine Trennung von Gesellschaft und Religion - dem wolle die Partei entgegentreten.

Auch Pegida macht Front gegen den Islam. Die Anhänger demonstrieren seit Oktober 2014 immer wieder gegen „Überfremdung“ und „islamischen Extremismus“. Der AfD-Mann Tillschneider, der an der Universität Bayreuth bis vor kurzem noch Assistent am Lehrstuhl für Islamwissenschaft war, gilt als Bindeglied zwischen AfD und Pegida.

Der rechtsnationale AfD-Wortführer Höcke tendiert in dieselbe Richtung. „Pegida ist ein Katalysator für uns“, hatte der Thüringer Fraktionsvorsitzende der Alternative für Deutschland jüngst dem „Spiegel“ gesagt. Dass der Bundesvorstand Auftritte von AfD-Politikern bei den Islamfeinden abgelehnt habe, solle man „nicht allzu hoch hängen“, empfahl Höcke. „Erfahrungsgemäß geht die Zeit über viele Parteibeschlüsse schnell hinweg. Es ist alles ins Rutschen gekommen.“ Mit der Einladung eines Pegida-Organisators zu einer Demonstration habe er kürzlich ein „wichtiges Signal“ gesetzt.

Höcke hat den Antrag zum Pegida-Kontaktverbot an das Parteischiedsgericht nicht mitunterzeichnet. Dafür aber ein gewisser Dubravko Mandic. Der AfD-Mann, der wie Tillschneider der „Patriotischen Plattform“ angehört, hat dem Bundesparteichef Meuthen schon viel Kopfzerbrechen bereitet.


Nazilieder gespielt und „Heil Hitler“ gerufen

Mandic ist Mitglied des Landesschiedsgerichtes der Südwest-AfD, deren Vorsitzender Meuthen ist. Nach einem Bericht der „Badischen Zeitung“ soll Mandic an einer Feier der Burschenschaft „Saxo-Silesia“ teilgenommen haben, auf der man Nazilieder gespielt und „Heil Hitler“ gerufen haben soll. Bei einem zweiten Treffen im Haus der „Saxo-Silesia“ soll Musik der Neonazi-Rockband „Landser“ gespielt worden sein.

Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben des Hausvereins der Burschenschaft, das die Vorfälle beschreibt. Mandic hingegen bestreitet, dass es die Feiern und Vorfälle gegeben habe. Meuthen sagte daraufhin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Wir brauchen auch im Landesschiedsgericht ehrenhafte Leute. Wenn sich jemand in einem rechtsextremen Umfeld bewegt, hat er bei uns nichts zu suchen.“

Über früher bekannt gewordene Äußerungen von Mandic, in denen dieser etwa Barack Obama als „Quotenneger“ bezeichnet hatte, habe er im vergangenen Jahr mit dem Freiburger Anwalt gesprochen und nach dessen Erklärungen „einen Haken drangemacht“, sagte Meuthen der „Badischen Zeitung“. Den nun bekannt gewordenen Vorwürfen gehe man nach. Die parteiinterne Prüfung könne aber einige Zeit dauern. Würden sich die Vorwürfe erhärten, müsse man Konsequenzen ziehen. Das erklärte Meuthen Anfang April. Seitdem ist zu dem Fall nichts mehr öffentlich bekannt geworden.

In einem anderen Fall will Meuthen schneller einer Klärung herbeiführen. Er dürfte damit auch dem Eindruck entgegenwirken wollen, auf die Grenzüberschreitungen am rechten Rand seiner Partei zu lax zu reagieren. Deshalb will er offenbar beim baden-württembergischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon keine Gnade walten lassen. Meuthen, der mit Frauke Petry die rechtskonservative Partei führt, dringt nach Antisemitismus-Vorwürfen darauf, den Parlamentarier aus Fraktion und Partei zu werfen.

Der unangenehme Fall Gedeon holte Meuthen nur wenige Wochen nach dem Einzug in den Landtag ein - dort ist die AfD stärkste Oppositionspartei. Zuletzt hatten umstrittene Äußerungen von Parteivize Alexander Gauland über Fußball-Nationalelf Jérôme Boateng die Frage aufgeworfen, wie viel rechtes Gedankengut in der AfD steckt.

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