Der Zugriff erfolgt im Morgengrauen, Punkt sechs Uhr. Mehrere Hundert Polizisten und Zöllner schlagen im Frankfurter Raum zu. 17 Mann der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) – sie untersteht dem Bundesfinanzministerium und ist vergleichbar mit der Antiterror- Eingreiftruppe GSG 9 – brechen die Wohnungstüren der beiden Hauptverdächtigen auf, eines Serben und eines Iraner. Den einen erwischen sie halb nackt im Flur, den anderen ziehen sie aus dem Bett.
Doch die beiden haben noch Glück. Nach der Festnahme durch den Zoll können sie auf ein rechtsstaatliches Verfahren hoffen. Wären es die Konkurrenten von den Bandidos oder Hells Angels gewesen, die ihnen die Tür eingeschlagen hätten, hätte es einen kurzen Prozess gegeben.
Baubranche
Es müssen nicht immer professionelle Treuhänder sein, die als offizielle Eigentümer einer Gesellschaft fungieren. Gerade Kriminelle setzen gern auf arglose Zeitgenossen, die für kleines Geld ihren Namen hergeben, aber nicht genau nachfragen, was damit eigentlich geplant ist. Sind ausländische Betrüger am Werk, heuern diese gern auch Strohleute aus ihrem Heimatland an. So berichten Fahnder, dass Banden, die Schwarzarbeit auf Baustellen organisieren, oft Personen aus ihrer Heimat einfliegen, die Deutschland nach der Firmengründung sofort wieder verlassen.
Über die selbst gezimmerte Firma stellen die Kriminellen dann Rechnungen aus, mit denen ein Bauunternehmer vorgaukeln kann, dass er für schwarz ausgeführte Maurer- oder Verputzerarbeiten einen offiziellen Sub-Unternehmer engagiert hat. Der Clou: Der Unternehmer zahlt die Rechnung der Scheinfirma tatsächlich, bekommt das Geld aber abzüglich einer Provision zurück. Und zwar in bar, sodass er die Schwarzarbeiter bezahlen kann.
Für Fahnder sind solche Konstrukte schwer zu knacken, weil die von der Scheinfirma ausgestellten Rechnungen meist täuschend echt aussehen. Und wenn sie doch einmal einer Firma auf die Schliche kommen, führt die Spur oft zu einem Strohmann im Ausland, der für sie nicht greifbar ist. Zudem belassen es die Kriminellen in aller Regel nicht bei einer Tarnfirma, sondern gründen ganze Ketten – daher sprechen Fahnder auch vom „Kettenbetrug“.
In dem Metier, dem die beiden nun für eine Weile entzogen sind, geht es um enorm viel Geld – und entsprechend rustikal sind die Umgangsformen. In die organisierte Schwarzarbeit drängen deutsche Rockerbanden, italienische Mafiosi und osteuropäische Rotlichtgrößen, die dem Lockruf der gigantischen Renditen folgen.
Harte Gangart
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig ist, bereitet das Bauchgrimmen. Wie ernst er die Lage einschätzt, lässt sich an einem internen Vermerk seines Hauses erkennen, demzufolge „es im Bereich der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung einen hohen Grad organisierter Wirtschaftskriminalität gibt“. Das will der CDU-Politiker, der schon als Bundesminister des Inneren eine harte Gangart gegen das organisierte Verbrechen eingeschlagen hatte, nicht hinnehmen. Am Donnerstag will er die Jahrespressekonferenz des Zolls dazu nutzen, den gerade eingeschlagenen Strategiewechsel bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) vorzustellen. Die 6700 Mitarbeiter zählende Truppe, die demnächst um 1600 Kräfte für die Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns aufgestockt wird, soll stärker als bisher die Hintermänner des milliardenschweren Geschäfts mit illegaler Beschäftigung aufspüren.
Die bisher üblichen Razzien, bei denen Zöllner Baustellen nach Schwarzarbeitern durchkämmen, will Schäuble deutlich einschränken – und zwar um mehr als 150 000 Personenkontrollen oder fast 30 Prozent, wie aus einer internen Zielvereinbarung hervorgeht. Stattdessen sollen FKSler die Bilanzen der am Bau beteiligten Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen.
Es ist eine schwierige Mission. Mitten im Geflecht der organisierten Banden spielen sogenannte Servicegesellschaften eine zentrale Rolle. Sie verschaffen der Mafia einen Mantel, der auf den ersten Blick seriös wirkt und meist auch einem zweiten Blick standhält. Servicefirmen besorgen gegen Provision die so wichtigen Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Diese enthalten Anmelde-Unterlagen für die Sozialversicherungen von Mitarbeitern und müssen von Subunternehmern ihren Auftraggebern vorgelegt werden. Mit den Papieren kommen Schwarzarbeiter durch jede Razzia.
Der Mafia-Trick auf dem Bau
Der Subunternehmer erhält von einer Servicefirma eine Rechnung über eine Million Euro.
Der Subunternehmer überweist die eine Million Euro an die Servicefirma.
Die Servicefirma behält 100 000 Euro Provision und gibt dem Subunternehmer heimlich 900 000 Euro zurück.
Der Subunternehmer zahlt davon für Löhne und Schmiergelder an Kolonnenschieber, Baustellenleiter und Auftragsfirmen 700 000 Euro.
Sein Gewinn: 200 000 Euro Schwarzgeld
Die Servicefirma stellt den Arbeitern Meldekarten zur Sozialversicherung aus, bleibt die Beiträge schuldig und löst sich schnell wieder auf.
Das aber ist erst ein Teil des „Service“. Der andere besteht darin, Scheinrechnungen an Subunternehmen auszustellen, die damit ihre Bilanzen mit Ausgaben vollpumpen. Natürlich nur auf dem Papier. Unter der Hand bekommen sie ihr Geld von der Servicegesellschaft nach Abzug der Provision zurück. Mit dem Schwarzgeld können die Subs ihre Arbeiter unter der Hand abspeisen, Schmiergelder an ihre Auftraggeber zahlen, eine Art Eintrittsgeld an die Baustellenleiter entrichten (teilweise ein Euro pro Mitarbeiter und Stunde) – und natürlich auch einen ordentlichen Batzen für sich behalten.
Servicefirmen haben ein kurzes Leben. Meist ist nach einem halben Jahr Schluss, die Hinterlassenschaft besteht aus einem Berg ausstehender Sozialbeiträge und Steuern. Oft sind Servicefirmen kettenmäßig hintereinandergeschaltet. Das minimiert die Aufdeckungsgefahr durch Betriebsprüfer oder Kontrolleure zusätzlich. Stoßen die Beamten doch auf eine solche Firma, müssen sie erst einmal die nächste ausfindig machen, die sich womöglich in Rumänien oder der Schweiz befindet.
Genaue Zahlen ungewiss
Wie viele organisierte Banden ihr Unwesen auf den Baustellen treiben und um wie viele Milliarden diese den Fiskus und die Sozialversicherungen betrügen, das weiß Bundesfinanzminister Schäuble naturgemäß nicht. Aber sein Zoll-Abteilungsleiter Julian Würtenberger spricht von einem „flächendeckenden Phänomen“. Noch deutlicher werden die Ermittler, die in den zuständigen Hauptzollämtern vor Ort die Übeltäter aufspüren sollen. Es seien „100 Prozent der Baustellen von organisierter Kriminalität betroffen“, lautet der gefühlte Eindruck einiger Fahnder. Nach Informationen des Zolls sind mafiöse Beschäftigungspraktiken nach dem gleichen Muster auch bei Speditionen, auf Schlachthöfen und – pikanterweise – bei Sicherheits- und Wachdiensten an Flughäfen verbreitet.
Aufträge mehrfach weitergereicht
Insbesondere am Bau lädt die gängige Praxis, mit Subunternehmern zu arbeiten, kriminelle Banden geradezu ein. Selbst große und renommierte Konzerne wie Hochtief oder Bilfinger beschäftigen so gut wie keine eigenen Bauarbeiter mehr. Stattdessen vergeben sie Unteraufträge an Subunternehmen. Das senkt die Kosten und erhöht den Profit. „Auf den Baustellen wird enorm viel gesubt“, sagt Armin Rolfink, Leiter des FKS-Referats im Bundesfinanzministerium. Teilweise werden Aufträge bis zu sieben Mal von Unternehmen zu Unternehmen weitergereicht, wobei von Stufe zu Stufe die Preise sinken. Jedes Mal wird ein Teil des Geldes einsackt – und Vater Staat nach Möglichkeit betrogen.
Das serbisch-iranische Duo hatte einen florierenden Handel mit Scheinrechnungen betrieben, bevor die ZUZ zuschlug. Ihre Rechnungen für fiktive Leistungen haben verschiedene Trockenbaufirmen in ihren Büchern verbucht. So herrschte dort auf den ersten Blick Ordnung für den Fall, dass das Finanzamt oder die FKS mal nachschauen.
5 Gründe gegen Schwarzarbeit
Schwarzarbeit im Haushalt ist eine Ordnungswidrigkeit. Wer erwischt wird, muss deshalb mit einer Geldbuße von bis zu 300.000 Euro rechnen. Außerdem haben Haushaltshilfen, die ohne Anmeldung arbeiten wollen, schwierige Gründe dafür – so haben sie zum Beispiel keine Arbeits- oder sogar keine Aufenthaltserlaubnis. Werden sie erwischt, droht ihnen in diesem Fall die Ausweisung.
Eine Putzhilfe, die nicht gemeldet ist, arbeitet um die Staatskasse herum und zahlt somit auch nicht in die sozialen Sicherungssysteme ein. Wer seine Einnahmen nicht voll angibt, behält Gelder, die ihm nicht zustehen und letztlich bleibt so weniger Geld für diejenigen übrig, die es wirklich brauchen.
Nur eine kleine Unachtsamkeit kann schon große Probleme bringen. Sachschäden, wie eine kaputte Vase sind da lästig, aber was passiert, wenn sich ihre Putzhilfe schwer verletzt? Wer schwarzarbeitet, kann sich nicht gegen Schäden versichern – das gilt dann insbesondere für Sachschäden – auf denen bleiben Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit sitzen.
Damit werben viele Online-Putzdienst-Vermittler: Jeder kann Haushaltsdienste von der Steuer absetzen – da können im Jahr einige Euros zusammen kommen und rechnet man die Steuerersparnis gegen die Kosten einer illegalen Hilfe auf, kann manchmal ein legales Angebot sogar preiswerter sein.
Wird die schwarz-arbeitende Haushaltshilfe krank oder fährt in den Urlaub, sorgt sie in den seltensten Fällen für einen Ersatz. Den muss der Arbeitgeber sich selbst suchen und hoffen, dass das klappt. Wer Kunde einer Dienstleistungsfirma ist, kann sich sicher sein, dass das zum Service gehört.
Was diese nicht zu sehen bekommen sollten: Den größten Teil der per Überweisung eingegangenen (Schein-)Rechnungsbeträge reichten der Serbe und der Iraner in bar an die Chefs der Trockenbaufirmen zurück. Der Schaden für den Staat durch entgangene Lohn-, Körperschaft- und Gewerbesteuern und Sozialabgaben soll sich allein bei diesem Gangsterpaar auf schätzungsweise fünf Millionen Euro belaufen.
„Nirgendwo sonst können Sie so schnell und einfach Geld verdienen“, sagt Jörg Helmig vom Hauptzollamt Dortmund, „da sind pro Tag ohne großes Risiko 10 000 Euro drin.“ Helmig steuert als Sachgebietsleiter bei der FKS fast 180 Mitarbeiter. Das hört sich nach viel an, doch das Gebiet, das er betreut, reicht von Gelsenkirchen bis Siegen, ist nach Fläche und Einwohnerzahl deutlich größer als Berlin.
Was die Bauindustrie sagt
„Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat sich bereits 2004 mit den Tarifpartnern, dem Bundesfinanzministerium und der Finanzkontrolle in einem Bündnis zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung in der Bauwirtschaft zusammengeschlossen. Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit sind ein gesellschaftliches Problem, das das Gemeinwesen nachhaltig beeinträchtigt. Es muss jedoch betont werden, dass der Einsatz von Subunternehmen in einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft normal und auch gewollt ist. Jeder soll das tun, was er am besten kann. (...) Zu den Servicefirmen: Arbeitnehmerüberlassung in die Bauwirtschaft ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht zulässig. Unternehmen, die dieses Verbot umgehen, sind kriminell und schaden den seriös agierenden Unternehmen.“
"Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit verharren auf einem unerträglich hohen Niveau. Das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sind für unsere Mitgliedsbetriebe bedrohlich. Sie reichen von Bauleistungen ohne Rechnung bis zu mafiösen Strukturen, in denen mit hoher krimineller Energie gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Sozialkassenbeiträge hinterzogen werden. Unsere Mitgliedsbetriebe spüren dies täglich bei privaten wie öffentlichen Aufträgen. Wir fordern eine realistische Vergabepraxis insbesondere bei Großbaustellen und öffentlichen Auftraggebern, in der nicht automatisch das billigste Angebot den Zuschlag erhält. Bei der Vergabe einer Bauleistung an den billigsten Anbieter ist regelmäßig festzustellen, dass dieser mit Nachunternehmern bzw. sogar Nachunternehmerketten arbeitet. Am Ende einer solchen Nachunternehmerkette finden sich dann sehr oft illegale Beschäftigungsverhältnisse.“
Von Helmigs Truppe aufgedeckte Fälle landen vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum. Bei einem davon ging es um die beiden türkischstämmigen Gerüstbauer M. und Y., die in Spitzenzeiten bis zu 400 Mitarbeiter auf 27 Baustellen beschäftigt hatten. Die Arbeitnehmer erhielten völlig legale Lohnabrechnungen, doch diese machten nur rund 30 Prozent ihres Einkommens aus – für rund 70 Prozent hieß es: Schwarz auf die Tatz. Das Gericht bezifferte den Schaden später auf 7,9 Millionen Euro, davon 3,9 Millionen Euro zulasten der Sozialversicherungen, 1,8 Millionen Euro zulasten der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes, 700 000 Euro hinterzogene Lohnsteuer und 1,6 Millionen Euro Schaden aus der Umsatzsteuervoranmeldung.
Preisdiktat der Auftraggeber
Trotz der stolzen Summe mischte sich in die Urteilsbegründung der Strafkammer fast so etwas wie Mitleid mit den Delinquenten. Die Richter sprachen von „einem Preisdiktat der großen Auftraggeber“ in der Gerüstbaubranche. Die von ihnen kalkulierten Stundenlöhne von 22 bis 23 Euro hätten nicht ausgereicht, um damit die Lohnspanne von 9 Euro für Helfer bis 15 Euro für Kolonnenführer zu bedienen und auch noch ordnungsgemäß Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Dazu hätten die Auftraggeber Stundenlöhne von 35 bis 40 Euro ansetzen müssen, so die Richter. Und damit nicht genug: Viele Arbeitnehmer der Gerüstbaubranche seien „nicht bereit, im Rahmen voller steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Legalität zu arbeiten“. Oft jobben sie offiziell in Teilzeit für 450 bis 1000 Euro, beziehen dazu aber noch Arbeitslosengeld und schuften in Wirklichkeit 70 bis 80 Stunden für 2000 Euro, berichtet ein Fahnder.
Weil eine Mauer aus gegenseitiger Abhängigkeit und Kumpanei die Fahndung oft unmöglich macht – auf dem Bau durch Drohungen, Gewalt und Clanstrukturen verstärkt –, stellt die FKS ihre Ermittlungsmethoden völlig um. „Vor 20 Jahren haben wir mit drei Opel Corsa, Klemmbrett und Gummistiefeln angefangen“, erinnert sich der Dortmunder Helmig. Damals gibt es nur sehr eingeschränkte Befugnisse. Als „Gerüstschüttler“ werden die Kontrolleure verspottet, die anfangs vom Arbeitsamt und später vom Zoll auf die Baustellen abkommandiert wurden.
Vor-Ort-Kontrollen reichen längst nicht mehr aus. Die Ermittler greifen zu investigativen Methoden und schließen sich mit Sozialversicherungsträgern und Polizei-, Finanz- und Zollbehörden im In- und Ausland kurz. Wo der FKS die Erfahrung mit bandenmäßiger Kriminalität fehlt, klinkt sich das Zollkriminalamt aus Köln ein. Die Fahnder helfen mit Telefonüberwachungen, verdeckten Ermittlungen und forensischen Methoden aus. Doch auch die Gegenseite rüstet auf. Die Hintermänner wechseln ständig ihre Prepaid-Handys und löschen regelmäßig ihre Festplatten, um keine Spuren zu hinterlassen. Bei den Servicefirmen sind die Geschäftsführer nur kleine Fische – Junkies, Obdachlose oder kurzfristig eingeflogene Ausländer, die sich für ein kleines Handgeld als Geschäftsführer ins Handelsregister eintragen lassen. Praktischerweise richten die Hintermänner gleich mehrere Servicefirmen ein, um ihre Kunden kontinuierlich zu bedienen.
Der Zoll und die organisierte Kriminalität
39.000 Personen arbeiten beim Zoll, davon 26.000 bei den 43 Hauptzollämtern und 3.500 beim Zollkriminalamt.
100 Millionen Zollabfertigungen werden jährlich abgewickelt. Der Wert der Einfuhren aus Nicht-EU-Staaten belief sich zuletzt auf 317 Milliarden Euro.
52,7 Milliarden Euro Einfuhrumsatzsteuer und Zölle haben Schäubles Beamte 2013 an den Grenzen kassiert.
376 200 Euro Einfuhrumsatzsteuer spart die Mafia pro Container, wenn sie den Wert von Textilien mit 20 000 Euro statt 2 Millionen Euro angibt.
54.750 Euro pro Lkw spart die Mafia, wenn sie die Kaffeesteuer nicht entrichtet und die Röstbohnen über Broker in den Markt schleust
90 Prozent aller Sendungen aus China, die per DHL-Express am Leipziger Flughafen ankommen, sind unter Wert fakturiert.
Wie schwierig und langwierig Ermittlungen in diesem Geflecht sind, zeigt der Fall „Energie“, bei dem es um Schwarzarbeit auf Baustellen großer Kraft- und Chemiewerke ging. Um die Hintermänner ausfindig zu machen, führte das Zollkriminalamt neun Monate lang Telefonüberwachungen durch. Zwei Türken wurden so als Haupttäter ermittelt. Am Ende durchsuchten 300 Zöllner, 50 Steuerfahnder und mehrere Staatsanwälte zeitgleich 70 Objekte. Dabei kam heraus: Die Bande hatte Scheinrechnungen über 30 Millionen Euro Umsatz an gut 100 Gerüstbau-, aber auch Reinigungs- und Logistikfirmen ausgestellt. Der Schaden für Fiskus und Sozialversicherungen summierte sich ebenfalls auf rund 30 Millionen Euro. Das Urteil für einen der beiden Haupttäter lautete später vier Jahre und drei Monate Haft. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass ein Banküberfall mit einem Bruchteil der ergaunerten Summe glatt das Doppelte an Knast einbringt.
Strafen verdoppeln
Auch hier setzt Bundesfinanzminister Schäuble an. Er will den Handel mit Scheinrechnungen künftig als schwere Form des Betrugs eingestuft sehen, ebenso das bandenmäßige Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen. Folge: Die Höchststrafe stiege von fünf auf zehn Jahre Haft. Daneben soll bei diesen Delikten künftig auch die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) möglich sein.
Die im Legalen operierenden Unternehmen der Branche würden dies begrüßen. „Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit verharren weiterhin auf einem unerträglich hohen Niveau“, klagt Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB). „Das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung“, so der ZDB-Präsident, „sind für unsere Mitgliedsbetriebe nach wie vor bedrohlich. Sie reichen von Bauleistungen ohne Rechnung bis zu mafiösen Strukturen, in denen mit hoher krimineller Energie gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Sozialkassenbeiträge hinterzogen werden. Unsere Mitgliedsbetriebe spüren dies täglich bei privaten wie öffentlichen Aufträgen.“