Schwarzarbeit Organisierte Kriminalität unterwandert die Baubranche

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Preisdiktat der Auftraggeber

Trotz der stolzen Summe mischte sich in die Urteilsbegründung der Strafkammer fast so etwas wie Mitleid mit den Delinquenten. Die Richter sprachen von „einem Preisdiktat der großen Auftraggeber“ in der Gerüstbaubranche. Die von ihnen kalkulierten Stundenlöhne von 22 bis 23 Euro hätten nicht ausgereicht, um damit die Lohnspanne von 9 Euro für Helfer bis 15 Euro für Kolonnenführer zu bedienen und auch noch ordnungsgemäß Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Dazu hätten die Auftraggeber Stundenlöhne von 35 bis 40 Euro ansetzen müssen, so die Richter. Und damit nicht genug: Viele Arbeitnehmer der Gerüstbaubranche seien „nicht bereit, im Rahmen voller steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Legalität zu arbeiten“. Oft jobben sie offiziell in Teilzeit für 450 bis 1000 Euro, beziehen dazu aber noch Arbeitslosengeld und schuften in Wirklichkeit 70 bis 80 Stunden für 2000 Euro, berichtet ein Fahnder.

Hohe Margen mit Fälschungen und Schmuggelware
Wodkaflaschen und Ginflaschen Quelle: REUTERS
Ein Mann steckt sich eine Zigarette an Quelle: dpa
Kaffeebohnen Quelle: dpa
Diesel18.000 Euro pro Tankfüllung eines 38-Tonners spart, wer Diesel als „technisches Öl“ importiert. Die Energiesteuer beträgt 48,6 Cent pro Liter. Auch Heizöl (6,1 Cent Steuer) kommt entfärbt als Diesel in den Tank. Quelle: dpa
Schuhplagiate Quelle: dpa
Kassenbon Quelle: dpa
Gefälschte und echte Viagra-Pillen Quelle: AP

Weil eine Mauer aus gegenseitiger Abhängigkeit und Kumpanei die Fahndung oft unmöglich macht – auf dem Bau durch Drohungen, Gewalt und Clanstrukturen verstärkt –, stellt die FKS ihre Ermittlungsmethoden völlig um. „Vor 20 Jahren haben wir mit drei Opel Corsa, Klemmbrett und Gummistiefeln angefangen“, erinnert sich der Dortmunder Helmig. Damals gibt es nur sehr eingeschränkte Befugnisse. Als „Gerüstschüttler“ werden die Kontrolleure verspottet, die anfangs vom Arbeitsamt und später vom Zoll auf die Baustellen abkommandiert wurden.

Vor-Ort-Kontrollen reichen längst nicht mehr aus. Die Ermittler greifen zu investigativen Methoden und schließen sich mit Sozialversicherungsträgern und Polizei-, Finanz- und Zollbehörden im In- und Ausland kurz. Wo der FKS die Erfahrung mit bandenmäßiger Kriminalität fehlt, klinkt sich das Zollkriminalamt aus Köln ein. Die Fahnder helfen mit Telefonüberwachungen, verdeckten Ermittlungen und forensischen Methoden aus. Doch auch die Gegenseite rüstet auf. Die Hintermänner wechseln ständig ihre Prepaid-Handys und löschen regelmäßig ihre Festplatten, um keine Spuren zu hinterlassen. Bei den Servicefirmen sind die Geschäftsführer nur kleine Fische – Junkies, Obdachlose oder kurzfristig eingeflogene Ausländer, die sich für ein kleines Handgeld als Geschäftsführer ins Handelsregister eintragen lassen. Praktischerweise richten die Hintermänner gleich mehrere Servicefirmen ein, um ihre Kunden kontinuierlich zu bedienen.

Der Zoll und die organisierte Kriminalität

Wie schwierig und langwierig Ermittlungen in diesem Geflecht sind, zeigt der Fall „Energie“, bei dem es um Schwarzarbeit auf Baustellen großer Kraft- und Chemiewerke ging. Um die Hintermänner ausfindig zu machen, führte das Zollkriminalamt neun Monate lang Telefonüberwachungen durch. Zwei Türken wurden so als Haupttäter ermittelt. Am Ende durchsuchten 300 Zöllner, 50 Steuerfahnder und mehrere Staatsanwälte zeitgleich 70 Objekte. Dabei kam heraus: Die Bande hatte Scheinrechnungen über 30 Millionen Euro Umsatz an gut 100 Gerüstbau-, aber auch Reinigungs- und Logistikfirmen ausgestellt. Der Schaden für Fiskus und Sozialversicherungen summierte sich ebenfalls auf rund 30 Millionen Euro. Das Urteil für einen der beiden Haupttäter lautete später vier Jahre und drei Monate Haft. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass ein Banküberfall mit einem Bruchteil der ergaunerten Summe glatt das Doppelte an Knast einbringt.

Strafen verdoppeln

Auch hier setzt Bundesfinanzminister Schäuble an. Er will den Handel mit Scheinrechnungen künftig als schwere Form des Betrugs eingestuft sehen, ebenso das bandenmäßige Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen. Folge: Die Höchststrafe stiege von fünf auf zehn Jahre Haft. Daneben soll bei diesen Delikten künftig auch die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) möglich sein.

Die im Legalen operierenden Unternehmen der Branche würden dies begrüßen. „Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit verharren weiterhin auf einem unerträglich hohen Niveau“, klagt Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB). „Das Ausmaß und die Erscheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung“, so der ZDB-Präsident, „sind für unsere Mitgliedsbetriebe nach wie vor bedrohlich. Sie reichen von Bauleistungen ohne Rechnung bis zu mafiösen Strukturen, in denen mit hoher krimineller Energie gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge und Sozialkassenbeiträge hinterzogen werden. Unsere Mitgliedsbetriebe spüren dies täglich bei privaten wie öffentlichen Aufträgen.“

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