Schweizer Franken und der Euro Wie die Schweiz die AfD entzaubert

Die Alternative für Deutschlands träumt von der D-Mark-Rückkehr. Wie riskant solche währungspolitischen Schritte sein können, zeigen die Turbulenzen in der Schweiz. Hat sich die AfD damit als Anti-Euro-Partei erledigt?

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Gemeinsam gegen den Euro: AfD-Chef Bernd Lucke (r.) und seine Vize Hans-Olaf Henkel. Quelle: dpa

In der Währungspolitik vertritt die Alternative für Deutschland (AfD) eine ganz spezielle Auffassung. „Wir fordern die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde. Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein“, heißt es im Programm der Partei zur Bundestagswahl 2013. In den „politischen Leitlinien“, die später verfasst wurden, wird der Euro-Austritt Deutschlands zwar nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Doch gänzlich von dieser Idee verabschiedet hat sich die AfD nie, wie man diese Woche vernehmen konnte.

Ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den geplanten Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) lieferte AfD-Chef Bernd Lucke einen willkommenen Anlass, den Traum von der Rückkehr zur D-Mark neu zu träumen. Der juristische Freibrief für Anleihekäufe der EZB zeige, dass der Euro keine Stabilitätsgemeinschaft sei und Deutschland daher problemlos zur D-Mark zurückkehren könne, forderte Lucke am Mittwoch.

Nur so einfach, wie es sich Lucke vorstellt, dürfte ein solcher massiver Schritt nicht vollzogen werden können. Im Gegenteil: Das Beispiel der Schweizerischen Notenbank (SNB), die am Donnerstag beschlossen hatte, nicht mehr am Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro festzuhalten, offenbart schonungslos die gravierenden Konsequenzen, wenn ein Land einsame Währungsentscheidungen trifft.

Der Beschluss der SNB löste an den Märkten Panik aus und zeigte, was Deutschland im Falle eines Euro-Austritts droht: Investoren würden fluchtartig ihre Milliarden aus den Südländern abziehen, um sie in der mit Abstand stärksten Volkswirtschaft Europas zu investieren. Die Folge wäre eine katastrophale Währungsaufwertung. Hat sich damit die AfD als Anti-Euro-Partei erledigt?

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, argumentiert in diese Richtung. „Wenn es denn bei der AfD je etwas zu entzaubern gab, dann sollte es spätestens mit der kurzfristigen Freigabe des Schweizer Franken geschehen sein“, sagte Horn dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Die verheerenden Wirkungen auf die Exportchancen der Schweizer Wirtschaft würden sich in Deutschland mit einem Euro Austritt wiederholen.“ Eine Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit wäre aus Sicht Horns die „wahrscheinliche Folge“. Horn äußerte daher die Hoffnung, dass nun auch die Unternehmensverbände in Deutschland ihre „zuweilen etwas schläfrige Verteidigung der Währungsunion sichtbarer werden“ lassen könnten.


„Vorschläge der AfD sind wirtschaftspolitisch sehr gefährlich“

Auch in der Politik sieht man Lucke & Co mit seiner Anti-Euro-Strategie widerlegt. Nüchtern verweisen Vertreter von Union und Grünen auf die negativen Folgen, mit den sich die Schweiz jetzt herumschlagen muss. Folgen, die im Falle eines Euro-Austritts auch Deutschland schwer zu schaffen mache dürften.

„Die schweizerische Entscheidung verdeutlicht, welche weitreichenden Folgen Währungsentscheidungen haben können“, sagte etwa der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Aus wirtschaftlicher Sicht sei es daher gut, dass Deutschland den Euro als gemeinsame Währung habe. „Darüber hinaus ist er ein starkes Symbol für die europäische Integration“, betonte der CDU-Politiker. Jedenfalls stehe eine Auflösung der Euro-Zone nicht zur Debatte.

Noch deutlicher formuliert es der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick. „Die Schweiz ist ein warnendes Praxisbeispiel, das jedem die Augen öffnen sollte, dass die Vorschläge der AfD wirtschaftspolitisch sehr gefährlich sind“, sagte Schick dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). So zeigten die Marktbewegungen in der Schweiz und die starke Aufwertung des Franken mit den entsprechenden Negativwirkungen für die Schweizer Industrie im Kleinen, was bei einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone im Großen passieren würde.

Scharf argumentiert Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler. „Der ideologische wirtschaftspolitische Kurs der AfD war von Beginn an brandgefährlich und ökonomisch dumm“, sagte Kindler dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Getrieben von nationalistischen Ressentiments ist die Forderung nach der Rückkehr zur D-Mark vor allem Folklore für Rechtsausleger und nicht wirtschaftspolitische Vernunft.“ Das Beispiel der schweizerischen Notenbank habe nun auch empirisch belegt, welche Risiken für Deutschland bestünden.

Kindler erläuterte, dass eine neue D-Mark oder auch ein sogenannter Nord-Euro der nordeuropäischen Länder sehr schnell eine massive Aufwertung mit „verheerenden Folgen“ für die exportorientierte Industrie nach sich zöge. In einer vernetzen Welt brauche man daher nicht weniger, sondern mehr ökonomische, sozialpolitische und finanzpolitische Integration in Europa, zum Beispiel um grenzüberschreitenden Steuerbetrug zu verhindern und transnationale Konzerne im Rahmen einer sozial-ökologisch gestalteten Globalisierung hart zu regulieren.


„Deutschland profitiert massiv vom Euro“

„Der Prozess der weiteren europäischen Integration“, so Kindler weiter, „muss natürlich zwingend mit einer deutlichen Ausweitung der demokratischen Legitimation und Stärkung des Europäischen Parlaments einhergehen.“ Es gebe kein Zurück in den Nationalstaat, wenn eine wirtschafts- und finanzpolitische Kontrolle der Märkte, Sozialstaatlichkeit, und die demokratische Souveränität der Bevölkerung erhalten werden solle. Die Zukunft liege in Europa, und sowohl die europäische Integration als auch der gemeinsame Währungsraum seien für Deutschland wichtig. „Und inzwischen sollte auch der Letzte verstanden haben“, so Kindler: „Die Bundesrepublik Deutschland profitiert massiv vom Euro und der Stabilität der Eurozone.“

Das sind die AfD freilich anders. Lucke hält auch einen Euro-Austritt Deutschland für beherrschbar. „Wenn Deutschland ausscheiden sollte, dann lässt sich das Ausmaß der Aufwertung natürlich durch Zentralbankinterventionen steuern“, sagte Lucke dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Das Beispiel der Schweiz zeige ja gerade, dass eine Zentralbank den Wechselkurs über längere Zeit sogar völlig einfrieren könne. Ebenso könne die Zentralbank mehrere kleine, über die Zeit gestreckte Aufwertungsschritte zulassen. „Das wäre für einen hypothetischen Euro-Austritt Deutschlands die richtige währungspolitische Strategie, denn dann haben die Unternehmen Zeit, sich anzupassen“, ist Lucke überzeugt.

Kritisch sieht Lucke immerhin, dass die Schweiz erst lange Zeit einen Mindestwechselkurs fährt und dann den Kurs schlagartig völlig freigebe. Eine zeitlich gestreckte Aufwertung über einen „managed float“ hätte er für sinnvoller gehalten. „Und das wäre auch meine Empfehlung bei einem eventuellen Euro-Austritt Deutschlands“, fügte der AfD-Chef hinzu. Die mit den erforderlichen Interventionen der Bundesbank einhergehende Ausdehnung der Geldmenge wäre ihm angesichts des derzeitigen Deflationsrisikos dann sogar willkommen.

In der Schweizer Wirtschaft ist die drastische Aufwertung des Franken allerdings ein „herber Schlag“, wie der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, in einer Analyse darlegt. „Maschinenbau und Tourismusbranchen werden die negativen Konsequenzen schnell spüren. Das angedachte Wirtschaftswachstum von 2,0 Prozent dürfte nicht zu erreichen sein.“ Infolgedessen habe der Schweizer Aktienmarkt rund 10 Prozent verloren.


AfD-Vize Henkel und seine drei Euro-Alternativen

Dagegen hätten sich für Firmen aus dem EU-Raum, insbesondere aus Deutschland, die Exportchancen verbessert, sagte Lang weiter. Das liege auch daran, dass die jüngsten Entwicklungen einen „wichtigen Gegenpol zur Situation mit Russland“ darstellten. Das erkläre auch, dass europäische Aktien auf den SNB-Beschluss „euphorisch“ reagiert hätten. Möglicherweise, so Lang, führe die Notenbank-Entscheidung dazu, den Dax dauerhaft über die Marke von 10.000 Punkten zu heben.

Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Bundesverbands der Deutsche Industrie und inzwischen AfD-Bundesvize, sieht die Sache grundlegend anders. Das tut er schon seit geraumer Zeit. Und mit der AfD hat der Europaabgeordnete eine Partei gefunden, die ihm gerne zuhört, wenn er seine Euro-Gedankenspiele präsentiert. Henkel ist in dieser Hinsicht schon weiter als Lucke.

Zwar hat auch Henkel kein Patentrezept, für die, wie er es im Europawahlkampf nannte, „griechische Tragödie“, in der sich Europa befinde. Aber er hat drei Alternativen: A: Austritt der schwachen Länder aus dem Euro. B: Die starken Länder um Deutschland treten aus und gründen ihren eigenen Nord-Euro, oder C: Alle gehen zurück zu ihren Währungen.
Und eine Währungsaufwertung im Falle eines deutschen Euro-Austritts ist für ihn auch kein Beinbruch.

„Wir hatten 17 Aufwertungen zu D-Mark-Zeiten, und als ehemaliger Verantwortlicher für die deutsche Industrie ist mir noch in guter Erinnerung, dass gerade dieser Effekt ein starker Anreiz für den Zwang zur Produktivität, Effizienz und Kreativität war“, sagte Henkel dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Dieser Druck ist durch einen aus deutscher Sicht katastrophal unterbewerteten Euro weg und als Folge beginnen wir uns nun auch schon „französisch“ oder „Italienisch“ zu verhalten.“

Henkel hält es daher für falsch, wenn Deutschland meine, mit einem abgewerteten Euro glücklich zu werden. „Das kann langfristig nur zu einer schleichenden Beschädigung unserer Wettbewerbsfähigkeit führen.“ Henkel verweist dabei auf die Historie. Zu D-Mark-Zeiten seien 46 Prozent der deutschen Exporte in die Euro-Zone gegangen, heute seien es nur noch 34 Prozent. Sein Fazit: „Hören wir endlich auf, unser Heil darin zu suchen, innerhalb der Euro-Zone als Einäugiger unter den Blinden König sein zu wollen.“

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