Sicherheitsexperte Bühler zum BND-Skandal Bundesregierung trägt "Verantwortung für den Scherbenhaufen"

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"Die Sicherheit eines Unternehmens fängt in den eigenen vier Wänden an"

Also geben Sie der Bundesregierung in Berlin die Schuld?

Nun, auf jeden Fall liegt dort die politische Verantwortung für den Scherbenhaufen. Dieser spielt sich auf drei Ebenen ab.

Erstens auf der transatlantischen und auch deutsch-britischen Achse. Auf die Reaktionen bin ich jetzt schon gespannt. Schließlich soll auch schon der britische Geheimdienst dieses Frühjahr gedroht haben, alle Kontakte zu seinen deutschen Partnern abzubrechen.

Wer wusste was im Spionage-Skandal?
Bundesinnenminister Thomas de Maizière Quelle: dpa
Ex-BND-Präsident Ernst Uhrlau Quelle: dapd
BND-Chef Gerhard Schindler Quelle: dpa
Ex-Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier Quelle: AP
Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla Quelle: dpa
Kanzleramtschef Peter Altmaier Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa

Zweitens auf der europäischen Ebene: Sollten wirklich Regierungsvertreter und auch Unternehmen aus Nachbarländern wie Frankreich und Österreich ausspioniert worden sein, so ist dies unabhängig von der Frage ein eklatanter Missbrauch an Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Drittens auf der innerdeutschen Ebene. Bevölkerung und Wirtschaft stellen sich zu Recht die Frage, wie handlungsfähig Berlin überhaupt noch ist. Schließlich wäre spätestens mit der Snowden-Affäre eine gute Gelegenheit gewesen, endlich einmal auch „reinen Tisch“ zu machen. Auch, was die Nachrichtendienste angeht. Erinnert man sich daran, wie heftig damals Kanzleramtsminister Pofalla (CDU) das Ende der NSA-Affäre verkündete und auch der damalige Innenminister Friedrich (CSU) erzählte, dass seiner Ansicht nach das Ausmaß der NSA-Spähaffäre übertrieben werde, müssen sich beide doch die Frage gefallen lassen, auf welcher Grundlage sie gemeinsam ihre Weisheiten verkündeten.

Was werden Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte sein?

Da muss ich differenzieren zwischen dem, was ich erwarte, und dem, was ich mir erhoffe. Was ich erwarte, ist, dass Berlin nicht zur Aufklärung dieser Angelegenheit beitragen wird, und es im Gegenzug ein paar gut abgefundene Bauernopfer geben wird. Das heißt dann aber konkret, dass wir in spätestens zwei Jahren erneut über einen weiteren Skandal reden werden.

Eine weitere Schulddebatte ist weder hilfreich noch zielführend! Deswegen erhoffe ich mir, dass diese Affäre schnell und transparent ohne Rücksicht auf irgendwelche personellen Konsequenzen zu Ende gebracht wird. Das wird aber nur gelingen, wenn schnellstmöglich ein neuer Masterplan mit neuen Strukturen, Aufgaben, Kompetenzen, Rechten, Mitteln und Befugnissen für die Dienste ausgearbeitet und umgesetzt wird. Die Sicherheitsarchitektur ist seit dem Kalten Krieg nicht mehr modifiziert worden und entspricht auch nicht mehr den Sicherheitsanforderungen unserer modernen, globalisierten Gesellschaft.

Was heißt das konkret für die Unternehmen?

Dass die Unternehmen und die Spitzenverbände der Industrie weiterhin gut beraten sind, auf eine Zusammenarbeit zu pochen, aktuell aber weder darauf zu zählen, noch zu hoffen. Die Sicherheit eines Unternehmens fängt auch weiterhin mit der Verantwortung in den eigenen vier Wänden an. Sicherheit muss so gestaltet sein, dass sie die Mitarbeiter einbindet, Werte und Geschäftsprozesse schützt und sich betriebswirtschaftlich rechnet! Unabhängig davon, welche Angreifer aus Ost oder West von außen oder innen drohen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert aktuell Aufklärung aus Berlin.

Das ist auch ein richtiger Schritt! Aber der BDI, der sehr für das TIPP-Abkommen mit den USA wirbt, sollte die gleiche Offenheit auch von amerikanischer Seite einfordern. Beide, Washington und Berlin sind hier in der Pflicht. Es kann keine wirkliche Aufklärung geben, wenn beide Seiten nicht offen und ehrlich bemüht sind, Vertrauen wieder herzustellen.

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