Sigmar Gabriel auf Sommertour Reise der Rechtfertigung

Keine Pause auf der Sommerreise: Die Vorwürfe im Fall Edeka/Tengelmann verfolgen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auch auf einer lockeren Bootstour in Rostock. Der Weg zur Kanzlerkandidatur 2017 ist steinig.

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) muss sich auch auf seiner Sommerreise den Vorwürfen zum Edeka-Tengelmann-Deal stellen. Quelle: dpa

Rostock Als Gernot Tesch erwähnt, in den Rostocker Heinkel-Flugzeugwerken sei 1943 der Schleudersitz entwickelt worden, kann sich so manch ein Teilnehmer der Hafenrundfahrt ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sigmar Gabriel lässt sich bei der Anekdote des Geschäftsführers der Rostocker Hafengesellschaft nichts anmerken.

Das Bild vom SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister auf einem Schleudersitz ist vielleicht etwas unpassend. Unbestritten aber ist, dass Gabriel gerade schwere Zeiten durchlebt.

Am Montagmittag ist er zu seiner Sommerreise aufgebrochen, die Hafenrundfahrt in Rostock bildet den Auftakt. Noch bevor Gabriel das Schiff betritt, stellt er sich den Fragen der Journalisten. Gabriel spricht kurz über die Stärken der maritimen Wirtschaft, doch die Reporter wechseln sogleich zu den brisanten Themen: Türkei, Flüchtlingspolitik – und natürlich der Fall Edeka/Tengelmann, Gabriels wohl größtes Problem derzeit.

Gabriel wehrt sich gegen den Vorwurf des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf, sein Ministererlaubnisverfahren für die Übernahme der Tengelmann-Filialen durch Edeka sei nicht transparent gelaufen. „Ein Ministererlaubnisverfahren ist etwas anderes als ein Gerichtsverfahren“, verteidigt sich Gabriel. Welche andere Möglichkeit habe ein Minister denn, außer Sondierungsgespräche zu führen? Hier von Geheimverhandlungen zu sprechen sei weit hergeholt.

Das Thema lässt Gabriel nicht mehr los. Hinter ihm liegen knapp drei Wochen, die eigentlich als Urlaub geplant waren, in denen er jedoch eine Menge Ärger aushalten musste. Das OLG hatte Gabriels Ministererlaubnis auseinandergenommen mit der Begründung, Gabriel habe den Anschein erweckt, befangen zu sein. Seitdem sickern immer wieder neue Details durch. Zuletzt wurde publik, dass es am 22. Dezember 2015 noch ein Treffen Gabriels mit Edeka-Chef Markus Mosa und Verdi-Chef Frank Bsirske gegeben hat, von dem vorher nie die Rede war.

Gabriel muss sich vorhalten lassen, das Verfahren unprofessionell gemanagt zu haben. Seine Reaktion auf das OLG fanden auch Parteifreunde nicht gerade souverän. Hat den Instinktpolitiker Gabriel der Instinkt verlassen? Auch erklärte Gabriel-Fans in der SPD räumen ein, der Chef habe sich angreifbar gemacht, agiere nicht fehlerfrei und sei dünnhäutiger als sonst. 


Gabriel: Es stehen 16.000 Jobs auf dem Spiel

In Rostock gibt sich Gabriel noch einmal kämpferisch. In der Debatte werde ausgeblendet, dass 16.000 Jobs auf dem Spiel stünden, sagt er. Es gehe um Menschen, von denen es viele auf dem Arbeitsmarkt ohnehin schwer hätten. 

Auf der Sommerreise geht es jetzt weiter zur Nordex Energy GmbH, wo Windkraftanlagen hergestellt werden. Gabriel wird in die Rotorblattfertigung geführt. Die erneuerbaren Energien sind ihm seit seiner Zeit als Bundesumweltminister vertraut. Gabriel kennt ihre Potenziale, warnt aber immer wieder auch vor den Risiken ausufernder Kosten durch die Förderung von Windrädern und Photovoltaikanlagen.

Erfreut registriert Gabriel, dass man bei Nordex die kürzlich beschlossene Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes positiv beurteilt. Der Minister revanchiert sich mit einem Lob: Die Branche habe sich zu einer „kräftigen Exportindustrie entwickelt“, sagt Gabriel.

Rostock hat sich mit den erneuerbaren Energien ein ansehnliches wirtschaftliches Standbein aufgebaut. Die Stadt weist Merkmale auf, die im Osten selten sind: Sie verfügt über eine gehörige Anzahl von Industriejobs – und die Bevölkerungszahl ist leicht gestiegen und hält sich wacker über 200.000.

Neben der Landeshauptstadt Schwerin bildet Rostock eine der ersten beiden Stationen der Sommerreise des SPD-Chefs. Mit dabei auf weiten Teilen der Reise sind Ministerpräsident Erwin Sellering und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (beide SPD). Die drei bilden eine Schicksalsgemeinschaft: Im September wird in Mecklenburg-Vorpommern gewählt.

Derzeit regiert eine Große Koalition mit der CDU als Juniorpartner. Ob Sellering aber erneut Ministerpräsident werden kann, ist ungewiss: In Umfragen liegt die CDU vorne, die AfD könnte drittstärkste Kraft werden. Sollte die SPD schlecht abschneiden, würde das auch auf Gabriel abfärben. Auf seinem Weg zur Kanzlerkandidatur 2017 machen sich Niederlagen nicht gerade gut. 

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