Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat einen massiven Anstieg der deutsche Rüstungsexporte eingeräumt. In der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) wies er jedoch den Vorwurf zurück, mit seiner Politik zur Reduzierung von Waffenlieferungen gescheitert zu sein. Gabriel verwies auf nicht wiederrufbare Genehmigungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung und politisch unproblematische Exporte an Verbündete. Auf der anderen Seite sei der Export von Kleinwaffen stark gesunken. Aus der Opposition kam massive Kritik.
Laut „Welt am Sonntag“ sind die deutschen Rüstungsexporte 2015 auf den höchsten Stand seit Jahren gestiegen. Das geht nach Informationen der Zeitung aus dem jüngsten Rüstungsexportbericht hervor, den das Kabinett am Mittwoch beschließen will. Danach wurden im vergangenen Jahr Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von 7,86 Milliarden Euro erteilt.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Auftragsvolumen damit fast verdoppelt. 2014 hatte die Regierung lediglich Exporte im Wert von 3,97 Milliarden Euro genehmigt, ein Jahr zuvor 5,85 Milliarden. Damit ist die Summe nochmals höher als zuletzt erwartet. Im Februar hatte Gabriel unter Berufung auf vorläufige Berechnungen eine Exportvolumen von 7,56 Milliarden Euro genannt.
Die wichtigsten Antworten zu dem künftigen Panzerriesen
Der Verbund aus Krauss-Maffei Wegmann (KMW) aus München und Nexter mit Sitz im königlichen Pariser Vorort Versailles gehört mit gut 1,5 Milliarden Euro Umsatz zwar nicht zu den zehn größten Rüstungsriesen Europas. Doch Kant ist der größte reine Panzerhersteller der alten Welt. Rheinmetall, mit dem KMW fast alle Großprojekte wie den Leopard gemeinsam baut, macht zwar mehr Umsatz als künftig Kant. Doch die Düsseldorfer haben viele andere Produkte wie Feldlager-Abwehrsystem oder einen chemische erzeugten Nebel, der Schiffe und Autos in eine für Gegner undurchsichtige Hülle packt.
Nach Außen ist Kant ein Zusammenschluss unter Gleichen. Doch auch wenn der französische Staat und die verschwiegene Münchner-Industriedynastie Bode jeweils die Hälfte der Anteile halten, gilt die französische Seite als die Stärkere. Zum einen gilt in Paris fast jede Art von Rüstung – nicht zuletzt mangels vieler anderer starker Industriezweige – als eine nationale Kernkompetenz und genießt die ausdrückliche Rückendeckung des Staats bis hinauf zum Präsidenten. Dagegen sind Waffenbauer hierzulande eher ungeliebt. Dazu sind sich die Mitglieder der Bode-Familie nicht immer einig. Darum vermuten Branchen-Insider, dass die Bodes über kurz oder lang ihre Kant-Anteile schrittweise zu Geld machen könnten.
In einem Wort: Rüstungsexporte. Bei den ersten Fusionsgesprächen hatten KMW und Nexter angesichts sinkender Aufträge in Europa nur eine Hoffnung: durch Größe, ihr Wartungsgeschäft und als zumindest teil-französisches Unternehmen leichtere Exporte den damals scheinbar unvermeidlichen Schrumpfprozess zu verschleppen. Dieses eher triste Szenario hat sich spätestens seit dem Ukraine-Konflikt aufgehellt. Nun mehren sich selbst im rüstungskritischen Deutschland Stimmen, dass West-Europa mehr und neue Panzer braucht. So hat Deutschland nun nochmal 100 Leopard-Panzer bei KMW nachbestellt und gibt es Anzeichen, dass Deutschland und Frankreich gemeinsam bei Kant einen Nachfolger für ihre heutigen Streitwagen Leopard und Leclerc bestellen. Daran könnten sich andere Länder beteiligen und am Ende wird der Panzer dann auch in andere Teile der Welt exportiert. Und weil die Technik größtenteils von beiden Firmen entwickelt ist, bedeutet jeder Versuch Deutschlands, seine strengeren Exportvorschriften durchzusetzen einen europaweiten politischen Knatsch.
Deutsche Top-Technologie. KMW baut aus Sicht von Experten die besten Panzer der Welt. Sie gelten als besonders leistungsfähig, weil sie dank ihrer starken Dieselmotoren besonders schnell fahren und sie dank der ausgefeilten Elektronik auch bei hohem Tempo noch treffsicher schießen. Dazu schützen sie ihre Insassen besonders gut, auch dank deutschen Zulieferern wie dem Sitzhersteller Autoflug. Das macht besonders das Topmodell Leopard sehr beliebt, aber eben mit bis zu acht Millionen Euro auch für die meisten Länder zu teuer. Ähnliches gilt für die anderen Kampfwagen mit Raubtier-Namen wie der Flugabwehrpanzer Gepard oder Schützenpanzer Puma. Dazu ist KMW bei Geschützen größeren Kalibers führend.
Die Rückendeckung Frankreichs im Export und eine Stärke bei leichteren Kampfwagen sowie leichteren Geschützen. Zwar gelten auch die heutigen großen Kampfpanzer unter dem Namen Leclerc als gut. Doch angesichts der starken internationalen Konkurrenz lassen die sich trotz der Rückendeckung durch die gallische Regierung meist nur dann so richtig losschlagen, wenn sie deutsche Teile merklich aufmöbeln wie Getriebe von der MAN-Tochter Renk. Daher ist die Grundidee, für die künftigen Kant-Wagen französische Exporthilfen und je nach Geldbeutel der Kunden mehr oder weniger deutsche Technik zu kombinieren.
Beim ersten Blick in die Kataloge ergänzen sich die Partner gut. Nexter listet dort vor allem Einzelteile wie Kanonen, Sitze, Gewehre, Elektronik oder Kleingeräte zur Energieerzeugung im Feld. KMW nennt hier vor allem gepanzerte Fahrzeuge aller Größen und Systeme zur Ausbildung. Tatsächlich leben beide vorwiegend von schwerem Gerät vom geschütztem Transporter bis zum Kampfpanzer und den einträglichen Wartungsverträgen, die sie mit den Armeen ihrer Heimatländer haben. Dazu haben beide den Strukturwandel der Rüstungsbranche weitgehend verpasst. Sie haben fast keine Zivilprodukte im Angebot und fertigen fast ausschließlich im Heimatland.
Zur Begründung verwies Gabriel in der „Süddeutschen Zeitung“ auf eine Reihe von Sonderfaktoren. Dahinter steckten noch von Schwarz-Gelb erteilte Lieferzusagen wie zum Beispiel für Kampfpanzer an Katar, die er nicht rückgängig machen könne. Das Volumen der Lieferung in das Emirat, das in den Bürgerkrieg in Jemen involviert sein soll und wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in der Kritik steht, beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Euro.
Zu Buche schlagen auch vier Tankflugzeuge im Gesamtwert von 1,1 Milliarden Euro, die an den Bündnispartner Großbritannien gingen. Deren Lieferung sei völlig unproblematisch, betonte der Wirtschaftsminister. Als Erfolg hob er hervor, dass es gelungen sei, den Export von Kleinwaffen wie Maschinengewehre und Panzerfäuste auf den niedrigsten Wert seit 15 Jahren zu senken. „Diese Waffen sind besonders gefährlich, denn sie sind die Waffen der Bürgerkriege“, sagte Gabriel. Dem Bericht zufolge ging das Exportvolumen bei Kleinwaffen von 47 auf 32 Millionen Euro zurück. Die Rüstungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, warf Gabriel Versagen vor. Der Verweis auf Genehmigungen der Vorgängerregierung sei eine billige Ausrede, da die Regierung ein Rüstungsgeschäft wie das mit Katar stoppen könne, auch wenn damit Schadenersatzansprüche verbunden seien. „Ich finde es weniger schlimm, Schadenersatz zu leisten, als ein Land zu beliefern, das gerade Krieg führt“, sagte die Grünen-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“.