Silvester-Nacht in Köln Angriffe auf Frauen alarmieren Bundesregierung

In der Silvesternacht sind in Köln Dutzende Frauen sexuell belästigt und ausgeraubt worden. Das Ausmaß der Vorfälle sorgt bundesweit für Entsetzen. Justizminister Maas droht mit Konsequenzen.

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Dunkel Wolken über dem Kölner Dom: In der Silvester-Nacht gab es auf der Domplatte Angriffe auf Frauen. Quelle: dpa

Berlin Die Angriffe auf Frauen in der Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sprach auf seiner Facebook-Seite von „abscheulichen“ Übergriffen, die man nicht hinnehmen werde. „Alle Täter müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.“

In einer Pressemitteilung äußerte Maas zudem die Vermutung, dass es sich bei den Attacken um eine „völlig neue Dimension organisierter Kriminalität“ handle. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen in unseren Städten blanker Gewalt schutzlos ausgeliefert sind“, betonte der Minister.

Am Silvesterabend hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz laut Polizei etwa 1.000 Männer versammelt, die „dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum“ stammen. Dies hätten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt. Ähnlich hatten sich die Polizei und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Pressemitteilungen geäußert.

Aus der Menge bildeten sich demnach Gruppen von mehreren Männern, die Frauen umzingelt, bedrängt und ausgeraubt haben sollen. Polizeipräsident Wolfgang Albers sprach am Montag von Sexualdelikten in sehr massiver Form und einer Vergewaltigung. Bis Montag lagen der Polizei 60 Anzeigen vor.

Die Kölner Polizei steht in der Kritik, nicht schnell und angemessen reagiert zu haben, Präsident Albers rechtfertigte sich: „Es gibt in Köln keinen rechtsfreien Raum. Wir waren mit starken Kräften im Einsatz.“ Oberbürgermeisterin Henriette Reker setzte für heute ein Krisentreffen an. Daran sollen unter anderem die Kölner Polizei, die Bundespolizei und Stadtdirektor Guido Kahlen teilnehmen.

Politik und Sicherheitsbehörden vor Ort stehen unter großen Druck. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) fordert eine umfassende Aufklärung der Vorfälle. „Dazu sind alle Verantwortlichen aufgerufen, und es ist zu klären, wie es dazu kommen konnte“, sagte Dreyer zu „Spiegel Online“. „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist dies eine Ungeheuerlichkeit und unfassbar.“ Dreyer: „Es wäre eine komplett neue Dimension, die in keiner Weise toleriert werden darf und auf die mit aller Härte reagiert werden muss.“


„Wo ist eigentlich der #aufschrei“

Die SPD-Politikerin betonte in diesem Zusammenhang, dass Täter und Taten unabhängig von Religion und Herkunft ermittelt und bestraft würden. Dreyer fügte hinzu: „Die mutmaßlichen Täter von Köln haben den Opfern und dem friedlichen Zusammenleben in Deutschland sehr geschadet.“

Mit Entsetzen reagierte auch die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner. „Gewalt, Belästigungen, Feuerwerkskörper in Menschenmengen schießen sind kein Spaß, sondern besorgniserregend“, schrieb die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz auf Twitter.

Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, kritisierte, dass gegen die Übergriffe zunächst nicht lautstark protestiert wurde. „Wo ist eigentlich der #aufschrei, wenn es wirklich einen braucht?“, fragte Spahn bei Twitter. „Bei Dirndlwitzen lautstarke Helden überall, jetzt aber betretenes Schweigen.“

Klöckners Parteifreund und NRW-CDU-Chef Armin Laschet attackierte den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Sonst hört man von Innenmin. Jäger zu allem und jedem markige Worte, aber jetzt herrscht Schweigen #unterwertregiert!“, schrieb Laschet bei Twitter.

Jäger schaltete sich dann via Kölner „Express“ in die Debatte ein und erklärte, es sei notwendig, dass die Polizei konsequent ermittle und zur Abschreckung Präsenz zeige. „Wir nehmen es nicht hin, dass sich nordafrikanische Männergruppen organisieren, um wehrlose Frauen mit dreisten sexuellen Attacken zu erniedrigen.“

Ähnlich äußerten sich die Grünen. „Wir verurteilen Übergriffe und Gewalt gegen #Frauen und fordern umfassende Aufklärung in #Koeln. Es darf keine rechtsfreien Räume geben“, twitterte die Bundesvorsitzende Simone Peter.

Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß erklärte, Vorfälle wie in Köln dürften sich nirgendwo wiederholen. „Frauen (& Männer) dürfen keine Angst haben müssen, sich öffentlich frei zu bewegen“, schrieb Stöß bei Twitter.
Köln ist jedoch offenbar kein Einzelfall. Auch die Polizei in Hamburg ermittelt wegen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht.

Die Opfer seien jeweils von mehreren Männern an der Reeperbahn umringt und an der Brust oder im Intimbereich angefasst worden, sagte Polizeisprecher Holger Vehren am Dienstag. Zugleich hätten ihnen die Täter Handys, Papiere und Geld weggenommen. Es gehe um neun Fälle von sexueller Beleidigung, Raub und räuberischem Diebstahl.

Die Kölner Polizei kündigte derweil mit Blick auf den bevorstehenden Karneval an, alles dafür zu tun, damit sich solch ein Vorfall nicht wiederholt. „Das sind wir den Frauen schuldig und zugleich den nordafrikanischen Flüchtlingen, die friedlich bei uns leben wollen“, sagte NRW-Innenminister Jäger.

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