Silvesternacht in Köln „Das hat mich schockiert“

NRW-Innenminister Ralf Jäger weist nach dem Köln-Fiasko den Vorwurf zurück, sein Ministerium habe versagt. Stattdessen geht er hart mit der Kölner Polizei ins Gericht. Und kündigt Konsequenzen für den Karneval an.

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Ralf Jäger hat nicht an einen Rücktritt nach dem Köln-Fiasko gedacht. „Das hat mich schockiert“, sagte er. Es habe aber „nicht zu Zweifeln geführt, als Innenminister in diesem Land weiter Verantwortung tragen zu wollen.“ Quelle: dpa

Düsseldorf/Berlin Ralf Jäger steht seit den Vorfällen in Köln öffentlich in der Kritik: Doch der NRW-Innenminister (SPD) will davon nichts wissen und hat die Verantwortung seines Ministeriums für den unzureichenden Polizeieinsatz zurückgewiesen. Die Schuld liege bei den Einsatzkräften in Köln, so Jäger: „Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel“, sagte Jäger am Montag in einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses in Düsseldorf. Daraus sei aber kein Versagen seines Ministeriums abzuleiten.

Der Innenminister musste sich am Montag vor dem Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags verantworten. Auch der vom Innenministerium vorgelegte Bericht zur Silvesternacht soll verdeutlichen, dass die Schuld nicht bei Jäger liegt. Von „Mängeln in der behördeninternen Kommunikation“ und „unzureichendem Informationsaustausch“ zwischen den beteiligten Polizeibehörden ist darin die Rede.

Der Kölner Polizei warf der NRW-Innenminister vor allem vor, während des Einsatzes keine zusätzlichen Polizeikräfte angefordert zu haben – obwohl diese Kräfte zur Verfügung gestanden hätten. Dies sei eine „fachliche Fehlentscheidung“ gewesen. Die Polizei in der Domstadt habe von etwa 21 Uhr bis in den Vormittag des Neujahrstags hinein „kein einheitliches Bild der Lage in ihrer Behörde“ gehabt. Und jene vieldiskutierte Pressemitteilug vom Neujahrsmorgen, in der die Silvesternacht als friedlich beschrieben wurde, hätte nicht herausgegeben werden dürfen.

Viel von dem, was Jägers Polizeiinspekteur an diesem Vormittag zu Protokoll gibt, ist schon aus Medienberichten bekannt. Aufhorchen lässt erstmals die Statistik der bisherigen Ermittlungen: 516 Strafanzeigen liegen vor, 237 wegen Sexualstraftaten, wovon wiederum 107 mit Diebstählen verbunden waren. Später gibt es dazu noch mal ein detailliertes Update, denn täglich melden sich weitere Opfer: Nun sind es schon 247 Fälle von Sexualdelikten, 119 davon wegen Beleidigung oder Begrapschen, 128 davon wegen sexueller Nötigung gemäß §177 Strafgesetzbuch – darunter zwei Fälle von Vergewaltigung und zwei Fälle von versuchter Vergewaltigung. 135 Ermittler arbeiten mittlerweile an der Aufklärung der Fälle, 19 Tatverdächtige haben sie mittlerweile ermittelt.


Opposition kritisiert Innenminister scharf

Zudem stellte Jäger fest, dass nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen unter den Verdächtigen auch Flüchtlinge aus dem letzten Jahr seien. Der NRW-Innenminister wandte sich dagegen, bestimmte Gruppen jetzt „als Sexualstraftäter zu stigmatisieren“. Dies „wäre nicht nur falsch, sondern auch gefährlich“.

Jäger fügte jedoch hinzu, dass rechtsfreie Räume nicht geduldet würden. „Wir nehmen es nicht hin, dass Männer aggressive perverse und gewalttätige Dominanz ungestraft ausleben.“ Es sei „völlig egal, ob diese Männer einen arabischen, einen afrikanischen oder deutschen Pass besitzen. Ob sie hier geboren, aufgewachsen oder gerade erst eingereist sind“.

Auch in der anschließenden Befragung weist Jäger weiter alle Schuld von sich – zum Missfallen der Opposition. Als Innenminister sei er „verantwortlich für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Gregor Golland. Jäger könne nicht den schwarzen Peter hin- und herschieben, meint zum Beispiel Marc Lürbke (FPD): „Es ist Ihr Ressort, Ihre Verantwortung.“ Jäger hält energisch dagegen: „Das Ministerium führt nicht das operative Geschäft“, kein Innenminister könne oder wolle in die operativen Belange der Polizeiarbeit vor Ort eingreifen.

Daher sieht er auch keinen Anlass für einen Rücktritt, wie er auf eine entsprechende Frage antwortete: „Das ist ein außergewöhnliches Ereignis, das jeden Innenminister mitnimmt, dass Frauen als Objekt erniedrigt wurden“, so Jäger. „Das hat mich schockiert. Es hat nicht zu Zweifeln geführt, als Innenminister in diesem Land weiter Verantwortung tragen zu wollen."

Beim Polizei-Einsatz im Karneval will Jäger Konsequenzen aus dem Silvester-Debakel in der Dom-Stadt ziehen. Vor allem werde dafür gesorgt werden, dass Frauen sich im Karneval sicher fühlen könnten, sagte Jäger am Montag nach einer Sitzung des Innenausschusses zum Kölner Silvester-Fiasko im Düsseldorfer Landtag. Es werde deutlich mehr Polizei und mehr Video-Überwachung geben. Nachdem er den bisherigen Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand versetzt habe, werde er eine neue Behördenleitung einsetzen, die die organisatorischen Mängel abstelle.

Mit Material von dpa

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