Silvesternacht in Köln und Hamburg 150 Frauen stellen Strafanzeige

Mehr als 150 Frauen in Köln und Hamburg haben Anzeige erstattet, weil sie in der Silvesternacht belästigt wurden. Die Polizei hat mehrere Verdächtige ermittelt – aber noch niemanden festgenommen.

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Kölner Bahnhof in der Silvesternacht Quelle: dpa

Fast eine Woche nach den massiven Übergriffen auf Dutzende Frauen in Köln und Hamburg wird das ganze Ausmaß der Silvesternacht bekannt: Inzwischen wurden in Köln mehr als 100 Anzeigen erstattet, in Hamburg über 50. Dutzende Frauen sollen ausgeraubt oder belästigt, zwei vergewaltigt worden sein.
Die Polizei hat mittlerweile eine erste Spur. Drei mutmaßliche Täter wurden nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Ralf Jäger (SPD) ermittelt, festgenommen wurde aber niemand. Die Männer könnten zu einer größeren Gruppe gehören, die in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof Frauen belästigt, misshandelt und ausgeraubt haben soll. Unterdessen prüft die Polizei eine mögliche Absprache vor den Übergriffen in Köln und ähnlichen Vorfällen in Hamburg. „Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein,“ sagte Bundesjustizminister Heiko Maas am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „Es wäre schön, wenn das keine Organisierte Kriminalität wäre, aber ich würde das gerne mal überprüfen, ob es im Hintergrund Leute gibt, die so etwas organisieren.“ So etwas geschehe nicht aus dem Nichts, es müsse jemand dahinterstecken.

Hintergründe zu den Übergriffen in Köln

Hamburger Ermittler gehen bislang nicht von Verbindungen aus. Auf der Reeperbahn wurden Frauen nach Polizeiangaben jeweils von mehreren Männern umringt und an der Brust oder im Intimbereich begrapscht. Inzwischen gingen nach Polizeiangaben in Köln mehr als 100 Anzeigen von mutmaßlichen Opfern ein, davon haben drei Viertel einen sexuellen Hintergrund. „Viele Frauen geben in den Gesprächen an, dass sie auch angefasst wurden“, sagte eine Polizeisprecherin. Zwei Drittel der Opfer seien zum Feiern in die Domstadt gereist, hieß es.

Die sexuellen Übergriffe in Hamburg sind laut Polizei zum Teil von arabisch-sprechenden Männern begangen worden. Das hätten Zeugenaussagen ergeben, sagte Polizeivizepräsident Reinhard Fallak am Mittwoch dem „Hamburger Abendblatt“. Er korrigierte damit frühere Angaben, wonach alle Frauen übereinstimmend gesagt hätten, dass es sich bei den Tätern um arabisch-sprechende junge Männer aus dem nordafrikanischen Raum gehandelt habe.

Die Polizei spricht von einer sehr schwierigen Beweisführung. Das liege vor allem an der „Gemengelage“ in der Silvesternacht. Vor allem Polizei und Stadtspitze standen auch am Mittwoch in der Kritik. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bemängelte in den ARD-„Tagesthemen“ den Einsatz der Kölner Beamten: „Da wird der Platz geräumt - und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann die Polizei nicht arbeiten.“

Die Kölner Polizeiführung räumte zwar ein, am Neujahrsmorgen falsch über die Ereignisse der Nacht berichtet zu haben. In einer Erklärung hatte sie die Lage zunächst als recht entspannt beschrieben und sich selbst gelobt. Kritik am Einsatz wies sie allerdings zurück. „Wir waren nicht überfordert“, sagte Polizeipräsident Wolfgang Albers. Das ganze Ausmaß der Vorfälle sei erst später klar geworden. Einen Rücktritt schließt Albers aus. Auf die Frage, ob er im Amt bleibe, sagte er am Mittwoch in einem Interview auf WDR 5: „Aber natürlich. Gerade jetzt bin ich, glaube ich, hier gefragt.“
Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) muss sich gegen Vorwürfe wehren. Sie zog mit einer Verhaltensempfehlung an Frauen Spott im Internet auf sich. „Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft“, hatte sie vor Journalisten auf die Frage geantwortet, wie man sich als Frau besser schützen könne. Unter dem Hashtag #einearmlaenge häuften sich daraufhin spöttische Kommentare. Justizminister Maas schrieb auf Twitter: „Nicht Frauen tragen Verantwortung, sondern Täter.“

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