Skandal um Edathy Hans-Peter Friedrich tritt zurück

Agrarminister Hans-Peter Friedrich ist zurückgetreten. Seine Erklärung vor der Presse gestaltete sich sehr knapp. Aktuell trifft sich die CSU-Spitze zum Krisengespräch. Erstmals bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass es sich bei den Ermittlungen gegen Edathy um den Verdacht des Besitzes von Kinderpornografie handelt.

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Die Rücktrittsforderungen gegen Bundesminister Hans-Peter Friedrich wurden am Freitag immer lauter. Jetzt wird der Minister sein Amt niederlegen. Quelle: dpa

Drei Monate nach ihrem Amtsantritt steht die schwarz-rote Bundesregierung vor ihrem ersten Ministerrücktritt. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) werde noch im Laufe des Freitag im Zusammenhang mit der Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy seinen Rücktritt erklären, erfuhr Reuters aus Regierungskreisen. Friedrich hatte im Oktober 2013 als Innenminister SPD-Chef Sigmar Gabriel informiert, dass Edathys Name auf einer Liste im Rahmen internationaler Ermittlungen stehe. Die Staatsanwaltschaften in Hannover und Berlin prüfen, ob Friedrich damit Dienstgeheimnisse verraten haben könnte.

Nur wenige Tage nach Bekanntwerden der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kinderpornografie gegen Edathy hat die Affäre damit die Koalition von CDU, CSU und SPD in eine Belastungsprobe gestürzt. Aus der CSU wurden Vorwürfe gegen die SPD laut: "Die SPD hat den Friedrich ans Messer geliefert", sagte ein CSU-Parlamentarier der Nachrichtenagentur Reuters. Die Verärgerung über den Koalitionspartner sei groß. Vereinzelt gebe es Stimmen, nun müsse auch bei der SPD ein Kopf rollen.

Im Visier hat die CSU vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Dieser hatte am Donnerstag publik gemacht, Friedrich habe Gabriel im Oktober darauf angesprochen, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name von Edathy aufgetaucht sei. Der Schritt Oppermanns an die Öffentlichkeit war nach Angaben der SPD aber mit Friedrich persönlich abgestimmt: "Oppermann hat mit Friedrich gesprochen", sagte ein Sprecher. "Sie waren sich einig, dass eine Erklärung veröffentlicht werden soll."

Als eine mögliche Nachfolgerin Friedrichs als Agrarministerin wurde in CSU-Kreisen deren Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler genannt. Die 58-jährige Fränkin ist seit kurzem Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

Staatsanwaltschaft bestätigt Kinderpornoverdacht

Sebastian Edathy soll sich laut den Ermittlern aus Kanada Filme und Bilder mit unbekleideten Jungen besorgt haben. Quelle: dpa


Die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte erstmals, dass sie gegen Edathy wegen des Verdachts des Besitzes von Kinderpornos ermittele. Nach Durchsuchungen von Wohnungen und Büros gehe die Anklagebehörde "bisher davon aus, dass die Strafbarkeitsschwelle hier noch knapp unterschritten ist". Edathy habe nach Erkenntnissen seiner Behörde zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop eines kanadischen Unternehmens insgesamt 31 Filme und Fotosets von unbekleideten Jungen zwischen neun und 14 Jahren bestellt.

Der Leiter der Anklagebehörde, Jörg Fröhlich, kritisierte, dass Informationen über den Fall Edathy bereits im Oktober 2013 von Friedrich an die SPD-Spitze gegeben wurden: "Ich darf nochmals betonen: Wir sind fassungslos."

Kinderpornografie in Deutschland

Ins Rollen kam die ganze Affäre erst vor wenigen Tagen: Am 8. Februar teilte Edathy für die breite Öffentlichkeit überraschend mit, dass er am Tag zuvor sein Bundestagsmandat "aus gesundheitlichen Gründen" niedergelegt habe. Der Zeitpunkt war womöglich kein Zufall: Wie die Staatsanwaltschaft Hannover am Freitag mitteilte, hatte sie am 6. Februar ein Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) abgeschickt, in dem sie ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy ankündigte. Dieses Schreiben soll erst am 12. Februar beim Bundestag eingetroffen sein.


Juristen sind sich über Friedrichs Verhalten uneinig

Sebastian Edathy (r) begrüßt Ende 2012 Hans-Peter Friedrich. Quelle: dpa

Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Hannover prüfen derzeit noch die Einleitung förmlicher Ermittlungen gegen Friedrich wegen Geheimnisverrats. Neben der strafrechtlichen Bewertung müsste auch geklärt werden, welche der Behörden ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Innen- und heutigen Agrarminister einleiten würde, teilten die Behörden mit. Nach dem Tatortprinzip wäre Berlin zuständig, weil Friedrich dort seinen Sitz hat. Legt man den sachlichen Zusammenhang zugrunde, wäre das Verfahren ein Fall für Hannover, weil hier gegen Sebastian Edathy ermittelt wird.

Die Jungen Liberalen forderten bereits am Donnerstag die Einrichtung eines Bundestags-Untersuchungsausschusses. Auch Linke-Chef Riexinger sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Wenn die offenen Fragen nicht schnell und plausibel beantwortet werden, wird das Parlament alle ihm zur Verfügung stehenden Aufklärungsinstrumente zu nutzen wissen.“ Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, forderte in den „Kieler Nachrichten“: „Hans-Peter Friedrich muss klipp und klar erklären, wer wann was wusste.“ Ihre Parteikollegin Renate Künast sprach in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ von einem „Stück aus dem Tollhaus“.

Juristen sind sich bei der Bewertung des Verhaltens von Friedrich uneinig. Der Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Joachim Wieland, sieht kein Fehlverhalten des heutigen Bundesagrarministers: „Der Innenminister durfte den SPD-Vorsitzenden Gabriel über mögliche Ermittlungen gegen Herrn Edathy informieren„, sagte Wieland „Handelsblatt Online“ am Freitag. Abgeordnete hätten ein Recht auf Information gegenüber der Exekutive aus Grundgesetz-Artikel Art. 38 Absatz 1. „Dementsprechend sind Regierungsmitglieder zur Weitergabe auch geheimer Informationen berechtigt.“ Die Abgeordneten seien allerdings aus ihrem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis heraus verpflichtet, ihnen von der Regierung mitgeteilte Geheimnisse geheim zu halten.

Der Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Battis sagte dagegen im RBB-Inforadio, er halte es für eindeutig, dass Friedrich ein Amtsgeheimnis weitergegeben habe. „Jeder Angehörige des öffentlichen Dienstes bekommt eingebleut, dass er keine Amtsgeheimnisse verraten darf. Und wenn das dann der Oberste tut, ist der Schaden da.“ Ob dies allerdings strafrechtlich relevanter Geheimnisverrat sei, müsse man erst prüfen.

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart sagte der „Welt“: „Die Informationen hätten im Innenministerium bleiben müssen.“ Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, geht hingegen davon aus, dass Gabriel und Oppermann „mit den Informationen des Bundeskriminalamts verantwortungsvoll umgegangen sind“. „Alles andere sind Verschwörungstheorien“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Edathy hatte am vergangenen Freitag nach über 15 Jahren im Bundestag sein Mandat niedergelegt und dafür gesundheitliche Gründe genannt. In einer Erklärung betonte der 44-Jährige: „Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr.“ Ein strafbares Verhalten liege nicht vor, erklärte Edathy. Er warf der Staatsanwaltschaft Hannover vor, die Razzien seien unverhältnismäßig gewesen.

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