„So reden nur politische Extremisten“ Polizeigewerkschaft empört über Drohungen aus Athen

Die griechische Regierung baut eine Flüchtlings-Drohkulisse auf, weil sie sich von der EU nicht ausreichend unterstützt sieht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft ist empört und sieht Brüssel am Zug, darauf zu reagieren.

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Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt: „Die politische Laienspielgruppe an der Spitze Griechenlands scheint sich noch nicht als wirklich ernst zu nehmende Regierung eines seriösen Staates gefunden zu haben.“ Quelle: dpa

Berlin Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat drastische Konsequenzen gegen Griechenland ins Spiel gebracht, sollte der griechische Vize-Innenminister Giannis Panousis seine Drohung wahrmachen und bis zu 500.000 illegale Immigranten in andere europäische Länder weiterschicken. „Mit Flüchtlingen zu drohen, zeigt ein Menschenverständnis, das in der Wertegemeinschaft der EU eigentlich nichts zu suchen hat, so reden eigentlich nur politische Extremisten“, sagte Wendt dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

„Wenn die Drohungen dieses griechischen Ministers tatsächlich auch realisiert würden, müssten die europäischen Regierungen sicher rasch handeln und sowohl die unverzügliche Aufnahme von Grenzkontrollen für Reisen aus Griechenland in die EU als auch den Rauswurf Griechenlands aus der Schengen-Zone erwägen.“ Wendt riet allerdings auch, die Politik solle sich zunächst nicht provozieren lassen. „Die politische Laienspielgruppe an der Spitze Griechenlands scheint sich noch nicht als wirklich ernst zu nehmende Regierung eines seriösen Staates gefunden zu haben.“

Panousis hatte diese Woche im Fernsehsender „Skai“ eine stärkere Unterstützung von anderen EU-Ländern bei der Versorgung von Flüchtlingen gefordert und angekündigt: „Wenn die Europäer nicht verstehen, was wir ihnen sagen, werden wir Reisedokumente an 300.000 Migranten verteilen, die dann Europa überfluten.“ Im griechischen Rundfunk hatte Panousis auch die Zahl von 500.000 Flüchtlingen genannt, die weitergeschickt werden könnten. Das wären in etwa alle illegalen Immigranten, die sich Schätzungen zufolge derzeit in Griechenland aufhalten.

Wendt erklärte dazu, dass der Minister auf ein Problem hinweise, das nicht nur mit Griechenland zu tun habe. Es gehe um die „Unfähigkeit und Unwilligkeit mancher südlicher Anrainerstaaten der EU, ihre Verpflichtungen aus den getroffenen Abkommen auch zu erfüllen, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen und zu behandeln und Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Regeln abzuarbeiten“, sagte der Polizeigewerkschafter. „Es war eben ein großer Fehler zu glauben, man müsse dies nur schriftlich vereinbaren, finanzielle Mittel bereitstellen und dann würde das schon funktionieren, wieder einmal ist Politik an der Realität gescheitert.“


Bundesregierung fühlt sich nicht zuständig

Wendt betonte, dass der Schengen-Verbund nur dann ein erfolgreiches Konzept sei, wenn alle Beteiligten sich daran hielten. „Es ist eine wertvolle Grundlage für europäische Zusammenarbeit“, sagte er. Denn es ermögliche nicht nur einen „umfangreichen“ Datenaustausch, sondern regle auch Probleme, die sich beispielsweise aus Wanderungsbewegungen und sozialen Verwerfungen ergeben. Und es helfe nicht zuletzt auch, die Gefahrenabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung „effektiver“ zu organisieren.

Das Bundesinnenministerium wollte die Äußerungen von Panousis nicht kommentieren. Ein Sprecher sagte: Die Forderungen Athens richteten sich an Brüssel und nicht an die Bundesregierung.

Panousis ist parteilos, steht aber dem Linksbündnis Syriza nahe. Er hatte kürzlich bereits die sogenannte Dublin-III-Verordnung zu Flüchtlingen in der EU als falsch bezeichnet. Die Regelung sieht vor, dass jeweils jenes EU-Land für einen Flüchtling zuständig ist, in das der Asylsuchende zuerst einreist. Das heißt, dass Griechenland Flüchtlinge nicht einfach in andere EU-Länder weiterschicken darf.

Panousis forderte, die Immigranten gleichmäßiger in Europa und vor allem auch unter Berücksichtigung der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder zu verteilen.
Griechenland steht wegen der harschen Behandlung von Flüchtlingen seit längerem in der Kritik. Vor einem Monat forderte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), rassistische Attacken auf Asylsuchende müssten unterbunden werden. Zudem seien die die Unterkünfte für Asylsuchende völlig unzureichend. Teilweise müssten Asylsuchende sogar monatelang bis zur Bearbeitung ihres Antrags im Gefängnis sitzen.

Pro Asyl forderte die neue Regierung in Athen auf, keine Flüchtlinge mehr festzunehmen und niemanden an den Grenzen abzuweisen. Die Menschenrechtsorganisation sprach sich zudem für eine Aufhebung des Dublin-Systems aus.

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