Dreieinhalb Monate hat es gedauert, ehe Berlin auf die EU-Reformvorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geantwortet hat. Als wollten die Sondierer von CDU, CSU und SPD sich für die lange Zeit entschuldigen, haben sie Europa eine ausführliche Passage an prominenter Stelle gewidmet. Bemerkenswert sind die Anmerkungen zu Europa aber nicht nur wegen ihrer Platzierung gleich zu Beginn des Papiers. Die aufgezählten Punkte sind inhaltlich brisant – und lesen sich über weite Strecken, als wären sie direkt in Brüssel verfasst worden. Deutsche Interessen sind da offenbar nur Nebensache.
In der langen Aufzählung geht ein Punkt mit besonderer Sprengkraft beinahe unter: die künftige Rolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die Sondierer schlagen vor, den ESM zu „einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds“ weiterzuentwickeln, „der im Unionsrecht verankert sein sollte“. Das klingt harmlos, gibt aber die vom früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eisern verfochtene Position auf, wonach der ESM in der Regie der Eurostaaten verbleiben soll. Ein Übergang in Unionsrecht würde bedeuten, dass künftig das Europäische Parlament und nicht mehr der Bundestag über neue Rettungsprogramme entscheidet. Seit der Griechenlandkrise diente die Zustimmung des Bundestags und anderer nationaler Parlamente immer der Beruhigung der Bürger. So lange der Bundestag ein Vetorecht habe, so die Logik, werde das Geld aus dem ESM nicht leichtfertig vergeben.
In Berlin wird gestreut, dass auch künftig die Zustimmung des Bundestags notwendig sein wird bei Rettungsprogrammen. Wie sich das allerdings mit dem Übergang in Unionsrecht vereinbaren lässt, ist schleierhaft. Und wenn den Sondierern das Veto des Bundestags angeblich so wichtig ist, warum haben sie es nicht ausbuchstabiert? Ein weiterer Satz hätte auf den 28 Seiten sicher noch Platz gefunden.