Spaltung der Südwest-AfD Die AfD demobilisiert sich selbst, das Problem bleibt

Die Demontage der AfD ist das Ergebnis eines destruktiven Machtkampfs zwischen Frauke Petry und Jörg Meuthen. Doch selbst wenn die Partei zugrunde gehen sollte, bleibt das Problem, das sie nach oben brachte.

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Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Quelle: dpa

Die AfD zerlegt sich selbst. Die Spaltung der Stuttgarter Landtagsfraktion, der Austritt von Jörg Meuthen und dessen Gründung einer neuen Fraktion namens Alternative für Baden-Württemberg sind das Ergebnis zweier Kämpfe innerhalb der jungen Partei: eines Richtungs- und vor allem eines Machtkampfes.

Zunächst sollte man sich erinnern: Vor einem Jahr sind etwa 600 moderate AfD-Mitglieder des Lucke-Flügels in Baden-Württemberg ausgetreten. Ein großer Teil von ihnen war bis dahin sehr aktiv.  Seit dieser Spaltung stellt der rechte Flügel daher vermutlich eine Mehrheit der aktiven AfDler. Für die AfD-Fraktion gilt dasselbe. Zu diesem Flügel gehört auch Wolfgang Gedeon, an dem sich der Konflikt entzündete.

Dass sein Buch als antisemitisch einzustufen ist, erscheint offenkundig. Die so genannten „Protokolle der Weisen von Zion“ nicht klar und deutlich als antisemitische Fälschung zu benennen und Holocaust-Leugner mit dem positiv besetzten Ausdruck „Dissidenten“ zu benennen, ist, wenn schon nicht strafbar, so doch eine deutliche Offenbarung antisemitischen Denkens. Dass man einen solchen Mann überhaupt zur Wahl stellte, ist schon bedenklich. Sein Buch war und ist schließlich öffentlich.

Diejenigen AfD-Abgeordneten, die gegen den erklärten Willen des bisherigen Fraktionschefs Jörg Meuthen den Rauswurf Gedeons stur verhinderten, haben letztlich der AfD mehr Schaden zugefügt, als jeder politische Gegner in den verhassten „Altparteien“. Sie ließen letztlich Meuthen keine andere Wahl, als seinerseits die Fraktion zu verlassen. Zurück bleibt nach dieser Eskalation ein Scherbenhaufen.

Petry als konsequente Macchiavellistin

Warum hat Parteichefin Frauke Petry sich nicht eindeutiger auf Meuthens Seite gegen den Antisemiten Gedeon geschlagen? Vermutlich, weil ihr die Demontage ihres parteiinternen Rivalen Meuthen wichtiger ist als das Ansehen der AfD. Petry, so hört man längst aus AfD-Kreisen ist an politischen Richtungsfragen vor allem so weit interessiert, wie sie ihre Macht in der Partei betreffen.

Ähnliches gilt aber auch für Meuthen. Er hat sich mit den beiden anderen AfD-Größen Alexander Gauland (Brandenburger Fraktionschef) und Björn Höcke (Thüringer Fraktionschef) gegen Petry verbündet. Gauland sagt man nach, dass er Spitzenkandidat für die Bundestagswahlen werden will - und dafür ebenso wie Meuthen alle Bedenken über Bord warf, sich mit dem Rechtsaußen Höcke gegen Petry zu verbünden.

Petry, selbst keine ideologische Hardlinerin sondern konsequente Macchiavellistin nahm die Affäre Gedeon als Gelegenheit wahr, Meuthen zu beschädigen. Lieber eine zerrissene AfD als eine AfD, die von nicht von ihr selbst, sondern von Meuthen oder anderen geführt wird, scheint ihre Devise zu sein. Für den Wählerzuspruch, so scheint das Kalkül der Kontrahenten auf beiden Seiten zu sein, sorgt im Zweifel ohnehin die Unzufriedenheit mit den Regierenden eher als die Überzeugungen der eigenen Mandatsträger.

Zufrieden können über die Selbstzerfleischung vor allem die Regierenden in Stuttgart und in Berlin sein. Denn die Macht erringt und verteidigt man in der gegenwärtigen Parteiendemokratie nicht so sehr durch aktiven Zuspruchsgewinn von Wählern, sondern dadurch dass die anderen Parteien mehr Zuspruch verlieren. Merkel ist bekanntlich die Meisterin einer solchen Strategie der asymetrischen Demobilisierung. Die AfD hat sich nun selbst ein Stück weit demobilisiert. 

Dass die AfD endgültig erledigt ist, scheint aber unwahrscheinlich. Denn die Partei ist weniger bedeutend als ihre Wähler. Der Erfolg der AfD ist nur ein Symptom von grundlegenden Problemen und verdeckten Interessenkonflikten in diesem Land. Mit der (Selbst-)Zerstörung der Partei wären diese nicht beseitigt. Dieses Problem ist – politologisch ausgedrückt - die Repräsentanzlücke im Bundestag. Die etablierten Parteien haben bei  ihrem Schulterschluss in den zentralen und grundsätzlichen politischen Fragen – Einwanderung/Asyl, Euro/Europa, Energiewende – alle Warnsignale derer ignoriert, die mit dem Allparteienkonsens der Alternativlosigkeit nicht einverstanden waren und bleiben. 

Für Wähler, die sich im verengten Spektrum der etablierten Parteien nicht mehr aufgehoben fühlen, aber radikalen Sektierern und Spinnern oder gar Antisemiten wie Gedeon ihre Stimme nicht geben wollen, wird die politische Heimatlosigkeit zum frustrierenden Dauerzustand. Das sind Millionen Menschen. Um die sollten sich die Politiker aller Parteien mehr sorgen als um die AfD. 

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