SPD-Agentur Rent a Sozi?

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35.000 Euro für einen „parlamentarischen Abend“

Dem Bericht zufolge nahm Justizminister Heiko Maas an zwei „Vorwärts-Gesprächen“ teil, zuletzt am 12. Oktober 2016. Sponsor dieses Treffens zum Thema „Datenschutz in der digitalen Welt“ sei demnach die niederländische Bank ING-DiBa gewesen. Er habe von einem Sponsoring nichts gewusst, sagte Maas gegenüber dem Magazin. „Die Frage, wie solch eine Veranstaltung zustande kommt, wer teilnimmt, wer sie organisiert und wer sie finanziert, ist jetzt nicht das Thema für mich“, sagte Maas. Zweck des Treffens sei ein Kennenlernen gewesen, teilt die ING-DiBa auf Nachfrage mit. Eine Gegenleistung des Ministers erwarte die Bank nicht.

Die SPD-Agentur NWMD bietet laut Recherchen auch einen „parlamentarischen Abend“ gegen Geld an. Bei diesen Treffen sollten Mitglieder des Bundestages, deren Büroleiter sowie Abteilungs- und Referatsleiter aus verschiedenen Ministerien zugegen sein. Konkret liegt dem ZDF ein Angebot über 35.000 Euro vor.  Michael Koß, Experte für Parteienfinanzierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, hält solche Angebote für problematisch. Hier würden Verwaltungspersonen oder Referatsleiter beworben. „Wer die direkt beeinflussen kann, der spart sich eine Menge Mühe. Die schreiben am Ende das Gesetz.“ Dagegen, dass sich Politiker und Verwaltungsbeamte Interessen anhörten, sei grundsätzlich nichts einzuwenden, führte Koß aus. „Dass dafür dann Geld bezahlt wird, Geld, dass vielleicht andere Interessen nicht haben, das ist sehr fragwürdig.“ Die NWMD teilte auf Nachfrage mit, dass „derartige Veranstaltungen nicht stattgefunden“ hätten.

Gegenüber Frontal21 legte die SPD Teile ihrer Sponsoreneinnahmen offen. So kassierte die Partei allein auf ihrem letzten Parteitag im Dezember 2015 knapp 550.000 Euro von Sponsoren. Wer wie viel zahlte, wollte die SPD „aus vertragsrechtlichen Gründen“ nicht mitteilen.

Scharfe Kritik äußerte die Organisation LobbyControl. „Politik darf nicht käuflich sein oder auch nur den Anschein erwecken, käuflich zu sein“, erklärte deren Campaignerin Christina Deckwirth. Sie warf der SPD vor, sie verschaffe mit ihrem Vorgehen „zahlungskräftigen Lobbyisten exklusiven Zugang zur Politik“. 

LobbyControl wies in einer Erklärung darauf hin, dass Transparenzlücken im Parteiengesetz Skandale wie diesen begünstigten. Insbesondere das Parteiensponsoring sei ein Schlupfloch für intransparente Geldflüsse an Parteien. „Das Sponsoring ist so etwas wie die Dunkelkammer der Parteienfinanzierung in Deutschland“, sagt Annette Sawatzki, Expertin für Parteienfinanzierung bei LobbyControl. Dieser Missstand sei seit Jahren bekannt. Trotzdem blockierten Union und SPD Transparenz und klare Regeln in diesem Bereich. 

Eine Stellungnahme der SPD lag zunächst nicht vor. Parteichef Sigmar Gabriel wurde aber von „Frontal21“ mit den Worten zitiert, er wisse nichts von solchen gesponserten Gesprächen und habe auch nie an solchen teilgenommen.

Die NWMD teilte am Dienstag mit, in dem Bericht seien "wesentliche Fakten" ausgeblendet worden. So habe die Vorwärts-Gruppe von 2012 bis 2015 keine Gewinne an die ddvg abgeführt. Das habe ein Wirtschaftsprüfer bestätigt. Auch seien Gespräche nicht exklusiv für Sponsoren gewesen.

Im Zuge der „Rent-a-Rüttgers“-Affäre 2010 kritisierte der SPD-Vorsitzende eine solche Sponsoring-Praxis scharf. „Wir verkaufen keine Amtsträger und auch nicht die Partei an andere Leute, die genug Geld haben. Das gilt für die deutsche Sozialdemokratie“, sagte Gabriel damals.

Mit Material von AFP.

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