SPD-Chef Gabriel zur BND-Affäre „Das, was hier passiert ist, ist schon skandalös“

Die Affäre um Hilfsdienste des BND für die Kollegen von der NSA belastet Arbeit der großen Koalition zunehmend. Das Kanzleramt soll längst Bescheid gewusst haben. Vizekanzler Gabriel spricht von skandalösen Zuständen.

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Es knirscht in der Koalition: Die SPD verlangt von Kanzlerin Angela Merkel Aufklärung in der BND-Affäre. Quelle: ap

Berlin Vize-Kanzler Sigmar Gabriel hat eine Aufklärung der Affäre um Hilfsdienste des Bundesnachrichtendienstes (BND) für den US-Geheimdienst NSA bei der Ausspähung von Rüstungsfirmen verlangt. „Das, was hier passiert ist, ist schon skandalös“, sagte der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister im „Bericht aus Berlin“ der ARD. „Wenn sich das als wahr herausstellen sollte, wäre das eine völlig neue Qualität.“ Offensichtlich sei es so, dass der BND ein Eigenleben führe. „Das muss man beenden“, verlangte er. Aufklärung müsse es nicht nur im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages geben, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Das Kanzleramt hat eingeräumt, dass es spätestens 2008 von dem Vorgang wusste, dass die NSA offenbar europäische Rüstungskonzerne ausspähen wollte. Offen ließ ein Regierungssprecher, ob und wie lange der BND mit der NSA bei der Abschöpfung der Firmenkommunikation kooperierte.

Die Opposition erhob deswegen schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter hält Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Verschleierungstaktik vor. „Hier stellt sich nicht nur die Frage nach einem Versagen des Bundesnachrichtendienstes, sondern auch nach dem Versagen des Kanzleramtes und der Kanzlerin“, sagte Hofreiter der „Passauer Neuen Presse“.

Der Linke-Politiker André Hahn stellte den Vorwurf der Lüge in den Raum. Wenn es schon 2008 einen oder gar mehrere Berichte des BND über versuchte oder erfolgte Wirtschaftsspionage seitens der NSA an die Dienst- und Fachaufsichtsbehörde gegeben hat, „dann hätte das Bundeskanzleramt das Parlamentarische Kontrollgremium erneut belogen“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Die Opposition äußerte zudem den Verdacht, Merkel und ihren jeweiligen Kanzleramtsministern sei offensichtlich die Kontrolle über den BND entglitten. „Schlimmer noch: Sie haben es ganz bewusst ignoriert oder sogar verschleiert“, sagte Grünen-Politiker Hofreiter.

Die Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Martina Renner, forderte umfassende Aufklärung vom Kanzleramt und dem damaligen Kanzleramtschef und heutigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker müsse dem Untersuchungsausschuss möglichst bald Rede und Antwort stehen, sagte sie der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“.
Der BND ist unter Druck geraten, weil zuletzt bekanntgeworden war, dass der Dienst für den US-Geheimdienst NSA die Kommunikation europäischer Unternehmen und Politiker über Jahre ausgehorcht haben soll. Das Bundeskanzleramt wusste nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung (Montag) spätestens ab 2008, dass die NSA den Konzern EADS und die Tochterfirma Eurocopter überwachen wollte.

Unterlagen, die dem NSA-Untersuchungsausschuss vorlägen, belegten eindeutig, dass das Kanzleramt informiert wurde und die Spionage-Aktivitäten der NSA offenbar duldete. „Man hat damals gesagt: „Wir brauchen die Informationen der Amerikaner, so läuft es nun mal, wir wollen die Zusammenarbeit nicht gefährden““, zitiert die Zeitung einen Beteiligten. Das Kanzleramt habe gewusst, dass die NSA Deutsche und Europäer ausspähen wollte und es geschehen lassen.


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