SPD Eine Partei, die ihre Geschichte verspielt

Nur noch 20 Prozent der Deutschen würden laut einer neuen Umfrage SPD wählen. Wer Klientelpolitik macht, darf sich über Klientelergebnisse eben nicht wundern.

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Hannelore Kraft (SPD) Quelle: dpa

Vor kurzem wurde Hannelore Kraft gefragt, ob die SPD in Zukunft noch eine Volkspartei sei. Das, sagte die NRW-Ministerpräsidentin, „kann man nicht an einer Prozentzahl festmachen. Das Gegenteil einer Volkspartei ist eine Klientelpartei. Das waren wir nie und werden wir auch nie werden.“

Die nahezu gleiche Frage wurde gerade auch an Thomas Oppermann herangetragen. „Natürlich“, antwortete der Fraktionschef. „Eine Volkspartei ist für alle gesellschaftlichen Gruppen offen und hat den Anspruch, das Gemeinwesen zu gestalten und nicht nur Klientelinteressen zu vertreten.“

Und dann gäbe es da noch Franz Müntefering, den Altmeister, Ex-Vorsitzenden, den Sozi der Herzen. „Die SPD ist überall Volkspartei, denn sie ist keine Klientelpartei, sie hat das Ganze im Blick, Gerechtigkeit“, sagte er jüngst in einem „Spiegel“-Interview.

Wir! Sind! Keine! Klientelpartei! Man kann die Angst fast herausquellen sehen aus diesen auffällig ähnlichen Aussagen, die doch so bestimmt und selbstbewusst klingen sollen; ebenso, wie man diesen stillen Zweifel spüren kann, der in sehr vielen Genossen nagt: Und was, wenn doch? Wenn wir wirklich keine richtige Volkspartei mehr sind? Sondern nur ein größeres Splittergrüppchen neben Linken, Liberalen und der AfD?

Denn das Argument, das gerade so auffällig häufig von prominenten Sozialdemokraten vorgetragen wird, ist richtig und falsch zugleich. Natürlich ist die SPD in ihrem ganzen Fühlen und Trachten eine Partei, die mehr will als Partikularinteressen zu bedienen, viel mehr; eine Partei, über weit das eigene Portmonee oder die Umwelt hinaus denkt. Eine mit beeindruckend stolzer Geschichte und mindestens so beeindruckenden Persönlichkeiten, die dieses Land geprägt haben.

Reaktionen aus den Ländern
Björn Höcke, AfD Quelle: REUTERS
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Quelle: dpa
Ralf Stegner, SPDSPD-Vize Ralf Stegner erwartet ungeachtet des schwachen Abschneidens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt keine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel. "Nein, kein Stück", sagte Stegner am Sonntag in der ARD. "Wir werden jetzt gemeinsam schauen, dass wir jetzt die nächsten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gut machen und im nächsten Jahr im Bund. Und der Rückenwind aus Mainz wird uns dabei helfen." In Rheinland-Pfalz sind die Sozialdemokraten stärkste Partei geworden. Zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD sagte Stegner: "Die AfD hat mit Angstmacherei Punkte gemacht. Wir rücken nicht nach rechts." Quelle: dpa
Alexander Gauland, AfD Quelle: dpa
Sigmar Gabriel, SPD Quelle: REUTERS
Frauke Petry, AfD Quelle: AP
Katrin Budde, SPD Quelle: REUTERS

Und dennoch ist die SPD zur Leidtragenden dessen geworden, was man als Selbst-Verengung und Scheuklapprigkeit bezeichnen muss. Riesige Programme und pathetische Rhetorik können kaum noch übertünchen, wie sehr sich die Sozialdemokratie in den vergangenen Jahren zur Anwältin der Abgehängten und  Abgeschlagenen gemacht hat. Peer Steinbrück hatte die letzten Wochen seines Wahlkampfs 2013 mit dem folgenden, wirklich schönen Slogan bestritten: Wir sind die Partei für die, die noch was vorhaben. Das Problem war nur, dass die Programmatik eben keine für Anpacker und Aufsteiger war, sondern für das (gefühlte?) Prekariat des Landes.

Diese Wahlkampf-Versprechen hat die SPD in der großen Koalition nun weitgehend umgesetzt. Sie hat, in ihren eigenen Worten, „geliefert“ – allerdings vor allem ausgerechnet Klientelpolitik für wenige. Damit es nicht falsch verstanden wird: Das ist vollkommen in Ordnung, es ist nur nicht genug. Die Partei hat sich damit vor allem eines: ausgeliefert.

Die SPD und ihre führenden Köpfe haben – regionale Ausnahmen bestätigen die Bundes-Regel – den Anschluss an die gesellschaftliche Mehrheit verloren. Ihnen wird das Mitregieren durchaus zugetraut, als sozialdemokratisch-emotionaler Akku einer entkernten Union ist sie sogar beim Wähler recht erwünscht. Was ihr schmerzlich fehlt, ist die Fähigkeit, Sehnsucht nach sozialdemokratischer Führung, nach einem Sozi im Kanzleramt zu erzeugen. „Mit uns zieht die neue Zeit“, singen Sozialdemokraten für ihr Leben gern. Aber es zieht keiner.

Die Wähler wollen gerade keinen SPD-Kanzler. Sie wollen (immer noch) Angela Merkel. Sie schätzen vielleicht einen Juniorpartner SPD, aber kein neues sozialdemokratisches Zeitalter, erst recht kein Projekt. Und was aus Genossensicht das Schlimmste ist: Weit und breit ist niemand zu sehen, der die Menschen bis zum nächsten Wahltag im Herbst 2017 von der Schönheit des Gegenteils überzeugen könnte.

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