SPD im Stimmunghoch Jetzt ist Schulz

Die Umfragen für die SPD gehen deutlich nach oben. Die Genossen schwärmen vom designierten Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Die Parteistrategen grübeln indes, wie sich der Schulz-Effekt verlängern lässt.

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Designierter SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz: Der Zug rollt. Quelle: dpa

Berlin Ein Papp-Martin ist in der SPD-Parteizentrale derzeit ein beliebter Pilgerort. Die fast lebensgroße Figur des neuen Kanzlerkandidaten stand zur Antrittsrede von Martin Schulz am vergangenen Sonntag vor einer Leinwand. So konnte jeder Genosse und Fan sich danebenstellen und ein „persönliches“ Foto mit „dem Martin“ schießen. Jetzt steht die Figur in der „Kampa17“, der gerade eröffneten Wahlkampfzentrale im Willy-Brandt-Haus. Immer wieder kommen Mitarbeiter und posieren mit dem designierten SPD-Kanzlerkandidaten und Parteichef in spe.

Die Stimmung ist außerordentlich gut im Berliner Willy-Brandt-Haus. Zum Wochenbeginn tingelte Schulz durch das ganze Haus, um sich persönlich vorzustellen. Auch seine jüngsten Interviewaussagen dürfte von den Mitarbeitern aufmerksam registriert werden: „Ich bin ein ausgesprochener Teamspieler. Ich verstehe mich als Erster unter Gleichen“, gab er bei den Zeitungen der Funke Mediengruppe zu Protokoll. „Basta“ gehöre nicht zu seinem Stil. Da kennen die Parteisoldaten der Sozialdemokratie ja ganz andere Chefs.

Auch die Umfragen sorgen unter den Genossen natürlich für gute Laune. Direkt nach der Entscheidung für Schulz als Kanzlerkandidat kam der aktuelle Insa-Meinungstrend mit 26 Prozent. Das war das beste Ergebnis für die SPD seit zweieinhalb Jahren und ein Plus von fünf Prozentpunkten. Sofort war vom „Schulz-Effekt“ die Rede.

Nun sieht auch die jüngste Forsa-Umfrage vom Mittwoch die SPD bei 26 Prozent. Die Partei erreicht damit den höchsten Wert seit der Bundestagswahl 2013 – ebenfalls mit einem Plus von fünf Punkten.

Die Parteistrategen wollen diese Stimmung nun gerne konservieren – und setzen dabei auch auf das Internet. Unter #jetztistschulz macht die SPD im Internet für Schulz mobil – ein Slogan, der schon bei der Europawahl 2014 zum Einsatz kam. Es kursiert auch wahlweise #zeitfuermartin oder #martinkannkanzler. Auch die Wahlkampfplattform „kampa17.de“ ist schon scharfgeschaltet.


Straight outta Würselen

In den sozialen Netzwerken entwickelt der Schulz-Hype aber auch eine ganz eigene Dynamik. So wird auf der Plattform Reddit das schon länger bestehende Forum „the_schulz“ immer bekannter. Dort finden sich witzig-ironische Bilder oder Audiobeiträge, etwa ein Foto vom Schulz-Antritt mit den Worten „straight outta Würselen“ – eine Anspielung auf den Wohnort des Kandidaten bei Aachen oder Schulz‘ Konterfei im gelben Antiatomkraftlogo mit der Aufschrift „Bremskraft, nein Danke!“

Dort findet sich auch ein Lied der „Schulzenbrothers“, die „Das Schulzzuglied“ anstimmen. Kostprobe: „Der Schulzzug rollt und er hat keine Bremsen. Er fährt voller Kraft ins Kanzleramt.“ Solche Beiträge werden über Facebook und Twitter geteilt. #derschulzzugrollt oder #schulzzug – immer mehr Hashtags kommen in Umlauf.

Doch auch das traditionelle Parteibuch ist wieder gefragt. Manch ein Funktionär jubelt bereits über einen neuen „Mitglieder-Boom“. Glaubt man den ersten Zahlen aus der SPD-Zentrale, konnten allein im Kanzlernominierungsmonat Januar dreimal so viel Mitglieder gewonnen werden wie sonst in einem Monat: nämlich etwas mehr als 3000. Allein am Sonntag, dem Tag von Schulz‘ offizieller Nominierung, wurden demnach mehr als 400 Online-Anträge ausgefüllt. Auch die Landesverbände sollen „Hunderte“ Eintritte gemeldet haben.

Im größten SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen sind laut Zeitung „Neue Westfälische“ in der vergangenen Woche 600 neue Mitglieder in die SPD eingetreten. „120 hessische Neumitglieder in 3 Tagen“, meldete die Hessen-SPD mit dem Foto eines glücklich dreinblickenden Thorsten Schäfer-Gümbel. Der SPD in München und Freiburg gingen kurzfristig die Parteibücher aus, meldeten die Stadtverbände auf Facebook und Twitter #Aufbruchsstimmung.

Offiziell wird die SPD die Mitgliederzahlen aus dem Januar erst Ende Februar bekannt geben. Da die Bewerber um eine Mitgliedschaft auch abgelehnt werden können und dafür in der Satzung der Partei eine Frist von vier Wochen vorgesehen ist, lässt sich erst dann wirklich eine Bilanz ziehen.

Die SPD kann frische Mitglieder für den Wahlkampf gut brauchen. Mitte 2016 zählte die Partei nach offiziellen Angaben gut 436.000 Mitglieder, vor zehn Jahren waren es noch 560.000. Die SPD ist überaltert und verliert jährlich viele Mitglieder vor allem durch Tod.

Auch die jüngsten Umfragen bieten den Parteistrategen noch viele Denkaufgaben. Denn noch beurteilten die meisten Wähler die Möglichkeit skeptisch, dass Schulz bei der Bundestagswahl im September tatsächlich Merkel im Kanzleramt ablösen könnte. Eine klare Mehrheit von 61 Prozent ist der Auffassung, dass Merkel auch weiterhin Kanzlerin bleibt. Selbst von den SPD-Anhängern erwarten 52 Prozent keinen Sieg von Schulz, wie eine weitere Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins „Stern“ ergab.

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