SPD-Kanzlerkandidat Schulz-Wahlkampftour mit Scholz-Effekt

Martin Schulz reist derzeit durch die Republik. Der SPD-Kanzlerkandidat schüttelt auf seiner Sommer-Wahlkampftour Hände und hat gute Laune. Doch die Debatte um G20 und Olaf Scholz holt ihn rasch wieder ein.

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Auf seiner Sommerreise besuchte der SPD-Kanzlerkandidat auch die Jugendabteilung des 1. FC Köln. Quelle: dpa

Der „Chempark Dormagen“, beheimatet auf dem früheren Bayer-Werksgelände, hat mit dem Berliner Politbetrieb rein gar nichts zu tun. Darum ist er an diesem Mittwoch für Martin Schulz auch eine willkommene Anlaufadresse. Hier arbeiten 10.000 Menschen in 35 Unternehmen. Sie produzieren Pflanzenschutzmittel, Kautschuk und Kunststoffe. Schulz kann hier mit dem „richtigen Leben“ in Kontakt treten.

Besonders wohl fühlt er sich im Ausbildungszentrum des Chemieparks. Junge Menschen stehen im Labor oder an der Drehbank. Sie erlernen den Beruf eines Chemielaboranten oder eines Mechatronikers. Die Auszubildenden erklären dem SPD-Kanzlerkandidaten, was sie tun und welche beruflichen Ziele sie sich gesetzt haben. Schulz schüttelt Hände, klopft Schultern, lächelt in Handykameras und wirkt zufrieden.

Es vergehen ein paar Stunden, ehe Schulz der Berliner Alltag wieder einholt – und das ausgerechnet an einem Ort, der für den SPD-Chef die Bedeutung einer Pilgerstätte hat.

Der Wahlkampfbus mit Schulz und dem Journalistentross ist zwischenzeitlich von Dormagen aus den Rhein zum Rheinenergie-Stadion entlanggefahren, der Fußballstätte des 1. FC Köln. Schulz ist seit Jahrzehnten Köln-Fan, sogar Mitglied des Traditionsclubs und war jahrelang Inhaber einer Dauerkarte. Er lässt sich die Jugendarbeit des Vereins erklären. Natürlich kann Schulz, der selbst mal ernsthaft erwogen hatte, Fußballprofi zu werden, es sich nicht verkneifen, selbst gegen den Ball zu treten. Das bereitet ihm sichtlich Freude.

Nur wenige Augenblicke später ist Schulz gedanklich wieder in Berlin. Das Thema heißt G20. Ein Journalist will wissen, ob Schulz die Kritik seines Parteifreundes Sigmar Gabriel an Kanzlerin Angela Merkel teile. Der Bundesaußenminister hatte der Regierungschefin im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel am vergangenen Wochenende in Hamburg vorgeworfen, sie habe den Gipfel nutzen wollen, um ihr Image aufzupolieren, tatsächlich sei der Gipfel aber inhaltlich „ein totaler Fehlschlag“ gewesen. CDU und CSU warfen Gabriel ein „perfides Spiel“ im Wahlkampf vor. Gabriel bezog sich damit insbesondere auf die Kritik des Koalitionspartners am Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz.

Er teile die Kritik Gabriels voll und ganz, sagt Schulz. Es sei „in der Tat perfide“, wenn Merkel zunächst Kanzleramtsminister und Regierungssprecher Steffen Seibert rausschicke und sie angesichts der Gewaltexzesse, die den Gipfel überschatteten, Krokodiltränen weinen lasse, um dann anschließend Innenminister Thomas de Maizière mit herber Kritik am Koalitionspartner auftreten zu lassen, ereifert sich Schulz. Er wirft Merkel „unfaires Vorgehen“ vor und lässt keinen Zweifel daran, dass er in den kommenden Wahlkampfwochen den Koalitionspartner härter angreifen will.

Kritik, Gabriel und er hätten es ihrem Parteifreund Scholz unnötig schwer gemacht, weil sie kurz vor Beginn des Gipfels empfohlen hatten, G20-Gipfel möglichst oft in New York am UN-Hauptsitz stattfinden zu lassen, weist er zurück. Natürlich müsse ein solcher Gipfel jederzeit in einer weltoffenen und toleranten Stadt wie Hamburg stattfinden können, sagt Schulz. „Gleichzeitig sollten die G20 aber näher an die UN gerückt werden“, sagt Schulz. Außerdem müsse der UN-Generalsekretär an G20-Gipfeln teilnehmen können.

So hat der Wahlkampf die Sommertour des SPD-Kanzlerkandidaten eingeholt. Und er wird die Tour sicher noch weiter begleiten. Denn am Donnerstag und Freitag macht Schulz zum Abschluss seiner Reise Station in Hamburg. Dort dürfte es wieder um den G20-Gipfel gehen.

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