SPD-Ministerin Schwesig „Meine Vision ist die Familienarbeitszeit“

In der Debatte um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht die SPD in die Offensive. Familienministerin Schwesig skizziert erstmals ihre Pläne. Die Grünen unterstützen den Vorstoß, die Linken äußern Kritik.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Familienministerin Manuela Schwesig will für Eltern mehr kinderfreie Zeit durchsetzen. Quelle: AFP

Berlin Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will die Regelarbeitszeit für Eltern neu bestimmen. „Meine Vision ist die Familienarbeitszeit“, sagte Schwesig dem Berliner „Tagesspiegel“. „Vollzeit sollten für Eltern mit kleinen Kindern nicht 40, sondern zum Beispiel 32 Stunden sein.“ Eltern dürften in dieser Familienphase keine Nachteile erleiden, wenn sie im Beruf zurücksteckten. Vielmehr müssten Arbeitgeber auf die Bedürfnisse junger Familien flexibel reagieren.

Schwesig nimmt damit erstmals konkret Stellung zu den Plänen der Großen Koalition. In ihrem Regierungsprogramm haben Union und SPD eine, wies dort heißt, „Weiterentwicklung des Teilzeitrechts“ vereinbart, aber das Vorhaben nicht mit Zahlen unterfüttert.

Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich: „Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich z. B. wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen zu einer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, wollen wir sicherstellen, dass sie wieder zur früheren Arbeitszeit zurückkehren können. Dazu werden wir das Teilzeitrecht weiterentwickeln und einen An-spruch auf befristete Teilzeitarbeit schaffen (Rückkehrrecht).“

Die Grünen unterstützen Schwesigs Vorstoß. „Mehr Zeit für Familie gerade auch für Väter zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe, der sich die Bundesregierung stellen muss“, sagte die Grünen-Fraktionsvize Katja Dörner Handelsblatt Online. „Dabei ist das Rückkehrrecht auf Vollzeit überfällig, damit die Teilzeit nicht zur berühmt-berüchtigten Teilzeitfalle wird, in der heute insbesondere Frauen oft stecken.“

Auch die vollzeitnahe Teilzeit für Eltern zu unterstützen, komme nicht nur den Interessen der Eltern entgegen, sagte Dörner weiter. Sie helfe, insbesondere jüngere weibliche Fachkräfte an die Unternehmen zu binden und im Beruf zu halten. Dörner kritisierte allerdings, dass die Große Koalition angesichts dieser „Win-Win-Situation“ diesen Ansatz mit einem „mickrigen“ Zehn-Prozent-Zuschlag auf das Elterngeld „nur in homöopathischen Dosen“ verfolge. „Es ist gut, dass Gabriel auf die wichtige Rolle von Vätern aufmerksam macht“, fügte Dörner mit Blick auf die Ankündigung des Vizekanzlers und SPD-Chefs hinzu, mehr Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. „Ihn wegen eines Nachmittags in der Woche sofort zum Supervater zu verklären, ist aber mehr als übertrieben.“


Linke fordert „vollzeitnahe Teilzeit bei vollem Lohnausgleich“

Auch aus Sicht der Linken ist einer bessere partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungsarbeit wünschenswert. „Leider setzt die Bundesregierung in diesem Fall weiter auf Freiwilligkeit und nicht auf eine gesetzliche Regelung für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagte Fraktionsvize Klaus Ernst Handelsblatt Online. Und das, obwohl CDU und SPD diesen Aspekt in ihrem Wahlprogrammen verankert hätten. „Im Koalitionsvertrag bleibt dieser Punkt auf der Strecke und versandet in dem mehr als enttäuschenden freiwilligen Projekt „Erfolgsfaktor Familie“.“

Kinder seien jedoch ein wichtiges Gut. „Dazu brauchen wir in Deutschland ein familienfreundlicheres Arbeitsklima für Frauen und Männer, so dass beide Eltern ohne finanzielle Einschnitte sich an der Erziehungsarbeit beteiligen können“, sagte Ernst weiter. Die Linke fordere schon länger, eine vollzeitnahe Teilzeit bei vollem Lohnausgleich.

Derzeit liege es aber in der Hand des Unternehmers die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen. Dabei könne es nur im Sinne des Unternehmers sein, das von ihm ausgebildete und qualifizierte Personal zu halten. „Familienfreundlichkeit müssen sich Unternehmen leisten können, und der Staat hat die Pflicht, besonders die kleinen und mittelständischen Unternehmen dabei zu unterstützen“, sagte Ernst.

„Es hilft Kindern kaum, wenn sie einmal während der Arbeitswoche von Papa betreut werden“, sagte der Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus Zimmermann, mit Blick auf Gabriels Kindernachmittag Handelsblatt Online. Zimmermann empfiehlt etwas anderes: „Eine ordentliche professionelle Kinderbetreuung hilft Kindern generell mehr und schafft Arbeitsplätze.“


Wirtschaft kritisiert Koalitionspläne

Zugleich wandte sich Zimmermann gegen Pläne der Großen Koalition, Arbeitnehmern für die Kindererziehung einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeitarbeit mit einem Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit zu gewähren. Insbesondere für mittelständische Betreibe, die immerhin mehr als 70 Prozent aller Jobs in Deutschland bereitstellten, seien die Vorschläge der Koalition kaum praktikabel, sagte er.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sieht dies ähnlich: „Ein Rückkehrrecht in Vollzeit bei erziehungsbedingter Teilzeit ist gerade für kleinere und mittlere Unternehmen nur darstellbar, wenn es ein entsprechendes Befristungsrecht für die Karenzvertretung gibt“, sagte Hüther.

Kritik kam auch vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks. Es brauche keine neue staatliche Regulierung wie Verschärfungen beim Rückkehrrecht auf Vollzeit, sagte Dercks. So drohten rechtliche Unsicherheiten, geringere personalpolitische Planbarkeit und Unfrieden in der Belegschaft.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%