SPD mit Wahlkampf wie in den USA Martin Schulz geht bei Obama in die Lehre

Lauter, pathetischer, symbolträchtiger – das ist das Motto der großen Parteitage in den USA. Die SPD will das Show-Prinzip auch im deutschen Wahlkampf etablieren. Die Kür von Martin Schulz war erst der Auftakt.

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„Die Leute wollen eine perfekte Show sehen“, sagt ein Verantwortlicher des SPD-Parteitags. Quelle: dpa

Berlin Wer den Einmarsch der Hauptakteure Martin Schulz und Sigmar Gabriel verfolgt, muss den Eindruck gewinnen, ein Boxkampf stehe bevor. Schulz und Gabriel bahnen sich über Minuten den Weg durch die Delegierten in Richtung Bühne. Sie werden beklatscht und schütteln Hände. Über eine Reihe von Großleinwänden können alle Parteitagsteilnehmer jedes Detail verfolgen. Ein warmes Rot liegt über der Halle, einem alten Ziegelbau mit langer Industrietradition. Mit lauter Musik wird der Weg der beiden Stars in Richtung Bühne untermalt, immer wieder werden Gesichter jubelnder Genossen auf die Großleinwände projiziert.

Die Genossen haben einen enormen Aufwand betrieben, damit dieser Parteitag noch ein wenig bunter, glänzender und moderner rüberkommt. Der Aufbau der Technik dauerte fünf Tage. 140 Leute haben daran gearbeitet, für die insgesamt 3.000 Gäste des Parteitage die richtige Atmosphäre zu schaffen. Das Material dafür fand in zehn Sattelschleppern Platz. 170 Lautsprechen sorgten für den guten Ton, fast zwölf Kilometer Kabel für Strom- und Signalleitungen wurden verlegt.

Geht's nicht etwas schlichter? Nein, sagen die Genossen. Die Ansprüche an die Veranstaltungstechnik, an Ton und Beleuchtung würden ständig steigen, heißt es weiter. „Die Leute wollen eine perfekte Show sehen. Das lässt sich mit den Mitteln der 70-er Jahre nicht erreichen“, sagt ein Verantwortlicher. Und die Konkurrenz schläft nicht. Weder CDU und CSU noch die Grünen organisieren ihre Parteitage heute noch so wie vor dreißig oder vierzig Jahren. Lauter, pathetischer, symbolträchtiger – das ist das Motto der großen Parteitage, die sich in weiten Teilen amerikanischen Gepflogenheiten angenähert haben.

Natürlich geht das alles nur, wenn auch die Hauptakteure mitziehen. Schulz beherrscht die Show perfekt. Ausladende Gesten mit den Armen, wohl gesetzte Pausen, dazu eine Stimme, die - je nach Bedarf - mal energisch, mal gefühlvoll klingt. 

Selbstverständlich steht Martin Schulz am Rednerpult nicht vor einer sterilen Rückwand. Nein, hinter ihm haben die Organisatoren noch eine Tribüne für viele Dutzend Zuschauer aufgebaut. Ziel ist es, deren Begeisterung über die Schulz-Rede zu transportieren.

So ist der Parteitag eine perfekte Inszenierung – bis hin zum unglaublichen Ergebnis von 100 Prozent Zustimmung für den neuen SPD-Chef Schulz.

Nur einmal gerät Schulz während seiner Parteitagsrede ein wenig aus dem Takt: Die Regie blendet während einer Redepassage zur Familienpolitik auf der Großleinwand hinter ihm aus dem Publikum einen jungen Vater mit einem Kleinkind auf dem Arm ein. „Mann, da bin ich glücklich“, sagt Schulz, als ihm ein Zurufer das Raunen der Zuschauer angesichts des großformatig eingeblendeten Kindes erläutert. „Ich hab' gedacht, ich hätte etwas Falsches gesagt.“

Dem Vater ruft er zu: „Junge oder Mädchen? Egal, wird aufgenommen.“ Die Lacher hat er auf seiner Seite. Oder war auch diese kleine Begebenheit gar kein Zufall? In der Partei winkt man ab: Natürlich sei die Situation nicht geplant gewesen. 

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