SPD-Modernisierungspakt Gabriels Agenda 2025

Macht Sigmar Gabriel den Gerhard Schröder? Der Wirtschaftsminister legt eine Agenda 2025 vor. 600 Milliarden Euro sollen Staat und Wirtschaft investieren – allerdings auf Kosten zusätzlicher Schulden.

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Außer Sigmar Gabriel haben noch neun weitere SPD-Wirtschaftsminister das Papier unterschrieben. Quelle: dpa

Berlin Es läuft gut in Deutschland – die Wirtschaft wächst, und es gibt so viele Jobs wie nie. Doch das kann bald vorbei sein, warnt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Schließlich helfen aktuell auch Sonderfaktoren wie das billige Öl, der schwache Euro und die Niedrigzinsen. Aber „wenn wir auch in den kommenden Jahren noch gut und sicher leben wollen, müssen wir heute Reformen anpacken und den enormen Modernisierungsstau in unserem Land beheben“, sagte der SPD-Chef in Stuttgart, dem Zentrum des baden-württembergischen Wahlkampfs.

Helfen soll der „Modernisierungspakt“ der SPD (hier das Original zum Nachlesen), der bis 2025 angelegt ist: Bis dahin sollen Staat und Wirtschaft jährlich 60, insgesamt also 600 Milliarden Euro zusätzlich investieren, um Deutschland fit zu machen – vor allem die Infrastruktur, aber auch Forschung, Bildung und Qualifizierung. Zehn Wirtschaftsminister der SPD haben das Papier unterschrieben.

Wirtschaftsminister Gabriel exerziert damit den Triple-Aufschlag: In Stuttgart machte er den Anfang, am heutigen Mittwoch folgt sein Jahreswirtschaftsbericht, am Donnerstag die Regierungserklärung. Zum Auftakt scharte er in Stuttgart auch die SPD-Wirtschaftsminister der Länder um sich.

Bei der Finanzierung „darf es keine ideologischen Tabus geben“, heißt es im entsprechenden Beschluss des SPD-Vorstands: Einerseits will die SPD durch öffentlich-private Partnerschaften viel mehr privates Geld aktivieren – was die Linke skeptisch sieht. Andererseits dürfe auch die Finanzierung durch höhere Staatsschulden nicht tabu sein – was automatisch die „schwarze Null“ im Haushalt bedroht.

Den größte Batzen wollen die Sozialdemokraten in die digitale Infrastruktur leiten – allein hierfür veranschlagen sie 100 Milliarden Euro bis 2025, „vor allem aus privaten, aber auch aus öffentlichen Mitteln“. Ziel ist ein Gigabitnetz aus Glasfaser. Das aktuelle Ziel der schwarz-roten Bundesregierung, flächendeckend bis 2018 zumindest Anschlüsse bis 50 Mbit/Sekunde zu realisieren, sei nur ein „Zwischenschritt“. „Bald aber werden Bandbreiten von 500 Mbit/Sekunde und mehr zum Stand avancierter technologischer Anforderungen gehören“, heißt es im Papier. Experten monieren schon länger, dass die Strategie des Bundes, also der Großen Koalition, zu unambitioniert ist und Deutschland damit international hinterherhinkt. In den USA oder Japan ist der Standard schon heute viel höher.


„Deutschland hat das Zeug dazu weiter zu wachsen“

Einen großen Sprung nach vorn wollen Gabriel und die Seinen auch bei der Innovation machen: Bis 2025 soll der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf über vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Aktuell liegt der Wert bei rund 2,8 Prozent. Das Drei-Prozent-Ziel, das einst die EU ausrief, hat Deutschland bisher nur einmal knapp erreicht. An ein höheres wagte sich die Bundespolitik trotz des Drängens von Merkels Innovationsratgebern nicht heran.

Denn das würde vor allem den Bund teuer kommen: Der Staat trägt aktuell ein Drittel der F+E-Ausgaben. Dazu käme nach dem SPD-Konzept eine Steuergutschrift für kleine und mittlere Unternehmen. Darauf wartet die Wirtschaft schon lange: Der Steuerbonus, den die Mehrzahl der Industrienationen praktiziert, stand schon vor der Wahl in allen Programmen – schaffte es aber nicht den Koalitionsvertrag.

Baden-Württembergs Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid versprach darüber hinaus ein „Bürokratiemoratorium für Gründer im ersten Jahr ihrer Unternehmensgründung“. „Deutschland hat das Zeug dazu weiter zu wachsen“, sagte der SPD-Spitzenkandidat im Ländle.

Zur Beschleunigung der Energiewende setzt die SPD vor allem auf die Ökologisierung des Verkehrs: Um das Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 zu erreichen, will sie Kaufprämien für Elektroautos – die sie in der Großen Koalition bisher nicht durchsetzen konnten. Dazukommen sollen „gezielte Investitionen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur“. Insgesamt wollen die Sozialdemokraten die Investitionsquote Deutschlands bis 2025 auf ein Niveau „deutlich über dem OECD-Durchschnitt“ heben.

Parallel zu Investitionen in die Infrastruktur setzt die SPD auf solche in die Köpfe: Hier soll der Bund den Ländern schon kurzfristig kräftig helfen. Allein für die Ausbildung der Flüchtlingskinder veranschlagt die SPD 25 000 zusätzliche Lehrer. Das ist mehr als die Kultusminister selbst bisher kalkulieren: Sie haben den Bedarf auf 20 000 beziffert und glauben zudem, dass sie einen Teil aus der Reserve nehmen können, die zuletzt durch den Rückgang der heimischen Schülerzahlen entstanden ist. Aber Schulen als auch vor allem die Kitas sollen ja nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ aufgerüstet werden - darin sind sich Politiker aller Couleur einig. Für die Kitas sind nach SPD-Rechnung mindestens 20 000 neue Erzieher nötig.

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