SPD nimmt Banken ins Visier Angriff auf die Dispozinsen

Der Dispokredit beim Girokonto ist für die Kunden praktisch, aber teuer. Viele Banken kassieren mit hohen Zinsen ab. In den Koalitionsgesprächen will die SPD eine Deckelung durchsetzen, doch die Union stellt sich quer.

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Große Last: Dispozinsen beim Girokonto sind für die Kunden praktisch, aber teuer. Daran will die SPD rütteln. Quelle: Getty Images

Berlin 0,25 Prozent – so niedrig ist derzeit der Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB). Und es könnte sogar noch weiter nach unten gehen. EZB-Chef Mario Draghi ließ bereits wissen, dass er noch Luft nach unten sehe. Er gehe davon aus, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum auf dem gegenwärtigen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, hatte er jüngst verkündet. Die EZB will auf diese Weise die Konjunktur zusätzlich ankurbeln und eine als schädlich geltende Deflation (fallende Preise) verhindern. Die Nebenwirkungen dieser Rekordniedrigzinspolitik sind jedoch fatal.

Der niedrige Zins wirkt sich auf praktisch jeden Privatkunden und Verbraucher aus, trifft Käufer von Immobilien genauso wie Sparer oder diejenigen, die eine Lebensversicherung haben oder sie abschließen wollen. Bei der Weitergabe der Zinsvorteile lassen sich Banken in der Regel einige Wochen Zeit. Bei Immobilien- und Ratenkrediten profitieren die Kunden normalerweise schneller. Nur beim Dispo tun sich die Geldinstitute schwer. „Da gibt es keine Konkurrenz, die Leute wechseln nicht das Girokonto wegen des zu hohen Dispozinses und da dauert das immer ewig lange“, sagte Hermann-Josef Tenhagen, der „Finanztest“-Chefredakteur, vor kurzem im Deutschlandfunk. Die Gründe dafür liegen für Tenhagen auf der Hand. „Jedes Prozent Dispozins mehr ist für die Banken 400 Millionen Euro mehr in der Kasse.“

Für die Kunden ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass bei einem Leitzins von 0,25 Prozent die Überziehungszinsen immer noch bei etwa zwölf Prozent liegen, bei der Targobank sogar knapp 14 Prozent. Noch teurer wird es, wenn man sein Konto über den vereinbarten Disporahmen hinaus belastet. Dann drohen Zinssätze von 15 Prozent und mehr. In Einzelfällen sogar von über 22 Prozent, hat die Stiftung Warentest jüngst ermittelt. Tenhagen spricht von einem „sehr deutschen Phänomen“. So liege der Dispo in Österreich bei fünf bis sechs Prozent, in Holland bei acht.

In diese Richtung denkt auch die Politik. In den Koalitionsverhandlungen mit der Union will die SPD einen gesetzlich gedeckelten Zinssatz von acht Prozent oberhalb des von der Bundesbank festgelegten Basiszinssatzes durchsetzen. Dieser liegt aktuell bei minus 0,38 Prozent, der maximale Dispozins läge deshalb aktuell bei 7,62 Prozent. In der Unterarbeitsgruppe Verbraucherpolitik wurde der Vorschlag allerdings von CDU/CSU abgelehnt. In der Arbeitsgruppe Finanzen sollte das Thema noch einmal aufgegriffen werden. Der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), der der AG angehört, sagte dazu Handelsblatt Online: „Es liegen Kompromissvorschläge vor, über die noch verhandelt wird.“

Konkreter wurde Michael Meister, Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Er machte für die Unions-Seite deutlich, dass es bei den Zinsen keine Bewegung hin zur SPD geben wird. „Mit den Vorschlägen der SPD wird die Verschuldung der Privatleute eher gefördert als abgebaut“, sagte Meister Handelsblatt Online. Im Übrigen seien schon zahlreiche Bankleistungen gebührenfrei, man denke nur an das gebührenfreie Konto.


Transparenz statt staatlichem Eingriff

Als Kompromiss schlägt der CDU-Politiker vor, den Banken mehr Transparenz abzuverlangen. „Wir wollen einen Warnhinweis und bei längerer Inanspruchnahme eines Dispositionskredits eine Beratung hin zu kostengünstigeren Alternativen erreichen“, sagte der CDU-Politiker.

Der SPD geht der Vorschlag nicht weit genug. „Natürlich sind erhöhte Transparenzpflichten ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, Handelsblatt Online. „Aber aus Sicht der Verbraucher ist er sicherlich nicht ausreichend.“

„Eine Deckelung halte ich nicht für sinnvoll“, sagte dagegen auch Thomas Hartmann-Wendels, Bankprofessor an der Universität Köln, im Gespräch mit Handelsblatt Online. „Der Dispo ist kein Kredit, der als langfristiges Finanzierungsinstrument genutzt werden soll, sondern kurzfristige Liquiditätsengpässe ausgleichen soll.“ Mehr Transparenz und Warnhinweise seien daher angemessen.

Verbraucherschützer stehen in dem Streit um eine staatliche Deckelung hingegen auf der Seite der Sozialdemokraten. Bei den Dispozinsen fehle es an einem echten Wettbewerb, da sie nur eine von vielen Preiskomponenten beim Konto sind. „Transparenz allein reicht aber nicht, um die viel zu hohen Zinsen deutlich zu senken“, sagte Frank-Christian Pauli, Finanzexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), Handelsblatt Online. „Wir brauchen einen Zinsdeckel, der den fehlenden Wettbewerbsdruck wirksam kompensiert.“ Die Höchstgrenze sollte aus Paulis Sicht bei sieben Prozent plus 3-Monats-Euribor liegen. Das wäre aktuell ein Zinssatz von 7,218 Prozent. „Die Formel berücksichtigt das Niveau der Darlehenszinsen und die Kosten, die Banken selbst fürs Geldaufnehmen haben“, erläuterte der Experte.

Ob die Deckelung kommt, ist jedoch mehr als fraglich. Möglicherweise müssen die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, das Streitthema im Sechs-Augen-Gespräch abräumen. Die Kreditinstitute sind dennoch alarmiert. So lehnen die Sparkassen eine staatliche Regulierung ab. „Preise sollten sich in einer Marktwirtschaft auch am Markt bilden. Das gilt auch für den Dispo“, sagte der Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Stefan Marotzke, Handelsblatt Online. Preisobergrenzen bildeten Preise in aller Regel nicht marktgerecht ab. „Sie sind ein starres Korsett, das die Gefahr birgt, dass die Preise in der Nähe der Obergrenze eingefroren werden“, warnte der Sprecher.


Banken reagieren auf politischen Druck

Entscheidend sei vielmehr, dass der Kunde die Preise vergleichen könne, um sich dann für das für ihn beste Angebot entscheiden zu können. Regelungsbedarf sieht DSGV-Sprecher Marotzke allerdings auch hier nicht. „Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, sich über die Höhe von Dispo-Zinsen zu informieren“, sagte er. Neben den Preisaushängen in den Filialen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen könne die Höhe des Dispozinses auch den Kontoauszügen entnommen werden. Im Übrigen, so Marotzke weiter, hätten die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft ihren Instituten empfohlen, die Bepreisung auch im Internet-Auftritt der einzelnen Institute auszuweisen.

Dessen ungeachtet zeigte die Dispo-Debatte bereits Wirkung, wie eine Umfrage des „Tagesspiegels“ zeigt: Viele Banken und Sparkassen geben demnach die jüngste Zinssenkung der EZB jetzt an ihre Kunden weiter – und gehen teilweise sogar noch darüber hinaus.

So verlangt der Branchenprimus, die Deutsche Bank samt ihrer Tochter Berliner Bank seit Freitag 0,35 Prozentpunkte weniger für den Dispokredit und für geduldete Überziehungen. Auch eine weitere Deutsche-Bank-Tochter kommt ihren Kunden entgegen. Ebenfalls seit Freitag kosten bei der Norisbank sowohl der Dispo- als auch der Überziehungskredit 0,25 Prozentpunkte weniger.

Andere haben ähnliche Pläne. Bei der Berliner Sparkasse steht ebenfalls bereits fest, dass die Kontoüberziehung billiger wird – um 0,26 Prozentpunkte. „Die Berliner Sparkasse wird den Dispozins zum 15. Dezember auf 11,99 Prozent senken“, sagte eine Sprecherin dem „Tagesspiegel“, „auch der Überziehungszinssatz wird reduziert und beträgt dann 16,99 Prozent.“ Und auch die ING Diba, die mit einem Dispozins von 8,5 Prozent schon heute zu den günstigen Anbietern gehört, geht zum 15. Februar nächsten Jahres um 0,25 Prozentpunkte herunter. Bei der Berliner Volksbank sollte die Entscheidung, ob und wie man senkt diese Woche fallen, bei der Targobank Anfang Dezember. Verbraucherschützern reicht das jedoch nicht. Aus ihrer Sicht sollte der Zinssatz „klar unter zehn Prozent“ liegen.


Nur wenige Institute geben sich auskunftsfreudig

Doch ohne Union wird in dieser Hinsicht nichts passieren. Was sich CDU und CSU vorstellen, konnte man bereits in ihrem gemeinsamen Regierungsprogramm nachlesen. Beim Dispo-Thema soll demnach auf Transparenz statt direktem Eingriff gesetzt werden. Neben dem Warnhinweis ist allerdings auch von einem Vergleichsportal die Rede, dass eingerichtet werden soll, damit Kunden auf einen Blick alle wesentlichen Bankgebühren erhalten.

Ein solches Instrument liegt auch Verbraucherschützern am Herzen. So hat eine „Finanztest“-Analyse ergeben, dass Kunden praktisch keine Möglichkeit haben, auf für sie günstigere Kreditinstitute auszuweichen, weil viele mit den Informationen über ihre Dispozinsen geizen. „Wir haben bei mehr als 1500 Banken versucht, selber zu vergleichen, die Stiftung Warentest hat ja einen Apparat dazu“, sagt „Finanztest“-Chefredakteur Tenhagen. 400 Banken hätten freiwillig mitgeteilt, wie ihr Dispo-Zins ist. „Bei mehr als 500 haben wir ihn dann im Internet gefunden, und bei 600 gab es ihn nicht im Internet und man hat es uns auch nicht freiwillig mitgeteilt, sodass wir dann Testkunden durch die ganze Republik schicken mussten, um das zu ermitteln.“

Kritisch sieht Tenhagen vor allem das Geschäftsgebaren der Volksbanken und Raiffeisenbanken, weil diese Institute ihre Dispozinsen nicht im Netz veröffentlichten. Alle hätten zwar einen Internetauftritt und machten im Internet auch Geschäfte. „Aber dem Kunden wesentliche Vertragsbedingungen, zum Beispiel fürs Girokonto, im Internet mitzuteilen (…), das machen sie leider nicht.“ Vielleicht auch deshalb, weil manche Institute hohe Zinsen verlangen. In der Tendenz sei es so, dass kleinere Banken im ländlichen Raum, die dort über eine Monopolstellung verfügten, teurer sind, sagt Tenhagen. „Häufig ist es auch so, dass dann vor Ort die Sparkasse und die Volksbank oder die Sparkasse und die Raiffeisenbank beide relativ teuer sind.“

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