SPD-Parteitag Schulz attackiert Union

Zum Abschluss des Parteitag richtet der SPD-Chef klare Worte an die Union. Sie hätte durch die geplatzten Jamaika-Sondierungen „den Karren an die Wand gefahren“. Zwei Unions-Politiker nimmt Schulz besonders ins Visier.

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Der SPD-Vorsitzende knöpfte sich die Unionspolitiker Volker Kauder und Alexander Dobrindt vor. Quelle: dpa

Berlin In seiner großen Rede am Donnerstag hatte Martin Schulz noch auf Angriffe auf die Union verzichtet. Das holte er nun zum Abschluss des SPD-Parteitags nach. In scharfen Worten attackierte Schulz vor den am Mittwoch beginnenden Sondierungsgesprächen die Union.

Zuerst knöpfte sich der Parteichef CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor. Der hatte gesagt, es sei gut, wenn die SPD jetzt aus ihrer Schmollecke herauskomme. „Wir sitzen nicht in einer Schmollecke, aber Ihr habt den Karren an die Wand gefahren“, konterte Schulz mit Blick auf die geplatzten Jamaika-Sondierungen. Zu Dobrindts Kritik, Schulz sei wegen seines Vorschlags für die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ein Europaradikaler meinte der SPD-Chef: „Ja, Herr Dobrindt. Ich, meine ganze Partei, wir sind alle radikale Pro-Europäer.“ Nur dank der SPD sei Deutschland überhaupt ein „pro-europäisches Land“.

Danach ging Schulz auf Aussagen Volker Kauders ein. Der Unionsfraktionschef hatte gesagt, wenn man Europa in dieser unruhigen Welt stärken wolle, brauche man stabile Mehrheiten. Eine Minderheitsregierung oder Duldungsmodelle lehne er daher ab. Schulz sagte, nachdem andere das Land in eine schwierige Situation gebracht hätten, müsse nun die SPD wieder Verantwortung übernehmen. „Aber wie wir sie übernehmen, das entscheidet die SPD selbst, dazu lassen wir uns keine Lektionen von anderen erteilen.“ Der SPD-Parteitag hatte am Donnerstag für „ergebnisoffene“ Sondierungsgespräche mit der Union für eine Regierungsbildung gestimmt, also eine Tolerierung nicht ausgeschlossen.

Die entscheidende Frage für die Gespräche sei, wie das Leben der Menschen in diesem Lande besser gemacht werden könne, sagte Schulz. Es gehe darum, Europa besser zu machen, die Renten zu sichern und massiv im Pflegebereich zu investieren. Wohnen dürfe zudem kein Luxusprojekt sein. Wenn man Entsprechendes umsetzen könne, „dann müssen wir die Chancen ergreifen und nutzen“, so Schulz. Insgesamt hatte die SPD elf Leitlinien für die Gespräche mit der Union auf ihrem Parteitag beschlossen, darunter auch, den Familiennachzug wieder zuzulassen. Das lehnt die Union scharf ab. Der CDU-Vorstand will an diesem Sonntag und Montag über das weitere Vorgehen zur Regierungsbildung beraten.

Die am Mittwoch beginnenden Sondierungsgespräche dürften daher schwierig werden. Besonders in der SPD gibt es vor dem ersten Gespräch große Vorbehalte. Die neue stellvertretende SPD-Vorsitzende und Landeschefin in Bayern, Natascha Kohnen, sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Ich plädiere dafür, andere Wege als eine Neuauflage von Schwarz-Rot zu suchen.“ Die SPD müsse mutig sein. „Dazu gehört es, intensiv über eine Minderheitsregierung zu diskutieren und uns nicht einfach wieder vor den Karren von Bundeskanzlerin Angela Merkel spannen zu lassen.“

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hält die Tolerierung einer CDU/CSU-Minderheitsregierung durch die SPD für die beste Lösung. „Ich präferiere nach wie vor ein Tolerierungsmodell.“ Sie könne sich vorstellen, mit der Union einen Tolerierungsvertrag über Politikfelder zu schließen, auf denen eine breite Mehrheit unerlässlich sei, etwa bei Europa-Themen und der Außenpolitik. Viele andere Vorstandsmitglieder der Partei dagegen halten eine Minderheitsregierung für schwer vorstellbar. Dann hätte die SPD keinerlei Ministerämter, wäre vom Informationsfluss abgeschnitten und hätte somit keine großen Einflussmöglichkeiten auf die Regierung, argumentieren sie. 

Der SPD-Parteitag hat allerdings gezeigt, wie groß die Skepsis an der Basis gegen eine Koalition mit der Union ist. Nach dem Wahldebakel von 20,5 Prozent im September sehen viele Genossen die große Koalition als abgewählt an. Auf dem Parteitag hatte es Dutzende Redebeiträge gegeben, die vor einer erneuten großen Koalition warnten. Auch die geforderte Erneuerung der SPD kann nach Auffassung vieler Parteimitglieder nur in der Opposition gelingen.

Spannend wird daher, ob die Partei Koalitionsverhandlungen zustimmen wird. Denn über die Aufnahme konkreter Koalitionsverhandlungen muss ein SPD-Sonderparteitag entscheiden. Der soll wahrscheinlich – je nach Verhandlungsverlauf – Mitte Januar abgehalten werden. Am Ende sollen dann die rund 440.000 SPD-Mitglieder per Briefwahl über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen, das könnte zwei bis drei Wochen dauern und rund zwei Millionen Euro kosten. Eine Regierung wird wohl frühestens im März stehen.

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