SPD und Union Merkel will keine Neuwahlen

Neuwahlen? Nein danke, sagt Kanzlerin Merkel wenige Tage vor dem Treffen mit den Chefs von CSU und SPD beim Bundespräsidenten. SPD-Chef Schulz ist nun offen für Gespräche mit der Union.

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Angela Merkel gibt dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz im September dieses Jahres vor dem TV-Duell die Hand. Quelle: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Neuwahlen als Konsequenz aus den gescheiterten Jamaika-Gesprächen mit FDP und Grünen eine Absage erteilt. „Ich halte überhaupt nichts davon, wenn wir mit dem Ergebnis nichts anfangen können, dass wir die Menschen wieder bitten, neu zu wählen“, sagte die CDU-Chefin am Samstag beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Kühlungsborn. Die SPD-Spitze zeigt sich nach ihrem früheren kategorischen Nein zur Neuauflage einer großen Koalition nun zumindest gesprächsbereit. Einige Sozialdemokraten bauen bereits hohe Hürden auf.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach dem Jamaika-Aus Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer für Donnerstagabend zu einem Gespräch eingeladen. „Ich weiß natürlich nicht, wie die Dinge in den nächsten Tagen weitergehen“, sagte Merkel. Sie fügte hinzu: „Es wäre wünschenswert, sehr schnell zu einer Regierung zu kommen - nicht nur zu einer geschäftsführenden.“

Merkel führte bereits von 2005 bis 2009 und 2013 bis 2017 große Koalitionen an. Mit der SPD regiert die Union derzeit nur geschäftsführend. Die Bundesregierung sei handlungsfähig, versicherte Merkel. Nach dem Jamaika-Aus liegen Neuwahlen als eine Option auf dem Tisch, die auch Steinmeier vermeiden will. Das Staatsoberhaupt hatte die Parteien aufgerufen, sich nicht um politische Verantwortung zu drücken. Das Ergebnis von Neuwahlen könnte ähnlich ausfallen wie am 24. September, und die Parteien wären keinen Schritt weiter. Zudem ist die Furcht verbreitet, die AfD könnte noch stärker abschneiden.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov glauben 35 Prozent der Bürger, die AfD profitiere am stärksten vom Scheitern der Jamaika-Gespräche. Das ist weit mehr, als anderen Parteien zugesprochen wird.

Nach der Einladung Steinmeiers hatte Schulz Gesprächsbereitschaft mit der Union signalisiert. Beim Bundeskongress der Jungsozialisten am Freitagabend sagte er, einen Gesprächswunsch des Bundespräsidenten könne und wolle er nicht abschlagen. Schulz betonte bei den Jusos, die eine große Koalition ablehnen, er strebe keine große Koalition, keine Minderheitsregierung und keine Neuwahlen an. „Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen.“

Am Samstag warb SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles um Unterstützung des Parteinachwuchses. Mit dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen sei eine neue Lage entstanden. „Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden“, betonte Nahles. „Meiner Meinung nach brauchen wir in den nächsten Wochen alle, auch die Jusos, um aus dieser ungeheuerlichen, von anderen angerührten Kacke einen guten Weg nach draußen zu finden. In welcher Form und in welcher Konstellation wir Verantwortung dabei übernehmen, ist offen und muss auch offen bleiben“, sagte die frühere Juso-Chefin.

Eine Entscheidung über die mögliche Neuauflage der großen Koalition im Bund wird nach Angaben von SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel nicht vor dem Bundesparteitag fallen, der vom 7. bis 9. Dezember stattfindet. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dem „Trierischen Volksfreund“ (Samstag): „Frau Merkel ist bei Lage der Dinge doch nicht in einer Position, in der sie Bedingungen stellen kann.“ SPD-Vize Ralf Stegner stellte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) klar, dass eine GroKo-Neuauflage kein Selbstläufer wäre. „Ein „Weiter so“ kann und darf es nicht geben“, sagte er. Nordrhein-Westfalens SPD-Landeschef Michael Groschek betonte in einem dpa-Gespräch, entscheidend sei, dass sich die SPD in den Gesprächen nicht von sozialdemokratischen Inhalten abbringen lasse.

Die Grünen stellen sich nach dem Jamaika-Aus auf vier weitere Jahre in der Opposition ein. Parteichef Cem Özdemir sagte auf dem Bundesparteitag in Berlin, bei einer neuerlichen großen Koalition komme es „massiv“ darauf an, für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einzustehen. Im Parlament drohe ein Überbietungswettbewerb des Populismus von links und rechts. „Da wird es ganz zentral auf uns ankommen“, sagte Özdemir. Für das Scheitern der Jamaika-Gespräche machten die Grünen die FDP verantwortlich.

Deren Vorsitzender Christian Lindner entgegnete, nach weit über 100 Gesprächsstunden habe sich klar abgezeichnet: „Jamaika wäre keine stabile, keine gute Regierung geworden.“ Lindner gab am Samstag den Vorsitz der nordrhein-westfälischen FDP ab. Zum Nachfolger wurde auf einem Landesparteitag in Neuss NRW-Familienminister Joachim Stamp gewählt.

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