SPD Wie die Partei mit ihrem Chef hadert

Die K-Frage schwebt über der Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion. Zwar gilt die Kandidatur von Sigmar Gabriel nach wie vor als sehr wahrscheinlich. Unumstritten ist der Parteichef jedoch nicht.

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Seine Kanzlerkandidatur gilt als sehr wahrscheinlich. Quelle: dpa

Berlin Wer die Tagesordnung der Klausursitzung der SPD-Bundestagsfraktion liest, gewinnt den Eindruck, die sozialdemokratischen Abgeordneten wollten sich allein mit politischen Inhalten befassen. In den Papieren, die zur Beschlussfassung anstehen, geht es um Themen wie den Brexit, um Teilzeitarbeit, Steuerdumping, Managergehälter und Mieterrechte.

Ein Thema, das nicht auf der Tagesordnung steht, dürfte die zweitätige Veranstaltung, die am heutigen Donnerstag um 15 Uhr mit dem Bericht des Fraktionschefs Oppermann beginnt, allerdings dominieren: die K-Frage. Denn auch innerhalb der Fraktion wird derzeit engagiert darüber debattiert, ob SPD-Chef Sigmar Gabriel tatsächlich zum Spitzenkandidaten der SPD für die Bundestagswahl im September ausgerufen werden soll oder nicht.

Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gilt als Alternative oder doch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Die Unsicherheit in der SPD-Fraktion sei derzeit „sehr groß“, ist zu vernehmen. Hinter den Kulissen debattieren die Abgeordneten heftig, wie die Partei mit einem Kandidaten durch den Wahlkampf gehen soll, der keine Chance hat, mehr noch: der die Partei unter die 20 Prozent reißen könnte.

„Es sind viele Stimmen zu hören, Gabriel sei nicht der Richtige“, sagt eine Abgeordnete, die natürlich ihren Namen nicht in der Presse sehen will. „Gabriel kommt nicht glaubwürdig rüber und auch nicht gradlinig“, meint sie. Er sei ein wunderbarer Rhetoriker und mitreißender Wahlkämpfer. Aber durch seine Fehler in den letzten Jahren habe seine Glaubwürdigkeit gelitten. Das lasse sich nicht mehr ändern.

Dennoch bleibt derzeit nach außen alles ruhig und wirkt diszipliniert. „Keiner möchte der Königsmörder sein“, heißt es in der Fraktion. Darum werde die K-Frage auch bei der Fraktionsklausur offiziell keine Rolle spielen. Alle seien sich bewusst, dass dies sofort nach außen dringen würde.

Einzig der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, wagt sich noch aus der Deckung. „Die SPD hat für die Nominierung ihres Kanzlerkandidaten einen Fahrplan beschlossen, der gilt“, meint Miersch, setzt dann aber nach: „Ich hoffe sehr, dass in der engeren Parteiführung sorgfältig abgewogen wird, welcher Kandidat die besten Chancen hat und dabei auch demoskopische Erkenntnisse berücksichtigt werden.“ Noch deutlicher kann Kritik an einer Kandidatur Gabriels derzeit nicht ausfallen.


In der K-Frage gespalten über alle Flügel

„Die schlechten Umfragewerte für Gabriel machen die Leute nervös“, heißt es in der Fraktion. Tatsächlich haben viele Abgeordnete Angst um ihr Mandat. Ein Drittel der SPD-Parlamentarier sieht sich wackeln – und das betrifft nicht nur Hinterbänkler. Die K-Frage wird darum für viele zur existenziellen Frage.

Zugleich wird Unmut über Martin Schulz geäußert. Natürlich gebe es Truppen für einen alternativen Kandidaten, heißt es in der Fraktion. Wenn Schulz ein Signal senden würde, ginge es sofort los. Selbst SPD-Vize und Landesvorsitzende stünden zu seiner Unterstützung bereit. Eine Urabstimmung wäre denkbar. Doch Schulz rege sich nicht. „Wenn es keinen alternativen Kandidaten gibt, können wir ihn auch nicht in Stellung bringen“, sagt einer.

In der K-Frage ist die SPD-Fraktion gespalten quer durch alle Flügel. Befürworter von Gabriel finden sich beim Seeheimer Kreis ebenso bei der SPD-Linken. Seine stärksten Kritiker finden sich dort ebenfalls.

Wer sich über die Fraktion hinaus umhört, bekommt ebenfalls ein durchwachsenes Echo. An innerparteilichen Gabriel-Kritikern besteht offenbar kein Mangel. Allerdings halten sie sich im Moment überwiegend zurück. Juso-Chefin Johanna Uekermann gehört zu den wenigen Sozialdemokraten, die auch jetzt mit Kritik nicht hinterm Berg halten.

„Ich glaube, dass die Stimmung nach wie vor sehr kritisch ist. Nicht nur bei den Jusos, sondern auch an der Parteibasis ihm gegenüber“, sagte Uekermann. Gabriel werde viel Arbeit haben, um die Partei hinter sich zu versammeln und für den Wahlkampf zu motivieren.Zudem bedauerte die Juso-Chefin, dass der SPD-Kanzlerkandidat nicht per Urwahl gesucht wird. „Das wäre eine Chance gewesen für die Partei, zu diskutieren und dann zu entscheiden“, erklärte Uekermann. „Ich finde, so richtig zeitgemäß ist die Entscheidung, so wie sie jetzt fällt, nicht mehr.“

Wen sie als Kandidat favorisiert, sagte die Juso-Chefin nicht. Die Entscheidung über die Kandidatur soll bei einer Klausurtagung des Parteivorstandes fallen, die am 29. und 30. Januar in Berlin stattfindet. Bis dahin darf weiter spekuliert werden.

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