Spionageverdacht Polizei durchsucht Räume von Ditib-Geistlichen

Geistliche sollen Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben. Wegen des Verdachts der Weitergabe von Informationen an das türkische Generalkonsulat wurden Räume des Islamverbandes Ditib durchsucht.

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Das Foto zeigt eine Ditib-Moschee in Rheinland-Pfalz, die Fahnder des Bundeskriminalamtes aufgrund von Spionage-Vorwürfen gegen Imame durchsucht haben. Quelle: dpa

Berlin/Karlsruhe Bei Razzien in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat die Polizei die Wohnungen von Geistlichen des türkischen Islamverbandes Ditib durchsucht. Im Auftrag der Regierung in Ankara sollen sie Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben.

Es bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten Informationen über Gülen-Anhänger gesammelt und sie an das türkische Generalkonsulat in Köln weitergegeben hätten, erklärte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch in Karlsruhe. Die vier Beschuldigten hätten auf eine Aufforderung der türkischen Religionsbehörde Diyanet vom 20. September 2016 hin gehandelt.

Bundesjustizminister Heiko Maas forderte Ditib auf, die Vorwürfe unverzüglich und lückenlos aufzuklären. „Nichts rechtfertigt die Begehung von Straftaten“, erklärte er. „Wer den Islam nur als Deckmantel für Spionage benutzt, kann sich nicht auf die Religionsfreiheit berufen.“

Ditib-Sprecher Bekir Alboga wies die Anschuldigungen zurück und verwies darauf, dass sich die Emrittlungen nicht gegen seinen Verband, Mitarbeiter oder Ditib-Moscheen richteten. Ermittelt werde gegen Einzelperonen, die unerlaubt Informationen gesammelt und weitergeleitet haben sollten. Ditib sei „nicht Dienstherr der Imame“. Niemand werde von seinem Verband beschäftigt, der nach deutschem oder ausländischem Recht eine Straftat begangen habe, sagte Alboga.

Maas sagte, wenn sich der Spionageverdacht gegen einzelne Ditib-Imame bestätige, müsse sich die Organisation vorhalten lassen, zumindest in Teilen ein verlängerter Arm der türkischen Regierung zu sein. „Grundsätzlich gilt: Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß. Der Verband muss sich glaubhaft von Ankara lösen.“ Maas forderte Ditib zu einer Änderung der Satzung auf. „Nur als unabhängiger deutscher Verband hat die Ditib eine Zukunft als verlässlicher Partner.“


„Erdogans Spione“

Ditib war in der Vergangenheit ein enger Ansprechpartner für die Politik in Deutschland. Zuletzt stellten jedoch einige Bundesländer die Zusammenarbeit infrage. Kritiker werfen Ditib eine zunehmend konservative, der türkischen Regierungspolitik entsprechende Haltung vor.

Die Bundesanwaltschaft erklärte, die Aufforderung von Diyanet zur Spionage sei verbunden gewesen mit der Feststellung, dass die Bewegung des in den USA im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch in der Türkei im vergangenen Juli verantwortlich sei. Gegen die vier Geistlichen werde wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit ermittelt.

Nach Angaben von Sprecherin Frauke Köhler gab es keine Festnahmen. Ein Ermittlungsrichter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht vorlägen. Ausgangspunkt der Durchsuchungsmaßnahmen waren laut Köhler eine Strafanzeige des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck sowie ergänzend dazu eingeholte Erkenntnisse beim Bundesamt für Verfassungsschutz sowie dem BND.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist wegen zahlreicher Differenzen ohnehin gespannt. Die Ditib gilt als mit Abstand größte muslimische Organisation in Deutschland. Sie vertritt als Dachverband nach eigenen Angaben über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime in 900 Gemeinden. Die „Diyanet Isleri Türk Islam Birligi“ (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ist laut ihrer Homepage überparteilich.

Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte, die Durchsuchungen bei „Erdogangs Spionen“ kämen spät, „wahrscheinlich zu spät“. Zahlreiche Ditib-Spitzel hätten sich dank des langen Stillhaltens der deutschen Behörden wohl in die Türkei absetzen und Beweise vernichten können.

Der Grünen-Politiker Beck attackierte Minister Maas. Der SPD-Politiker müsse erklären, warum von ihm nichts unternommen worden sei, damit sich verdächtige Imame der Strafverfolgung nicht durch Flucht entziehen konnten.

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