Spitzenkandidatur von Özdemir „Die Umstände müssen passen“

Cem Özdemir hat seinen Hut in den Bewerberring der grünen Spitzenkandidaten für 2017 geworfen. Die Kandidatur war zu erwarten. Anders als seine Konkurrenten ließ er sich damit aber Zeit.

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Der Bundesvorsitzende der Partei von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, will seine Partei in die Bundestagswahl 2017 führen. Quelle: dpa

Berlin Die Grünen sitzen demnächst in zehn Landesregierungen, sollte es in Sachsen-Anhalt mit der ersten schwarz-rot-grünen Regierungsbildung tatsächlich klappen. In Hessen regiert Schwarz-Grün und in Baden-Württemberg wohl bald Grün-Schwarz. Konstellationen, die zeigen, dass heute in der Parteienlandschaft vieles möglich ist, was lange undenkbar war.

Nun wollen die Grünen 2017 auch im Bund wieder regieren, macht Parteichef Cem Özdemir auf Facebook in seinem Bewerbungs-Clip für die Spitzenkandidatur klar. Özdemir hat relativ lange auf seine Kandidatur warten lassen. Wesentlich schneller waren der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck und Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter.

„Die Umstände müssen passen. Die Themen müssen passen. In der Familie muss es passen. Das tut es jetzt“, begründet Özdemir in der ARD sein langes Zögern. Die Themen, die sich Özdemir auf die Fahnen schreibt, sind original Grünen-Themen: Umwelt, Gerechtigkeit und Integration in einem weltoffenen Deutschland. Integration - „wie das geht? Davon verstehe ich was als anatolischer Schwabe“, sagt Özdemir und unterstreicht bei der Gelegenheit auch, dass er dem realpolitischen Flügel der Partei zuzurechnen ist.

Bei den beiden ersten, 2012 per Urwahl bestimmten Grünen-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt stimmten die Themen eher nicht. Vor allem Trittin wurde im Wahlkampf 2013 für das Image der Verbots- und Steuererhöhungspartei verantwortlich gemacht.

Die Jüngeren haben daraus gelernt. Habeck, Hofreiter und Özdemir stehen für einen Neustart ihrer Partei im Bund - mit vollkommen neuen Aussichten auf politische Konstellationen. Derzeit haben die Grünen in einem Bündnis mit der Union wesentlich bessere Chancen auf eine Regierungsbeteiligung im Bund als mit der in Umfragen bei 20 Prozent dümpelnden SPD. Und auch Rot-Rot-Grün ist hier derzeit kaum vorstellbar.

Der bisherige grüne Juniorpartner kommt mehr und mehr auf Augenhöhe mit der SPD und wird vor allem als Koalitionspartner interessanter. Den neuen Pragmatismus der Grünen verkörpert wie kein anderer der baden-württembergische Ministerpräsident Wilfried Kretschmann. Er macht mit Grün-Schwarz im Südwesten viele andere, ähnliche Konstellationen hoffähig.

Der „anatolische Schwabe“ und grüne Realo Özdemir bringt - anders als der Linke Hofreiter und der im Bund wenig bekannte Habeck - für solche neuen Konstellationen gute Voraussetzungen mit. Özdemir ist einer jener Grünen, die schon in den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er Jahre in der sogenannten Pizza-Connection den Kontakt zu jungen Unionspolitikern suchten. Damals trafen sich Grüne mit CDU-Leuten wie Hermann Gröhe, Peter Altmaier oder Julia Klöckner, später mit Jens Spahn.

Nun gilt aber auch bei einer grünen Spitzenkandidatur für 2017, dass sie mit einer Frau und einem Mann besetzt sein muss. Nicht festgeschrieben ist zwar, dass die eine Doppelspitze den Realos zugerechnet werden muss und die andere den Linken, aber es wäre hilfreich. Mit Katrin Göring-Eckardt ist bisher nur eine Frau gesetzt, und die wird dem realpolitischen Flügel zugerechnet.

Das macht es für Özdemir nicht einfacher. Bei der Abstimmung der Parteimitglieder über die Spitzenkandidaten 2012 sagte Özdemir: „Ich glaube, niemand geht beschädigt aus der Urwahl hervor.“ Dieses Mal könnte es anders sein. Bei einer Niederlage wäre er möglicherweise ein Parteichef auf Abruf.

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