Staatsfinanzen Das überflüssige Geschäft mit dem Branntwein-Monopol

Die Branntwein-Monopolverwaltung kauft Alkohol teuer ein und verkauft ihn billig weiter. Ein höchst überflüssiges Geschäft.

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Schnapsbrennerei Quelle: dpa/dpaweb

Eberhard Haake, Klaus Lindenmann und Christa Klaß muss man sich als beschwingte Menschen vorstellen. Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps, heißt es für gewöhnlich. Für die drei gilt das nicht: Für sie ist Dienst Schnaps und Schnaps Dienst. Denn Haake, der Bundesbeamte, und Lindenmann, der badische Lobbyist, leben vom Hochprozentigen. Und Klaß, die Politikerin, hilft, dass das so bleibt. Zumindest, bitte, noch ein paar Jahre! Zum letzten Mal, versprochen!

Aber der Reihe nach: Eberhard Haake residiert in Offenburg als Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, kurz BFB. Im angeheiterten Zustand könnte man es wagen, den ehemaligen Zollbeamten Haake als Chefhändler des Bundesschnapsamtes zu bezeichnen. Wäre das Ganze denn heiter und nicht vor allem eines: teuer.

Kreative Schnapsbrenner

Dabei ist der Job von Haakes 230 Mitarbeitern überschaubar: Sie kaufen den fast 23.000 deutschen Obst- und Landwirtschaftsbrennereien zum Selbstkostenpreis Rohalkohol ab; zuletzt für rund 156 Euro den Hektoliter. Die Behörde reinigt dann den Stoff und verkauft ihn als Neutralalkohol weiter, etwa an Kosmetikhersteller und Pharmakonzerne. Der Haken: Dafür erhält sie deutlich niedrigere Marktpreise. Die staatseigene Schnapswaschanlage kostet deutsche Steuerzahler so 80 Millionen Euro pro Jahr.

Nüchtern kann man so ein Geschäft eigentlich nicht machen. Aber es ist ja nicht das eigene Geld. Das Branntweinmonopolgesetz, in Kraft seit 1922, hat so Weltkrieg, Währungsreform und Wende unbeschadet überstanden.

Verständlich, dass es Menschen wie Klaus Lindenmann schwerfällt, sich ein Leben ohne vorzustellen. Der Verband der Deutschen Klein- und Obstbrenner, den er vertritt, braucht kein Berliner Büro, nur eine Adresse im lieblichen Oppenau im Schwarzwald. Auch die badische Melodie in Lindenmanns Stimme macht fast vergessen, dass er Lobbyist ist. Das Monopol sei „ein Syschdem, das funktioniert“.

Und das will erhalten bleiben. Weil niemand als bedürftiger Subventionsbettler gelten möchte, sind die Schnapsbrenner kreativ. Das Branntweinmonopol erhalte wertvolle Streuobstwiesen, heißt es dann, es sichere regionale Arbeitsplätze. Und überhaupt: Viele Landwirte verschafften sich so ein zweites Standbein. Der Subventionsbericht der Bundesregierung offeriert dagegen eine schnödere Begründungsprosa und spricht von der „Sicherung angemessener Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe“.

Für Ökonomen ist das Ganze ohnehin ein Fall für die allerletzte Runde. „Einerseits will der Staat, dass seine Bürger weniger Alkohol trinken und finanziert entsprechende Aufklärungskampagnen. Andererseits fördert er die Schnapsproduktion“, sagt Justus Haucap, Wirtschaftsprofessor an der Universität Düsseldorf. „Das erzeugt doch eine gewisse Paradoxie.“

Das meinte seit einiger Zeit auch die Europäische Kommission und wollte den Hahn am Ende dieses Jahres endlich zudrehen. Doch bei schnapsaffinen Abgeordneten werden solche Einwände nicht einfach runtergeschluckt. Damit alles so bleibt, wie es war, greifen EU-Parlamentarierinnen wie Christa Klaß – selbst Weinbau-Unternehmerin – zum Mittel der herzlichen Einladung.

Und so führten Dienstreisen des dänischen EU-Generaldirektors Lars Hoelgaard, zuständig für Landwirtschaft, in den vergangenen Monaten bevorzugt in bayrische Brennereizentren wie Feldkirchen und Bad Aibling – oder eben nach Trier, zu Christa Klaß. Danach, sagt sie zufrieden, hatte die Kommission endlich „verstanden“.

Auf Papier liest sich das Verständnis seit Kurzem so: Das deutsche Branntweinmonopol, darf – mit ein paar Kürzungen und Ausnahmen – nun noch einmal sieben Jahre weiter existieren. Im Bundeslandwirtschaftsministerium feiert man seitdem die gelungene deutsche Interessenpolitik. Nach 2017 sei dann aber definitiv Schluss, versichert das Ministerium. Mit einem Nachsatz: „Natürlich“ werde man „prüfen, welche Zukunftsperspektiven die landwirtschaftlichen Brennereien – zumindest teilweise – nach dem Auslaufen des Branntweinmonopols haben“.

Eine Arbeitsgruppe tagt bereits. Ein Schelm, wer da an subventionierte Ersatzdrogen denkt.

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