Staatskonzerne Warum die Deutsche Bahn Jamaika fürchtet

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Wettbewerbliche Impulse

Für diesen Schnitt gibt es gute Argumente. Mehr Konkurrenz führte dazu, dass das Netz effizient genutzt würde und Kunden die besten Angebote erhielten. „Momentan kann die Deutsche Bahn aber andere Wettbewerber benachteiligen“, heißt es im Programm der FDP. „Denn sie betreibt fast das gesamte deutsche Schienennetz.“ Die Liberalen gehen noch weiter: Im Anschluss an eine Trennung „sollen die Betreibergesellschaften an die Börse gebracht werden“.

Auf nach Jamaika - und mit welchen Leuten?
Nach dem Wahl-Beben gibt es nur zwei mögliche Regierungen: die große Koalition oder Jamaika. Doch die SPD hat einem erneuten Bündnis mit der Union schon eine Absage erteilt. Mal sehen, ob SPD-Chef Martin Schulz hart bleibt. Aber sollte es mit CDU, CSU, FDP und Grünen klappen, wer würde dann Deutschland im Kabinett Merkel IV regieren? Eine Übersicht. Quelle: dpa
Angela Merkel (CDU/63): Bleibt Kanzlerin. Auch wenn ihre CDU über acht Prozentpunkte gegenüber 2013 einbüßte. Merkel dürfte pragmatisch sein. Kohle-Ausstieg? Könnten die Grünen bekommen. Ausstieg aus Diesel und Benziner? Eher nicht. Da würden ihr CSU-Chef Horst Seehofer und die Autolobby aufs Dach steigen. Apropos Seehofer. Er stürzte in Bayern unter 40 Prozent mit der CSU ab. Ein Jahr vor der Landtagswahl könnte es ihm besonders schwerfallen, mit den Grünen in Berlin zu regieren. Das schränkt Merkels Beinfreiheit ein. Aus dem CDU-Präsidium verlautet, Merkel wolle auf jeden Fall die neue Regierung in ruhiges Fahrwasser führen. Vielleicht leite sie zur Mitte der Wahlperiode einen Wechsel ein oder gebe den Parteivorsitz 2020 ab und mache den Weg frei für die Nachfolge zur nächsten Wahl. Quelle: REUTERS
Wolfgang Schäuble (CDU/75): Die FDP dürfte in Koalitionsverhandlungen Anspruch auf das Finanzministerium erheben. Die Lammert-Nachfolge als Bundestagspräsident dürfte für Schäuble eine ernsthafte Option sein. Der dienstälteste Abgeordnete gilt als leidenschaftlicher Parlamentarier. Von den vielen Spitzenämtern, die Schäuble in der Vergangenheit ausgeübt hatte, dürfte ihm der Fraktionsvorsitz bei der Union am meisten Spaß gemacht haben. Schäuble ist aber auch jemand, der gern regiert und gestaltet. Und der Umbau der Euro-Zone ist in den nächsten Jahren eine schwierige und reizvolle Aufgabe. Quelle: dpa
Ursula von der Leyen (CDU/58): Ihr PR-getriebener Umgang beim Bundeswehr-Skandal um rechte Umtriebe in der Truppe hat ihr Macherin-Image angekratzt. Seitdem begegnen ihr viele in der Bundeswehr mit Misstrauen, sie würde trotzdem gern Verteidigungsministerin bleiben. Eine wichtige Rolle dürfte sie jedenfalls auch in Zukunft spielen. Quelle: dpa
Peter Altmaier (CDU/59): Merkels Allzweckwaffe. Auch bei den Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis und darüber hinaus dürfte er eine wichtige Rolle spielen dürfte. Ihm wird jederzeit ein Ministerposten zugetraut. Quelle: REUTERS
Joachim Herrmann (CSU/61): Bayerns Innenminister war der Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl. Ziel von CSU-Chef Horst Seehofer ist es, für Herrmann das Bundesinnenministerium zu „erobern“. Unklar ist, ob das gelingt. Da Herrmann nun trotz seines ersten Listenplatzes kein Bundestagsmandat erhält, dürfte es für ihn noch schwieriger werden. Quelle: dpa
Thomas de Maizière (CDU/63): In der Flüchtlingskrise geriet der Innenminister unter Druck, weil es im zuständigen Bundesamt nicht rund lief. Sollte Finanzminister Schäuble doch seinen Posten räumen, könnte de Maizière das Haus der Zahlen reizen. In Sachsen war er von 2001 bis 2002 Finanzminister. Ansonsten vielleicht wieder Manager im Kanzleramt? Quelle: dpa

In der Konzernzentrale der Bahn setzt man angesichts der gelb-grünen Einhelligkeit auf den erneuten Widerstand der Union. Oder wenigstens auf deren Milde – und Personalpolitik. Es werde stark darauf ankommen, wer das Verkehrsministerium übernehmen wird, ist im Bahntower zu hören.

Die meisten hoffen auf Andreas Scheuer. Der CSU-Generalsekretär war von 2009 bis 2013 Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium unter CSU-Minister Peter Ramsauer, der zwar die Fernbusse auf die Bahn losließ, aber strukturell nichts änderte. Von Scheuer ginge weniger Veränderungsgefahr aus als etwa von Anton Hofreiter, dem unbequemen Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Den Mann, den alle Toni nennen, fürchtet die Bahn am meisten. Hofreiter war von 2011 bis 2013 Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag und galt als notorischer Kritiker des Konzerns. Er gehört der 14-köpfigen Verhandlungsrunde der Grünen für eine mögliche Jamaika-Koalition an. Seit Jahren fordert er die Trennung von Netz und Betrieb.

Grüne wie Liberale sind überzeugt, dass ein staatlich betriebenes Schienennetz, das unabhängig und neutral agiert, deutlich mehr Verkehr auf die Schiene holen kann, als es beim heutigen Konzern der Fall ist. Damit schlagen sich die Parteien nicht nur auf die Seite der Europäischen Kommission. Auch die Monopolkommission in Bonn wirbt seit Jahren für eine Entflechtung. „Mit einer Jamaika-Koalition bietet sich die Chance, schon seit Langem gestellte Forderungen der Monopolkommission umzusetzen“, sagt der Vorsitzende Achim Wambach. Es bestehe „immer noch ein erhebliches Diskriminierungspotenzial durch die Deutsche Bahn“. Eine Aufspaltung von Netz und Betrieb würde „neue wettbewerbliche Impulse setzen in einem Sektor, der immer noch stark von einem Unternehmen dominiert wird.“

Wettbewerb statt Geklungel

Dank Jamaika bekommt die ewige Debatte über die Rolle der Staatsbeteiligungen auch in anderen Bereichen eine neue Dynamik. Beispiel Deutsche Telekom. Zwar ist der Bund mit dem Konzern längst nicht mehr so stark verbandelt wie im Falle der Bahn. Doch die Macht der Bonner Lobbyarmee dürfte in Berlin künftig nicht mehr ganz so weit reichen wie bisher. Den scheidenden Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) konnte der Staatskonzern noch als Fürsprecher einbuchen: Dobrindt sorgte dafür, dass der Konzern seine vorhandenen Kupferleitungen aufpeppen und exklusiv vermarkten durfte. Das hat den Ausbau des Glasfasernetzes ausgebremst.

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