Staatsrechtler Dreier "Das Grundgesetz ist nicht perfekt"

Der Verfassungsrechtler Horst Dreier skizziert die Rolle des Volkes auf dem Weg zu einem europäischen Bundesstaat. Er bezweifelt zugleich, dass die Deutschen dabei mitspielen werden.

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Horst Dreier Quelle: Anna Mutter für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Dreier, gestern Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), heute Fiskalpakt, morgen vielleicht Schuldenunion. Wie viel Europa ist mit dem Grundgesetz überhaupt zu machen?

Dreier: Die entscheidende Frage ist, wann wir den Punkt des Identitätswechsels der Bundesrepublik Deutschland und unseres Grundgesetzes erreichen. Wenn Deutschland vom souveränen Staat zu einem Gliedstaat der Europäischen Union herabgestuft werden soll, dann brauchen wir eine neue Verfassung.

Ist dieser Punkt mit dem jetzt verabschiedeten ESM bereits erreicht?

Im Kern liegt der Frage nach der noch zulässigen Kompetenzverlagerung auf die Europäische Union das Sorites-Paradoxon zugrunde: Wenn ich drei Sandkörner auf den Boden lege, dann würde niemand sagen, das sei ein Sandhaufen. Auch bei den nächsten drei käme keiner auf die Idee. Wenn ich den Vorgang aber viele Tausend Mal wiederhole, dann liegt da ohne Zweifel ein Sandhaufen. Nur kann niemand sagen, mit welchem Sandkorn es ein Sandhaufen geworden ist. Ähnlich wissen wir: Wenn der Staatenbund Stück für Stück seine Kompetenzen auf die höhere Ebene abgibt, wird er irgendwann ein Bundesstaat sein. Aber welche Kompetenzübertragung hat aus dem Staatenbund einen Bundesstaat werden lassen?

Sind wir nicht gerade an einem Punkt, an dem die politische Entscheidung einer ganzen Handvoll Sand gleicht?

Dafür spricht einiges: der Sprung von der Quantität zur Qualität. In seiner Entscheidung zum Lissabon-Vertrag hat das Bundesverfassungsgericht ja versucht, Kompetenzen zu definieren, die Deutschland nicht aufgeben darf, solange das Grundgesetz gilt. Auch wenn dieser Katalog vielleicht ein bisschen lang und bunt geraten ist: Die Budgethoheit spielt darin eine zentrale Rolle.

Wieder so ein vager Begriff. Wenn Deutschland für Summen haftet, die den Umfang des Staatshaushalts überschreiten, kann man dann noch von Budgethoheit sprechen?

Budgethoheit ist eigentlich kein vager Begriff. Es ist nur die Frage, wie weit selbst mit Zustimmung des Parlaments dieses Hoheitsrecht auf die supranationale Ebene übertragen werden darf. Der ESM sieht Eingriffsrechte in die Haushalte der Euro-Staaten vor.

Aber ist das nicht notwendig, um sicherzustellen, dass aufseiten der Krisenländer auch Reformanstrengungen unternommen werden?

Das mag ja sein. Aber schon der Begriff „Gouverneursrat“ klingt doch befremdlich. Da weht ein Hauch von Besatzungsmacht mit, zwar nicht militärisch, wohl aber ökonomisch.

Das Verfassungsgericht muss den ESM also stoppen?

Das muss das Gericht entscheiden. Sicher ließe sich ein Weg finden, auch diesen Vertrag noch einmal passieren zu lassen, vielleicht mit Auflagen. Schon kurz nach dem Lissabon-Urteil gab es ja einen Fall, da ging es um die Altersdiskriminierung von Arbeitnehmern. Viele Verfassungsrechtler sind davon ausgegangen, das Gericht würde hier sozusagen die Reißleine ziehen. Hat es nicht getan. Allerdings scheinen die Signale in jüngerer Zeit klar: Viel Spielraum bleibt nicht mehr.

Volksabstimmung über eine neue Verfassung

National oder auf EU-Ebene entscheiden?
Die deutsche und die europäische Flagge Quelle: dpa
Rentner Quelle: dpa
Die Familie einer Sozialhilfeempfängerin Quelle: dpa
Eine Steuererklärung Quelle: dpa
Die Schulden-Uhr Quelle: dpa
Ein Jobcenter in Madrid Quelle: dpa
Eine Migrantin in einem Deutsch-Kurs Quelle: dpa

Und was kommt dann? Einige Politiker schlagen eine Volksabstimmung vor.

Da müsste man zunächst einmal Klarheit schaffen, was für eine Art von Volksabstimmung man meint. Soll es eine Entscheidung des Volkes im Rahmen des Grundgesetzes sein? Dann müssten wir vorher unsere Verfassung ändern, denn im Augenblick ist das nicht vorgesehen. Oder soll es eine Volksabstimmung sein, mit der eine neue Verfassung beschlossen wird? Das wäre natürlich etwas ganz anderes.

Eine Revolution?

Gerade nicht. Das deutsche Grundgesetz weist nämlich eine durchaus ungewöhnliche Eigenart auf: Es regelt seine eigene Ablösung. Artikel 146 baut eine Legalitätsbrücke zwischen altem und neuem Staatsgrundgesetz.

Mit dem Grundgesetz sind wir bisher doch nicht schlecht gefahren.

Richtig. Aber eine neue Verfassung heißt ja nicht, dass man alles anders machen muss. Es wäre sogar möglich, die gleiche Verfassung bloß um eine Passage zu ergänzen, die den europäischen Bundesstaat als Ziel festschreibt. Das halte ich aber politisch nicht unbedingt für die wahrscheinlichste Variante.

Denn ist die Büchse der Pandora erst mal geöffnet, kann man viel Schabernack mit der Verfassung treiben.

Warum verbindet man in Deutschland das Aktivwerden des Volkes immer mit Horrorszenarien? Wir haben inzwischen mehr als 60 Jahre ununterbrochene Demokratieerfahrung, da kann man sich zutrauen, eine neue Verfassung zu entwickeln. Zudem ist das Grundgesetz keineswegs perfekt.

Die Streitpunkte bei der Bankenaufsicht
Wer haftet bei Bank-Pleiten?Die EU-Kommission verlangt, dass nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Banken selbst für ihre Risiken haften - und zwar grenzüberschreitend. Deshalb will die EU-Behörde die nationalen Fonds für Bankenabwicklung und Einlagensicherung dazu zwingen, sich im Notfall auf europäischer Ebene gegenseitig Geld zu leihen. Und das ist nur der erste Schritt. Quelle: dapd
Mittelfristig will die Kommission die nationalen Fonds auf EU-Ebene zusammenlegen. Frankreich unterstützt das, aber Deutschland winkt ab. Einer gemeinschaftlichen Haftung für Spareinlagen könne bei diesem Gipfel noch nicht zugestimmt werden, heißt es in Berlin. Quelle: dapd
Wo wird die zentrale EU-Bankenaufsicht angesiedelt?Die EU-Regierungschefs waren sich schnell einig: Die EZB soll die Bankenaufsicht in der Euro-Zone übernehmen. Doch die EU-Kommission hielt dagegen. Eigentlich wollte die Behörde die European Banking Authority (Eba) in London zu einer EU-Bankenaufsicht ausbauen. Quelle: dpa
Dass dieser Plan nicht durchsetzbar ist, hat Binnenmarktkommissar Michel Barnier rasch eingesehen. Er hielt aber nichts davon, die Bankenaufsicht voll in die EZB zu integrieren. Die Aufsicht müsse unabhängig von der Notenbank agieren, denn sonst komme es zu Zielkonflikten mit der Geldpolitik, sagte der Kommissar. Quelle: Reuters
Auf welcher Rechtsgrundlage operiert die EU-Bankenaufsicht?Die Frage steht im direkten Zusammenhang zur vorherigen. Die EZB will sich auf Basis von Artikel 127, Absatz 6 des EU-Vertrags ein Mandat für die Bankenaufsicht geben lassen. Dem Artikel zufolge können die Regierungschefs der EZB „einstimmig (...) besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute (...) übertragen“. Quelle: dapd
Damit wäre die Bankenaufsicht dem Einfluss der EU-Kommission entzogen. Deshalb verlangt die Kommission eine andere Rechtsgrundlage im EU-Vertrag. Quelle: dpa
Wie viele Staaten würden sich an einer Bankenunion beteiligen?Die vier Präsidenten der wichtigsten europäischen Institutionen, Herman Van Rompuy (Rat), José Manuel Barroso (Kommission), Jean-Claude Juncker (Euro-Gruppe) und Mario Draghi (EZB), sprechen in ihrem Reformpapier nur von der Euro-Zone. Der Teilnehmerkreis könnte aber über die 17 Euro-Staaten hinausgehen. Quelle: Reuters

Sie rühren am einzig Heiligen, was dem säkularen Deutschen nach dem Verlust der Deutschen Bundesbank geblieben ist.

Dreier: Der Idee einer Sakralisierung der Verfassung stehe ich in der Tat skeptisch gegenüber. Mir ist der nüchterne Blick auf Gesetze als Menschenwerk sympathischer, Grundgesetze eingeschlossen. Schauen Sie sich doch nur die Ewigkeitsgarantie in Artikel 79 an: Da wird der Bundesstaat auf alle Zeiten vor Veränderung geschützt. Es leuchtet doch wirklich nicht ein, den Deutschen zu verbieten, einen Zentralstaat zu schaffen, selbst wenn das Volk, alle Abgeordneten und Länder es wollten.

In Karlsruhe klagen 12.000 Menschen gegen den ESM. Das zeigt, dass viele nichts mehr fürchten als eine neue Verfassung. Im Grundgesetz suchen sie Schutz.

Diese Menschen fürchten gewiss vieles, aber weniger eine neue Verfassung, an deren Schaffung sie beteiligt werden. Was sie einzuklagen versuchen, ist doch: Solange das Grundgesetz gilt, sind so weitgehende Maßnahmen wie der ESM nicht zulässig, weil das die Kernkompetenzen des Staates zu stark beschneidet. Dafür bräuchten wir eine neue Verfassung, die Deutschland zu einem Gliedstaat der „Vereinigten Staaten von Europa“ machen würde. Dann wäre die große Frage, ob es dafür in Deutschland eine Mehrheit gäbe. Ich glaube das eher nicht.

"Viel zu ungleich für einen Bundesstaat"

"Das ist ein erneuter Dammbruch"
Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler lehnt die direkte Kreditvergaben der Euro-Rettungsfonds an notleidende Banken, wie sie der EU-Gipfel gerade beschlossen hat, ab. „Das ist ein erneuter Dammbruch", sagte der Euro-Skeptiker Schäffler am Freitag. „Jetzt boxen wir auch (nach einigen deutschen Instituten) andere europäische Banken mit Steuerzahlergeld heraus", bemängelte er. „Die bisherigen Regeln lassen das eigentlich nicht zu", ergänzte er. „Es geht also alles immer stärker in diese Transferunion hinein.“Auch die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht trifft auf Skepsis bei Schäffler. „Ich sehe das insofern kritisch, als das nicht schnell realisierbar ist", sagte er. Ein solches Vorhaben brauche Zeit, aber die Krise gebe es aktuell. „Jetzt eine neue Bankenaufsicht zu schaffen in so einer schwierigen Phase, das halte ich für sehr schwierig und das schafft vielleicht weitere Verunsicherung". Dass die EZB bei dieser europäischen Bankenaufsicht eine bestimmende Rolle spielen solle, sehe er allerdings nicht so kritisch. Quelle: dpa
Schäffler bemängelte, insbesondere mit Blick auf die am Freitag anstehenden Entscheidungen des Bundestages und des Bundesrates zum neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt: „Es ist wie bei manchen vorigen Entscheidungen: die Tinte ist noch nicht ganz trocken, da werden schon die nächsten Schritte angekündigt." Mit den jüngsten Entscheidungen in Brüssel werde erneut klar, alles gehe in Richtung Vergemeinschaftung der Schulden in Europa. „Das ist so", unterstrich der FDP-Bundestagsabgeordnete. Die letzte Konsequenz seien dann die bislang von der Bundesregierung abgelehnten Euro-Bonds. Quelle: dapd
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig hat sich mit den Vereinbarungen des Brüsseler EU-Gipfels zufrieden gezeigt. Die Ergebnisse wiesen nach vorn, sagte der SPD-Politiker am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Im Sinne Europas müssten Italien und Spanien mit ihren Finanzproblemen wieder auf Kurs gebracht werden. „Wir sind diejenigen in Europa, die am meisten davon profitieren, dass Europa funktioniert", betonte Albig. Dazu sei Wachstum notwendig. Deshalb befürworte er dass entsprechende Paket in Höhe von 120 Milliarden Euro, dass auf den Weg gebracht worden sei, sagte der Kieler Regierungschef. Quelle: dpa
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat die Ergebnisse der Brüsseler Gipfelnacht kritisiert. Einige Beschlüsse widersprächen den bisherigen Positionenen Deutschlands, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. „Bisher haben wir deshalb nie rote Linien überschritten, weil immer dann, wenn die rote Linie erreicht war, sie weiter verschoben wurde", beklagte der CDU-Politiker.Wenn beispielsweise der Vorrang des dauerhaften Rettungsschirm ESM vor den Verbindlichkeiten gegenüber privater Gläubiger wegfalle, sei das eine gute Nachricht für die privaten Gläubiger, aber nicht für die Steuerzahler, sagte Bosbach. Positiv bewertete er dagegen die Verabschiedung des Wachstumspakts. Quelle: dapd
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Beschlüsse des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs verteidigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe Versuche, eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden einzuführen, „erfolgreich" und "unterstützt von anderen Ländern" abgewehrt, sagte er am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Merkel habe sich in Brüssel „mit einem klaren Nein zu fragwürdiger Vergemeinschaftung durchgesetzt".Bei den Beschlüssen zu einer leichteren Unterstützung für Banken bleibe es dabei, „dass die Haftung der Kontrolle folgt und eben Bankenhilfen erst möglich sind, wenn es auch eine europäische Bankenaufsicht gibt", sagte Gröhe. Merkel sei insgesamt „standfest" geblieben und „für deutsche Interessen" eingetreten. „Deutschland muss Stabilitätsanker bleiben, darf nicht überfordert werden", sagte Gröhe. Quelle: dpa
Auf Deutschland kommen nach Überzeugung des CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch trotz des Neins zu Euro-Bonds wachsende Risiken zu. Deutschland sei längst in einem Mechanismus gefangen, der letztlich dazu führe, „dass die Risiken zu uns wandern", sagte der Kritiker des Berliner und Brüsseler Euro-Kurses am Freitag im Südwestrundfunk. Das halte er für grundfalsch, betonte Willsch. Letztlich würden die Finanzmarktakteure nicht mehr glauben, dass Deutschland alle Risiken tragen könne. „Und dann werden unsere Zinsen auch steigen", befürchtet der CDU-Politiker. Quelle: PR
Die SPD findet die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Bewältigung der Euro-Krise akzeptabel. Zwar habe Bundeskanzlerin Angela Merkel in wesentlichen Punkten, in denen sie vorher rote Linie markiert habe, nachgeben müssen, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Freitag dem Nachrichtensender n-tv. Sie fügte aber hinzu: „Aus meiner Sicht ist das inhaltlich aber durchaus begründet, und insoweit kann ich mit dem Ergebnis leben."Zufrieden zeigte sich Nahles, dass das Wachstumspaket, das auch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen solle, jetzt auf dem Weg sei. Auch eine gemeinsame Bankenaufsicht in Europa sei richtig. Dass es direkte Bankenhilfen geben solle, werde im konservativen Lager noch erhebliche Widerstände hervorrufen, mutmaßte Nahles. Da das aber mit der Bankenaufsicht verbunden sei, halte sie das für vertretbar. Quelle: dpa

Aber liegt das nicht vor allem an der mangelnden Legitimation der Organe?

Genau. Diese Defizite der demokratischen Legitimation der europäischen Organe sind aber auf absehbare Zeit unaufhebbar. Es fehlt der Europäischen Union an allem, um zu einem wirklichen einheitlichen Bundesstaat zu werden. Vor allem fehlt der zivilgesellschaftliche Unterbau, die kritische Öffentlichkeit, eine europäische Parteien- und Medienlandschaft. Mit 27 Mitgliedern müssen wir konstatieren: Wir sind viel zu ungleich, um zu einem gemeinsamen Bundesstaat zu verschmelzen. Mit den sechs Gründungsmitgliedern wäre das vielleicht noch möglich gewesen.

Aber ziehen wir nicht sogar genau die falschen Schlüsse, wenn wir, statt neue Legitimität zu schaffen, immer mehr Aufgaben über Organe wie die EZB, den ESM oder die Euro-Gruppe erledigen? Keines dieser Gremien ist vom Volk gewählt.

Machen wir uns nichts vor: Niemand profitiert von der europäischen Integration mehr als die Exekutive. Dieser Trend besteht schon lange, in der Krise wird er vollends offensichtlich. Im Zusammenspiel mit den Märkten, die jede Äußerung eines Regierungschefs als gesetzgeberische Tatsache auslegen, verstärkt er sich noch.

Da könnte das Verfassungsgericht doch einen Ausweg bieten. Wenn es heute klar sagen würde, bis dahin dürft ihr mit dem Grundgesetz gehen, dann müsste sich die Politik darauf berufen.

Das hat das Bundesverfassungsgericht doch mit dem Lissabon-Urteil versucht. Aber das Gericht entscheidet eben auch nicht im politik- und wirtschaftsfreien Raum. Und der Druck eines Szenarios, in dem es am Ende vielleicht heißt, das Verfassungsgericht hat den Euro gesprengt, ist natürlich immens.

Darf so etwas ein Gericht leiten? Es legt doch nur die Verfassung aus – und wenn dabei herauskommt, dass etwas unzulässig ist, dann kann es ja nichts dazu.

Von außen lässt sich das leicht sagen. Das Problem ist aus meiner Sicht, dass zum Beispiel der Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel – das Scheitern des Euro würde ein Scheitern Europas bedeuten – einen Sachzwang konstruiert, den es so nicht gibt. Natürlich weiß niemand, was passiert, wenn sich die Währungsunion auflöst. Aber genauso wenig wissen wir, was passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher. Deshalb sollten wir die Sache tatsächlich entwicklungsoffen diskutieren.

...und auch ein Ende des Euro in die Abwägung einbeziehen?

Zumindest sollte man beginnen, darüber nachzudenken, ob beim rastlos voranschreitenden europäischen Integrationsprozess alles richtig gelaufen ist. Der kannte ja immer nur eine Richtung: inhaltliche Intensivierung und territoriale Expansion, und zwar beides gleichzeitig. Vielleicht sollten wir den Prozess zur Abwechslung einmal entschleunigen und in Ruhe auf das erreichte Ergebnis zurückschauen. Möglicherweise kommt man dann zu dem Schluss: Vieles ging zu schnell, und manches hätten wir besser ganz gelassen.

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