Stararchitekt Albert Speer "Architektur wird zweitrangig"

Der Frankfurter Stararchitekt Albert Speer kämpft gegen Landschaftsfraß, Zersiedlung und öde Vorstädte. Sein Gegenentwurf: die ökologische, soziale und wirtschaftliche Metropole.

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Albert Speer Quelle: Ute Schmidt / Bildfolio

WirtschaftsWoche: Herr Speer, mit Ihrer Arbeit prägen Sie Metropolen wie Kairo, Shanghai und Doha. In welche Stadt reisen Sie persönlich am liebsten? 

Speer: In Europa ist Barcelona mein Favorit. Es bewahrt seine Tradition in Form einer herrlichen Altstadt. Die Stadterweiterung folgte einem klaren Schachbrettmuster: Plätze an den Ecken bilden die kommunikativen Verbindungsstücke, unterschiedliche Randbebauungen geben jedem Platz ein eigenes Flair.

Ist Barcelona ein Vorbild?

Absolut. Jedes Viertel vereint alle wichtigen Funktionen, also Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Vergnügen. Mit der Umgestaltung des Hafenviertels und im Zuge der Olympischen Spiele 1992 hat die Stadt das Meerufer zurückgewonnen und ein vitales, neues Zentrum geschaffen. Hinzu kommen Architektur und Kunst im öffentlichen Raum auf höchstem Niveau. Barcelona wächst überlegt und harmonisch. Das ist der Traum jedes Stadtplaners.

Und welche Städte beeindrucken Sie außerhalb Europas?

Singapur und Shanghai.

Ausgerechnet diese wuchernden Monsterstädte?

Singapur ist die überschaubarste und am besten organisierte Stadt der Welt. Trotz der engen Bebauung wirkt sie sehr grün, und trotz des enormen Bevölkerungszuwachses gibt es nicht ein Elendsviertel.

Klingt fast wie im Märchen. Wie haben die Verantwortlichen das geschafft?

Durch eine intelligente Planung. Sie haben schon vor 40 Jahren im großen Stil mit dem Bau von Sozialwohnungen begonnen und diese gut in die Stadt integriert. Zudem haben sie als Erste gesagt: Autos gehören zwar in die Stadt, aber in überschaubarem Maße. Deshalb gibt es dort längst eine Innenstadt-Maut. Parallel wurde das Nahverkehrssystem zu einem der sichersten weltweit ausgebaut.

Kritiker finden die Stadt schon zu klinisch.

Das finde ich nicht. Aber entscheidend ist, dass die Grundrichtung stimmt. Und die Stadt weiß, wohin sie will. Sie investiert ein Heidengeld in Forschungseinrichtungen und Universitäten und lockt Unternehmen an. Das macht sie sehr geschickt, und das viele Geld zahlt sich aus. Singapur weiß, dass die Wissensgesellschaft der Zukunft Standorte braucht, die zweierlei bieten: eine hohe Lebensqualität und ein erstklassiges Innovationsklima. Städte, die das bieten, werden zu den Gewinnern gehören.

Wäre es nicht sinnvoller, den Ansturm auf die Städte zu bremsen?

Das wird nicht gelingen. Ich sehe auch keinen Grund dafür. Städte sind die Wiege der Zivilisation und Motor des Fortschritts. Ihre Anziehungskraft wird steigen.

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