Steigende Vermögenspreise "Die Inflation ist stärker, als sie scheint"

Die Verbraucherpreise zeigen nicht das volle Ausmaß der Geldentwertung, sagt Kai Lehmann vom Flossbach von Storch Research Institute. Die wahre Inflation trifft die Vermögenspreise - zum Schaden der weniger Vermögenden.

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Die wahre Inflation findet bei Immobilien und anderem Vermögen statt: FVS-Vermögenspreisindex (rot) und Verbraucherpreisindex (blau) 2005 bis 2017. Quelle: Fotolia, Montage

WirtschaftsWoche: Ein von Ihrem Institut berechneter Index zeigt, dass die Vermögenspreise in Deutschland allein im ersten Quartal 2017 um 6,5 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen sind, also um mehr als das Dreifache der Verbraucherpreise, die man üblicherweise zur Berechnung der Inflationsrate betrachtet. Wie ist das zu erklären?

Kai Lehmann: Die Tendenz gibt es nun schon seit fast zehn Jahren. Damals haben die Notenbanken begonnen, im Zuge der Finanzkrise die Kapitalmarktzinsen stark zu senken. Ziel war natürlich, über eine höhere Inflationsrate das Wirtschaftswachstum anzuregen. Das ist bekanntlich bis heute nicht wirklich nachhaltig gelungen. Auch der Verbraucherpreisanstieg ist jetzt erst nach vielen Jahren wieder bei rund zwei Prozent. Aber die Europäische Zentralbank hält die Geldschleusen weiter offen. Das war für uns der Anlass, genauer hinzusehen, denn das viele neue Geld muss sich ja irgendwo zeigen. Also haben wir uns die Preise der Vermögen angeschaut, die in der öffentlichen Diskussion um die Geldentwertung leider viel weniger wahrgenommen werden als die Preise der Konsumgüter. Wir stellen fest, dass die Vermögenspreise seit 2009 ungebremst steigen.

Was genau erfassen Sie für Ihren FVS-Vermögenspreisindex?
Wir orientieren uns an der realen Vermögensallokation deutscher Haushalte. Die wird von der Deutschen Bundesbank mit Umfragen bei ein paar Tausend Haushalten repräsentativ erhoben. Wir haben auf Basis dieser Bundesbank-Daten sechs verschiedene Schichten der Vermögenden in Deutschland eingeteilt – von den wohlhabendsten zehn Prozent zu den ärmsten Haushalten. Erfasst wird Sachvermögen und Finanzvermögen. Zum ersten gehören Immobilien, die etwa 60 Prozent der Bruttovermögen ausmachen, außerdem Betriebsvermögen, also Firmeneigentum, und langlebige Gebrauchsgüter, wie Autos, Fernseher und Computer.

Kai Lehmann. Quelle: PR

Solche Geräte stecken auch im Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes.
Ja, das überschneidet sich. Aber die langlebigen Gebrauchsgüter machen beim Vermögen nur vier Prozent aus. Dazu kommen noch Sammel- und Spekulationsgüter, wie Kunstwerke, Oldtimer, teure Weine. Auf der anderen Seite kommen dann die Finanzvermögen hinzu, die insgesamt rund zwanzig Prozent ausmachen. Das sind Spar- und Sichteinlagen auf dem Girokonto, aber auch Aktienbesitz und Rentenwerte. Auch Gold natürlich, aber das macht nur einen kleinen Anteil aus.
Indem wir die Preise all dieser Vermögenswerte anteilsmäßig gewichten, können wir die Gesamtentwicklung der Vermögenspreise nachvollziehen. Wenn wir diesen Preis auf den Wert 100 für das Jahr 2014 indexieren, sind wir heute schon bei rund 115, während wir 2009 noch bei rund 80 waren. Die 6,5 Prozent Preisanstieg in diesem Jahr sind also keine Ausnahmeerscheinung, sondern Teil eines längeren Trends.

Also liegt der tatsächliche Kaufkraftverlust des Euro seit Jahren deutlich über der ausgewiesenen Inflationsrate?
Ja. Die Notenbank richtet ihre Geldpolitik immer an den Verbraucherpreisen aus. Sie begründet die offenen Geldschleusen damit, dass die Preissteigerungen sehr gering gewesen seien.

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