Steinbrück trifft Schäuble Alphatiere auf Schmusekurs

Seine Worte finden Gehör, seine Popularität steigt. Peer Steinbrück hat kein offizielles Amt, trotzdem gilt er als aussichtsreicher Kanzlerkandidat der SPD. Sogar der politische Gegner spendet Lob.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, l) und Peer Steinbrück (SPD): „Wir haben ein ordentliches Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger.“ Quelle: handelsblatt.com

Dass ein Ex-Finanzminister der SPD, der sich warmläuft für die Kanzlerkandidatur, für sein Buch "Unterm Strich" einen Preis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erhält, ist unspektakulär. Dass sein Nachfolger im Ministeramt, ein CDU-Mann, die Laudatio auf den Preisträger hält, ist schon eher bemerkenswert. Peer Steinbrück, der die christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel in zwei Jahren aus dem Amt drängen will, und Wolfgang Schäuble spielen mit diesem Bild. Am Dienstag, eine Minute vor 19 Uhr, haben die Fotografen das passende Bild: „Steinbrück meets Schäuble“. Zwei streitbare, bewährte Wachhunde der Bundeskasse in Respekt füreinander vereint.

Schäuble macht sich lustig über die sich aufdrängenden Fragen im Vorfeld: Warum gerade er als Laudator Steinbrücks eingeladen wurde, warum er wohl zugesagt habe? „Aber eigentlich ist es falsch, so zu denken“, wischt er die Bedenken vom Tisch. „Wir haben ein ordentliches Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger.“ Und deshalb sei er hier, beim „lieben Herrn Steinbrück“. Ein paar Spitzen gönnte sich der Christdemokrat dennoch. Man solle, so habe er gelernt, einen Politiker nie liebenswürdig nennen. In die Versuchung komme man damit aber bei Steinbrück ohnehin nicht.

Ein paar Spitzen gönnt sich Schäuble

Und zu den Spekulationen über eine Kanzlerkandidatur Steinbrück reizte er den Preisträger: „Sie genießen das ja auch.“ Man müsse sich, das wisse er, Schäuble, vor denen in Acht nehmen, die sagten, sie strebten ein Amt nicht an. „Ich kann ihnen sagen, wir sind wachsam, sind auf der Hut.“ Auch Steinbrück gab den Gelassenen. Dass Schäuble gekommen sei, spreche für Souveränität, für Großmut. Ansonsten räumte der derzeit hoch Gehandelte freimütig seine Eitelkeit ein und formulierte kokett, sein Leben werde jetzt wohl erst einmal um etliches ruhiger verlaufen.

Das Zusammentreffen der beiden so unterschiedlichen Vertreter der Gattung Politiker war pikant. Der eine, Peer Steinbrück, hat Deutschland in erstaunlich geräuschloser Zusammenarbeit mit Merkel bis 2009 - zum Wohle des Ganzen, so sein Anspruch - relativ glimpflich durch die größte Finanz- und Wirtschaftkrise seit Jahrzehnten gesteuert. Geräuschlos läuft es zwischen dem anderen, Schäuble, und seiner Parteichefin nun beileibe nicht. Immer wieder reibt er sich an der Kanzlerin Merkel: da geht es einmal um die Beteiligung des Privatsektors an neuen Griechenland-Hilfen, ein anderes Mal um Steuersenkungen - für die Schäuble partout kaum Spielraum zu sehen vermag.

Beide haben momentan Spitzenwerte

Es war auch noch aus anderen Gründen ein interessantes Zusammentreffen. Es standen sich gegenüber ein dröhnender Freund der deutlichen Worte, der Parteifreunde schon mal als „Heulsusen“ verspottet, und ein Abwägender. Bei Schäuble finden die Sätze oft kein Ende, seine Formulierungen machen manchmal ratlos - doch urplötzlich kann er umschalten, schneidend werden, klar, scharf und sarkastisch. Oberwasser haben sie momentan beide. Laut dem Business-Monitor des „Handelsblatt“, einer Umfrage unter Führungskräften, sind mit Schäuble 85 Prozent überwiegend oder sehr zufrieden - ein Spitzenwert. Steinbrück wiederum schafft es im jüngsten Spiegel-Politiker-Ranking auf Rang zwei, und das ohne jedes offizielle Amt.

Bei Europa sind sich beide einig

Doch so unterschiedlich beide daherkommen, so offensichtlich sind die Gemeinsamkeiten. So hatten und haben beide die Mission, die üble Gewohnheit des permanenten Schuldenmachens zu beenden. Steinbrück war 2007 ganz knapp dran an einem ausgeglichenen Haushalt - ehe die Welt-Finanzkrise ihm das vermasselte. Den Eintrag in die Geschichtsbücher verpasste er damit. Auch Schäuble hat den ausgeglichenen Etat als Ziel fest im Visier. Spätestens 2016 soll der Bundeshaushalt im Großen und Ganzen im Gleichgewicht sein, vielleicht schon früher. Doch es könnte ihm gehen wie Steinbrück: Kurz vor dem Ziel doch noch zu scheitern - an den Kosten der Energiewende oder der Euro-Rettungspakete.

Darin, dass die Zukunft Deutschlands in Europa liegt, sind sich beide einig - aber da endet dann die Gemeinsamkeit.

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