Steinkohle-Bergbau Ausstiegsmodell 2018 vor dem Aus

Im Streit um die Verlängerung der Kohlesubventionen hat Deutschland schlechte Karten. Aus Brüssel mehren sich die Signale, dass der deutsche Ausstiegstermin 2018 nicht zu halten ist. Auch die FDP will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gefolgschaft verweigern. Im Kohleland NRW versuchen Politik und Gewerkschaften trotzdem alles, um den Kohleausstieg 2018 zu retten. Denn es fehlt der Plan B.

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Grubenhelm mit der Aufschrift Quelle: dapd

Der 30. September 2010 war ein trauriger Tag im westfälischen Hamm. Für rund 1700 Kumpel im Bergwerk Ost war es die letzte Schicht – die Zeche wird stillgelegt. Für die Regierungen in NRW, im Saarland und in Berlin war dieser Tag jedoch ein weiterer Pluspunkt im Poker um die angepeilte Verlängerung der Kohlesubventionen. Denn das Signal nach Brüssel war klar: Wir halten uns an die Vereinbarung, tut ihr es auch!

Einig wie selten sind sich weite Teile der Regierung, Opposition und Gewerkschaften. Gemeinsam machen sie mobil gegen die Pläne der EU-Kommission. Diese will den Bergbauländern entgegenkommen und die Ende des Jahres auslaufende Regelung für die staatlichen Beihilfen zur Kohleförderung bis Oktober 2014 verlängern. Die betroffenen Länder halten dagegen am national vereinbarten Ausstiegstermin 2018 fest. Dabei geht es nicht nur um die bedrohten Arbeitsplätze vor allem in Nordrhein-Westfalen. Viel schwerer wiegt, dass weder die NRW-Landesregierung noch die Bundesregierung einen Alternativplan für die Finanzierung des Ausstiegs schon 2014 in der Tasche haben. Setzt sich die EU durch, stünde auch das Konzept für die Finanzierung der Folgelasten des Bergbaus, der sogenannten Ewigkeitskosten, auf wackligen Beinen. Die Risiken für die öffentlichen Haushalte wären dann unkalkulierbar.

CDU und FDP streiten um gemeinsamen Kurs

Die Drähte zwischen Düsseldorf, Berlin und Brüssel laufen heiß. Trotzdem mehren sich die Anzeichen, dass das deutsche Modell vor dem Aus steht. Denn um die Entscheidung der Kommission zu kippen, braucht Deutschland einen einstimmigen Beschluss aller Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten. Eine solche Einstimmigkeit sei allerdings nicht in Sicht, heißt es aus Berliner Koalitionskreisen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich noch nicht einmal die Bundesregierung einig ist, welche Position sie in Brüssel vertreten soll. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am vereinbarten Kohleaustieg 2018 festhalten will, symphatisiert Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) offen mit dem Kommissionsbeschluss. Die Liberalen im Bund warnen Merkel bereits davor, in Brüssel „einen politischen Kuhhandel" einzugehen. Unterstützung für Brüderles Pläne, die Subventionen bereits 2014 auslaufen zu lassen, gibt es auch von den NRW-Liberalen. "Der Bergbau kann sozialverträglich beendet werden, auch wenn die Subventionen nicht bis 2018 laufen", sagt Gerhard Papke, Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Düsseldorfer Landtag, und verweist auf den schon heute existierenden Fachkräftemangel in Industrie und Mittelstand. Außerdem ließen sich durch das frühere Ende der Kohlebeihilfen Milliarden an Subventionen einsparen. "Diese sollten dann aber zumindest zum Teil für Investitionen in den Zechenregionen verwendet werden", sagt Papke.

Zu viele Unbekannte

Tatsächlich könnte der Bund zwei bis drei Milliarden Euro an Absatzbeihilfen sparen, sollten die Subventionen bereits 2014 auslaufen. Das Land NRW steigt sowieso 2014 aus den Beihilfen aus, das Saarland ist schon raus. Doch den Einsparungen stehen unkalkulierbare Ausgaben gegenüber. Knackpunkt ist die 2007 gegründete RAG-Stiftung, die bis 2018 den sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleförderung realisieren und ab 2019 die Ewigkeitslasten des Bergbaus wie die dauerhafte Sicherung der Stollen finanzieren soll. Das Stiftungsmodell soll verhindern, dass über Jahrzehnte in den öffentlichen Haushalten Rückstellungen für die Lasten gebildet werden müssen. Der Stiftungsfonds speist sich aus Dividenden, Erlösen aus Teilverkäufen und dem geplanten Börsengang des Mischkonzerns Evonik, an dem die Stiftung knapp 75 Prozent hält. 2018 soll das Stiftungsvermögen auf sieben bis acht Milliarden Euro angewachsen sein, in etwa die Summe, die Experten für die Ewigkeitslasten ansetzen.

Enden die Kohlebeihilfen schon 2014, fallen auch die Ewigkeitslasten früher an. Wie gut der Stiftungssäckel dann gefüllt sein wird, hängt auch davon ab, ob und für wie viel bis dahin die Evonik-Kraftwerksparte Steag den Besitzer gewechselt hat und wie es mit dem Börsengang der Evonik vorangeht. Der Stiftungsvorstand warnt bereits: Sollte das Vermögen nicht ausreichen, müsse die Differenz "zulasten der öffentlichen Haushalte angehoben werden". Sicher sei das Konzept nur, wenn es beim Ausstiegsdatum 2018 bliebe.

Viel Zeit für eine Einigung im Subventionsstreit bleibt nicht mehr. Am 10. Dezember treffen sich die EU-Wirtschaftsminister, um über die Zukunft der Beihilfen zu beraten. Bis dahin sollten sich Kanzlerin und Wirtschaftsminister auf einen gemeinsamen Kurs geeinigt haben. Beharrt Deutschland dann weiter auf 2018 und es kommt zu keiner Einigung auf EU-Ebene, bahnt sich das nächste Problem an. Denn wenn die bisherige Regelung Ende Dezember ausläuft, hätten die deutschen Kohlebeihilfen ohne Einigung bereits ab 2011 keine rechtliche Grundlage mehr. Dann stünde die Finanzierung nicht nur auf wackligen Beinen, sondern vor dem Aus. Der RAG-Stiftung droht dann die Insolvenz. Höchste Zeit also für einen Plan B.

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