Steinmeier wird Bundespräsident Der Alternativlose

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Lieber Schwarz-Rot statt Schwarz-Grün

Doch hätte die Geschichte durchaus anders laufen können. Nehmen wir an, die Kanzlerin hätte beispielsweise Norbert Lammert, den amtierenden Bundestagspräsidenten, von einer Kandidatur überzeugen können. Nehmen wir weiter an, sie hätte ihren Parteifreund als Kandidaten frühzeitig kommuniziert – und zwar bevor Gabriel mit dem Steinmeier-Vorschlag vorgeprescht ist. Das Narrativ wäre womöglich ein ganz anderes gewesen: Merkel hätte einen respektablen Kandidaten nominiert und die SPD hätte erklären müssen, warum sie einen beliebten Außenminister aus dem Auswärtigen Amt abziehen will.

Oder eine andere Variante. Nehmen wir an, Union und Grüne hätten sich auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigt. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann macht aus seiner Sympathie für die Kanzlerin keinen Hehl. Auch andersherum ist das Verhältnis gut. Doch selbst wenn es nicht Kretschmann geworden wäre, sondern ein anderer schwarz-grüner Konsenskandidat: Die CSU war offenbar eher bereit, einen sozialdemokratischen Kandidaten mitzutragen als einen grünen.

Eine Vorentscheidung für die Koalitionsfrage nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr ist damit zwar nicht gefallen. Die Tendenz – im Zweifel lieber mit der SPD und nicht mit den Grünen – besteht aber sehr wohl. Und manche in der Union dürften nun meinen, dass die Sozialdemokraten ihnen etwas schuldig sind.

Die deutschen Bundespräsidenten
Joachim Gauck (seit 2012)Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck wurde am 18. März 2012 mit einer überwältigenden Mehrheit von 80 Prozent zum Bundespräsidenten gewählt. Er übernahm das Amt von seinem Vorgänger Christian Wulff, der nach nur 20 Monaten im Amt zurücktrat. Gauck, Jahrgang 1940, gehört keiner Partei an. Der Theologe und frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde gilt als integer und redlich. Er ist der erste Ostdeutsche, der das höchste Staatsamt der Bundesrepublik bekleidet. Als wichtigste Aufgabe seiner Amtszeit verkündete Gauck in seiner Rede nach der Wahl, Regierung und Bevölkerung wieder näher zueinander bringen zu wollen. Im Februar 2017 wird er im Amt abgelöst. Quelle: dpa
Christian Wulff Quelle: dapd
Host Köhler Quelle: dpa
Johannes Rau Quelle: AP
Roman Herzog Quelle: AP
Richard von Weizsäcker Quelle: BPA
Karls Carstens Quelle: BPA

Für Sigmar Gabriel ist die Bundespräsidentenwahl ein Erfolg – mal wieder. Er hat zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Kandidaten ausgerufen. Gabriel hat Fakten geschaffen und Merkel vorgeführt. Dieses Geschick, klagen manche in seiner eigenen Partei, legt er zwar in Sachen Schloss Bellevue an den Tag. Für das Kanzleramt lasse er es aber vermissen.

Gaucks Wegmarken

Denn Gabriels Umfragewerte dürften kaum besser werden, nur weil sein Parteifreund Steinmeier Bundespräsident wird. Gabriel fehlt auch nach seinem heutigen Triumph ein Plan für den Bundestagswahlkampf. Der SPD-Chef hat noch immer nicht entschieden, ob er als Kanzlerkandidat für die SPD antritt. Oder ob er womöglich Martin Schulz, derzeit noch Präsident des Europäischen Parlaments in Brüssel, den sich viele auch als Außenminister in Berlin vorstellen könnten, den Vortritt lassen sollte.

Aber zunächst gilt: Die peinliche Suche nach einem neuen Bundespräsidenten ist beendet. Frank-Walter Steinmeier ist bereits heute der beliebteste Politiker des Landes. Und daran dürfte sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Merkel hat recht: Steinmeier ist eine Entscheidung aus Vernunft – eine gute Entscheidung, zu der die Kanzlerin keine Alternative hatte.

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