Stephans Spitzen

Der Sinn der Ehe schwindet

Cora Stephan Politikwissenschaftlerin

Der Trend zur „Ehe für alle“ scheint unaufhaltsam. Dass der historische Sinn der Ehe nivelliert wird, hat aber einen anderen Grund: Der Staat maßt sich Aufgaben an, für die traditionell die Familie stand.

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Homo-Ehe Quelle: dpa

"Wird "Ehe für alle" die Verhältnisse zum Tanzen bringen? Werden demnächst  Geschwister heiraten? Wird sich die  Vielweiberei  durchsetzen? Mag sein, dass solche angstvolle Visionen übertrieben sind.  Und doch ist die Furcht, „Ehe für alle“ bedeute eine Erosion des Fundaments der Gesellschaft,  nicht gänzlich unberechtigt. Es ist der Generationenzusammenhang, der auf dem Spiel steht.

Kleiner Ausflug in die Vergangenheit. Die Ehe setzte sich in Europa nicht durch, weil die Kirche das wünschte, sondern erst, als weltliche Interessen sich des kirchlichen Segens versichern wollten. Ab dem 11. Jahrhundert legten adlige und bäuerliche Familien verstärkten Wert auf eine geregelte Nachfolge, denn der Besitz sollte unvermindert vererbt und dem Zugriff räuberischer Verwandter entzogen werden. Mit der Einführung von Familiennamen und der formellen Eheschließung entstand Herkunft im Dienste der Zukunft: so sollte sichergestellt werden, dass der Erbanspruch folgender Generationen als legitim anerkannt wurde.

Die Ehe hatte also mit Eigentum, Erbfolge und Familie im Sinne eines generationenübergreifenden Zusammenhangs zu tun. Erben konnte nur der Älteste, für seine Brüder blieben Klerus und Soldatentum. Die Frauen durften oder mussten heiraten: Ehe unter Angehörigen mächtiger Familien vergrößerte deren Macht.

Ehe war gesellschaftlicher Status

Eine „Ehe für alle“ gab es auch in den folgenden Jahrhunderten nie. Ein Mann durfte lange Zeit nur heiraten, sofern er in der Lage war, einen eigenen Hausstand zu begründen. Handwerksgesellen bedienten sich der Möglichkeit, nach dem Ableben des Meisters dessen Witwe zu ehelichen. Ehe erhöhte den gesellschaftlichen Status, war also überaus erstrebenswert; Liebe war möglich, aber nicht nötig, und „bis dass der Tod euch scheidet“ erschien angesichts damaliger Sterblichkeit nicht als Zumutung. Auch die sexuelle Neigung der Eheleute war von geringer Bedeutung, Hauptsache, es wurden Nachkommen geboren – auf welche Weise auch immer.

Der Siegeszug der Liebesheirat ist noch nicht einmal zweihundert Jahre alt und hat sich global im übrigen keineswegs schon durchgesetzt.

Die populärsten Irrtümer über die Liebe
Eine Frau zerreißt ihr Hochzeitsfoto Quelle: dpa
Liebe auf den ersten BlickGerade im Frühling spannt Amor seinen Bogen und zielt auf Männlein und Weiblein. Trifft er, entflammen die Herzen der Getroffenen und sie leben ab da glücklich bis an ihr Lebensende. So zumindest der Volksmund. Alles Blödsinn, sagt dagegen die Wissenschaft. Die Liebe auf den ersten Blick ist eine Erfindung Hollywoods, schreibt Christian Thiel, Autor des Buches „Wieso Frauen immer Sex wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben “. Das, was wir für Liebe auf den ersten Blick halten, ist nur eine Mischung aus erotischer Anziehung und dem schönen Gefühl, begehrt zu werden. Es handelt sich also um Erotik auf den ersten Blick. Quelle: obs
Sozialer aufstieg durch Heirat Quelle: dpa
Immer mehr Singles Quelle: dpa
Rollenverteilung beim FlirtenBeim Flirten oder der Partnersuche ist der Mann der Jäger und die Frau das Wild, das es zu erlegen gilt, so zumindest die landläufige Meinung. Dabei wählen Männer ihre Beute nicht aus, sie werden ausgewählt, wie Paarberater und Buchautor Christian Thiel schreibt. Frauen werben um Männer mit nonverbalen Signalen und machen so den ersten Schritt: Sie schauen ihn an, lächeln ihm zu und signalisieren ihm somit, dass er sie ansprechen darf beziehungsweise soll. Folgt er der Aufforderung, macht er damit den zweiten Schritt. Quelle: dpa
Schönheit ist Trumpf Quelle: dpa
Beziehungen sind harte ArbeitHat man sich dann endlich gefunden, bleibt die Beziehung nur bestehen, wenn man viel harte Arbeit investiert. Beziehungsarbeit eben. Sie besteht aus quälend langen Beziehungsgesprächen, die der Partnerschaft gut tun sollen. Single- und Partnerschaftsberater Thiel hält davon gar nichts. Statt stundenlang darüber zu diskutieren, wie die Partnerschaft besser zu machen ist, sollten sich Partner lieber miteinander beschäftigen und die gemeinsame Zeit miteinander genießen. Eine Stunde kuscheln macht nämlich glücklicher als vier Stunden diskutieren. Und glückliche Partner bleiben auch länger zusammen. Quelle: Fotolia

Die Vorstellung von Liebe hat sich verändert

Doch der historische Sinn der Ehe schwindet hierzulande nicht nur dank des Primats der Liebe und des offenbar unaufhaltsamen Trends zur „Ehe für alle“. Auch die Vorstellung vom Familienerbe hat sich verändert: nicht nur, aber vor allem seit dem blutigen 20. Jahrhundert mit Flucht, Vertreibung und Enteignung. Besitz, der über viele Generationen hinweg weitergegeben wurde, der Familie konstituierte, ging verloren, das Band zwischen Herkunft und Zukunft wurde fragiler. Das allerdings kündigte sich bereits mit dem Bedeutungsverlust bäuerlichen Grundeigentums seit der Jahrhundertwende an. Nicht die Landbevölkerung, sondern städtisches Bürgertum und Proletariat obsiegten. (Zum ganzen Stolz eines Arbeiterhaushalts gehörte im übrigen, wenn die Frau nicht arbeiten musste.)

Wie Sie mit Kettenschenkungen Ihr Erbe sichern
Das Weiterverschenken von Präsenten ist eigentlich verpönt. Bei Vermögenswerten indes kann es helfen, Schenkungsteuer zu sparen. Im Rahmen einer Kettenschenkung werden Vermögenswerte meist in zwei aufeinanderfolgenden Schritten an zwei verschiedene Erwerber übertragen. Eine Kettenschenkung im Familienkreis eröffnet attraktive Steuervorteile, betont die Mönchengladbacher Wirtschaftskanzlei WWS. Bei hohen Werten lassen sich schnell einige Tausend Euro Steuern einsparen. Quelle: dpa
Bei einer Kettenschenkung werden Vermögensgegenstände zunächst an nahe Angehörige, den Ehegatten oder den eingetragenen Lebenspartner übertragen. Denn für sie räumt der Gesetzgeber die höchsten Freibeträge für Schenkungen ein. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner dürfen sich gegenseitig in zehn Jahren bis zu 500.000 Euro steuerfrei schenken. Quelle: dpa
Schenkungen an Kinder, Stief- und Adoptivkinder bleiben bis immerhin 400.000 Euro vom Fiskus verschont. Nahe Verwandte oder Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner dienen als Mittelsperson, erst dann gelangen die Vermögenswerte an die gewünschte Zielperson. Quelle: dpa
Eine interessante Option sind Kettenschenkungen etwa für Schenkungen von Großeltern an ihre Enkel. Bei direkten Übertragungen auf Enkel beträgt der Freibetrag lediglich 200.000 Euro. Deshalb werden Zuwendungen zunächst auf das eigene Kind übertragen. Anschließend schenkt das Kind den Vermögensgegenstand an das Enkelkind weiter. Weitere typische Fälle sind Zuwendungen von Eltern an Schwiegerkinder. Auch hier ist eine Zwischenübertragung an die leiblichen Kinder von Vorteil. Quelle: dpa
Die obersten Gerichte haben die Rechtmäßigkeit von Kettenschenkungen wiederholt bestätigt. Allerdings sind strenge Bedingungen zu erfüllen. „Eine Kettenschenkung ist nur dann erfolgreich, wenn die Finanzbehörden den Zwischenerwerb anerkennen und keine unmittelbare Zuwendung vom ersten Schenker an den letzten Beschenkten annehmen“, betont Stephanie Thomas, Rechtsanwältin und Steuerberaterin der WWS. Der Bundesfinanzhof hat jüngst in einem Urteil (BFH, Az. II R 37/11) die Voraussetzungen für Kettenschenkungen präzisiert. Besonders wichtig sind zwei Punkte: Zum einen darf der Zwischenerwerber nicht zur Weitergabe des erworbenen Gegenstands verpflichtet sein. Zum anderen muss die erste Schenkung bereits ausgeführt sein, bevor die zweite Schenkung vereinbart wird. Quelle: dpa
Jede Kettenschenkung ist gründlich zu planen, damit Finanzbehörden wenige Angriffspunkte haben. Im Vorfeld sollte immer fachlicher Rat eingeholt werden. So lassen sich die Vor- und Nachteile einer Kettenschenkung für die persönliche Vermögenssituation durchspielen. „Auch wenn attraktive Steuervorteile locken, so führt das Weiterverschenken immer auch zu einem doppelten Verbrauch von Freibeträgen“, hebt WWS-Expertin Thomas hervor. Quelle: dpa
Das Finanzamt erlangt in jedem Fall unmittelbar Kenntnis von dem Sachverhalt. Grundsätzlich ist jede Schenkung zu melden, egal ob dafür Steuern fällig sind oder nicht. Sowohl Schenkender als auch Begünstigter müssen die Schenkung innerhalb von drei Monaten beim Finanzamt anzeigen. Zuständig ist das Finanzamt des Schenkers. Wird die Schenkung notariell beurkundet, so setzt der Notar die Finanzbehörden über die Schenkung in Kenntnis. „Das Finanzamt wird bei Schenkungen grundsätzlich prüfen, ob es sich um ein oder zwei Zuwendungen handelt“, so WWS-Expertin Dr. Thomas. Quelle: dpa

Kleine Abschweifung: „die“ Griechen, heißt es, hätten die Demokratie erfunden. Doch wenn man genauer hinschaut, ist es die bäuerliche Kultur um 700 bis 500 vor unserer Zeitrechnung, in der sie entstand – als die griechische Polis ihre Basis in autonomen Landbesitzern hatte. Im konservativen Denken aber verbindet, frei nach Edmund Burke, Grundbesitz Herkunft und Zukunft in einer generationenbezogenen Gemeinschaft.

Was das mit der Ehe für Alle zu tun hat? Genau: nichts. In konservativer Lesart ist die „Ehe für alle“ ein Angriff auf das über Generationen bewahrte Erbe. Liberal Denkende sehen darin hingegen den bloßen Vollzug des eh Vonstattengehenden: kaum einer baut noch ein Haus, das man Familiensitz nennen könnte – insbesondere Angehörige einer Generation, die noch erfahren haben, wie schnell sich Erbe erledigt, wenn Krieg und Sozialismus zusammenwirken. Erhöhte Mobilität entwertet im übrigen ortsgebundenen Besitz. „Eigenheime“ sehen heute genauso aus: wie jederzeit ablegbare Hüllen vorübergehender Gemeinsamkeit.

Es zählt nicht mehr die Abstammung, sondern die Leistung

Kommt jetzt das Klagelied über die Atomisierung des Individuums? Natürlich nicht. Der Rechtsstaat und sein Gewaltmonopol entwickelten sich aus dem Sieg einer Zentralmacht über mächtige Familienclans. Und zu den segensreichen Folgen der Individualisierung zählt das, was in paternalistischen Stammesstrukturen fehlt: jeder kann sich seine Verdienste selbst zurechnen, niemand muss seinen Reichtum an die Familie abgeben – oder auch nur mit einer Ehefrau oder einem Ehemann teilen. In einer Meritokratie zählt nicht die Abstammung, sondern die eigene Leistung.

Dazu passt der immer wieder aufflammende Streit ums Erben und Vererben: Keinem, so lautet die geläufige Vorstellung, gebühre qua Geburt die Verfügung über ein womöglich über Jahrhunderte erarbeitetes und aufgehäuftes Vermögen. Beifällig wird dem Staat zugestanden, voll versteuertes Vermögen ein weiteres Mal zu besteuern – bis hin zur Gefährdung sogar des produktiven Eigentums von Familienbetrieben.

"Ehe für alle" Löst nicht die demographischen Probleme

Mal abgesehen vom volkswirtschaftlichen Schaden, der damit in Kauf genommen wird: mit der Erbschaftssteuer greift der Steuerstaat im Namen von „Gleichheit und Gerechtigkeit“ in eine Enklave privater Solidarität ein und entmachtet einen Bereich, in dem er nichts zu sagen hat, weder als Arbeitgeber noch als Verteilungsagentur. Und das ist ganz und gar absichtsvoll: der Steuerstaat trachtet danach, Abhängigkeit zu schaffen. Wer sich also von der Macht der Familie befreit wähnte, sieht sich unversehens in den Fängen von Vater Staat und unter den Fittichen von Mutti Merkel.

Ist also die „Ehe für Alle“ nur das Wetterleuchten am Horizont?

Die vertraglich und kirchlich beglaubigte Ehe war einst nicht auf zwei Menschen und ihre Nachkommen ausgelegt, sondern auf das, was man heute Nachhaltigkeit nennt: auf den Zusammenhalt und die Mehrung des Besitzes über Generationen hinweg. Heute haben wir statt dessen einen Staat, der von Politikern gesteuert wird, die notgedrungen von Wahlperiode zu Wahlperiode denken, welche hierzulande gerade einmal vier Jahre dauert. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn der Staat sich darauf beschränkte, die Rahmenbedingungen für freie Bürger zu sichern, anstatt sich „Gestaltungsmacht“ anzumaßen. Nicht nur in Deutschland aber hätte es manch einer offenbar gern, wenn alle Wähler in der einen oder anderen Weise staatsabhängig wären.

Auf die Idee, dass die mangelnde Fortpflanzungsbereitschaft hierzulande auch damit zusammenhängen könnte, dass der Steuerstaat immer mehr in die Gestaltungsfreiheit der Bürger eingreift, kommt offenbar niemand mehr. „Kinder für alle“, also (auch mithilfe von Leihmüttern) für homosexuelle Paare, erhöht indes die Geburtenrate nur unwesentlich. Angesichts all des Getöses, was um die Ehe unter Gleichgeschlechtlichen gemacht wird, sollte man doch mal festhalten: sie ist und bleibt die Sache einer Minderheit.

Tatsächlich ist die „Ehe für alle“ ein Verfallsprodukt, das den Abschied von der Institution selbst einleitet. Denn warum soll man den Staat an rein privaten Entscheidungen teilhaben lassen? Das Nötige regelt die Vertragsfreiheit. Der Rest ist der Phantasie überlassen. Fragt sich dann nur noch, warum man das alles ausgerechnet „Ehe“ nennen muss.

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